Christen-Orte am See Genezareth sollen Weltkulturerbe werden

Schutzzone im Heiligen Land

Die idyllische Landschaft am See Genezareth ist nach Jerusalem das wichtigste Ziel für christliche Pilger im Heiligen Land. Jesus verbrachte hier den größten Teil seines öffentlichen Lebens - heute stört die laute Freizeitindustrie Mönche und Pilger, die hier Ruhe und Besinnlichkeit suchen. Eine Lösung könnte die Unesco bringen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
See Genezareth: Größtes Wasserreservoir des Heiligen Landes (KNA)
See Genezareth: Größtes Wasserreservoir des Heiligen Landes / ( KNA )

Sie will die christlichen Stätten am See, aber auch das nahe gelegene Nazareth und weitere Orte in Galiläa zum Weltkulturerbe erklären. Damit wäre die weitere Expansion von Restaurants und Bootsverleihen in das christliche Areal am See gestoppt. Musik-Dampfer oder Motorscooter müssten reichlich Abstand von den Freiluftmessen der Christen halten. Und es wäre auch das Aus für den Kneipenwirt, der sich seit Jahren illegal am Eingang einer Heiligen Stätte festgesetzt hat. Dank "guter Beziehungen" konnte er bislang alle Räumungsklagen verhindern.

Die Idee für die Unesco-Initiative kam von der israelischen Unesco-Kommission und der Altertumsbehörde. Nachdem bereits der Bahai-Tempel in Haifa, die Festung Masada und die Wüstenstädte im Negev zum Weltkulturerbe erklärt wurden, sollen jetzt auch die christlichen Ursprungsorte in Galiläa diesen ehrenden Schutz erhalten. Dazu gehört Kapernaum, das Jesus "seine" Stadt nannte und wo er den Knecht des Hauptmanns heilte. Dann Tabgha, wo er mit fünf Broten und zwei Fischen eine gewaltige Zuhörergemeinde sättigte und das Teilen lehrte. Oder nebenan der Ort, wo er in der Bergpredigt die christlichen und humanitären Ideale von Frieden und Versöhnung, von Nächsten- und Feindesliebe lehrte.

Weiter Kana, Naim oder Magdala. An diesen Stätten haben die Franziskaner als Hüter der Heiligen Stätten, aber auch der Deutsche oder der Italienische Heilig-Land-Verein Kirchen und Gedenkstätten, Pflegeeinrichtungen, Klöster und Gästeherbergen errichtet. Nur an wenigen Orten sammeln sich Israels Touristenströme so geballt wie an diesen christlichen Stätten am See. Die Besucherzahlen sind inzwischen so angeschwollen, dass die Mönche mancherorts schon für einen Ruhetag geschlossen haben.

Langzeitinvestition in den christlichen Pilger-Tourismus
Die zuständigen israelischen Stellen haben die zu schützenden Orte inzwischen in einer Bestandsaufnahme erfasst. Derzeit verhandeln sie mit den Eigentümern über Inhalt und Auflagen eines Abkommens. Die Kirchenvertreter brauchen aber noch Bedenkzeit, um die daraus entstehenden Rechte und Pflichten zu erörtern.

Für Israel wäre der Schritt zum Weltkulturerbe eine Langzeitinvestition in den christlichen Pilger-Tourismus, also in eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Es wäre zugleich ein ökologischer Beitrag, um die noch nicht von der Vergnügungsindustrie erfasste Uferregion mit ihrer einmaligen Fauna und Flora zu erhalten. Durch strenge Bauauflagen bliebe das Landschaftsbild erhalten. Schließlich käme auch der leidige Dauer- und Rechtsstreit um einen Wanderweg entlang des Seeufers zu einem Ende. Der müsste dann an diesen Stellen in einigem Abstand vom Wasser verlaufen.

Die christlichen Eigentümer der Heiligen Stätten sehen ebenfalls Vorteile, erwarten aber Lösungen, die ihre Souveränität widerspiegeln. Für die Heilig-Land-Pilger bliebe abseits vom hektischen Jerusalem oder vom angespannten Bethlehem eine Zone der Ruhe und Besinnung erhalten. Eine wirksame und dauerhafte Schutzregelung legt auch die Frage nach der politischen Zukunft nahe. Denn sollte der Golan samt dem Ostufer des Sees Genezareth eines Tages als Friedenspreis an den bisherigen Erzfeind Syrien zurückgehen, könnte es im nordisraelischen Freizeitparadies noch enger werden.