Die Kirchen und die Weihnachtsmärkte

Mit der Bratwurst im Dom

Wenn in Nürnberg von der Empore der Frauenkirche der Christkindlmarkt eröffnet wird, hält sich Pfarrer Roland Huth ganz bewusst abseits. Der für die Seelsorge an der Frauenkirche verantwortliche Geistliche beobachtet das weltberühmte Geschehen aus großer Distanz. Denn das Gemisch aus adventlichem Kauftrubel und Kirche bereitet dem Seelsorger allensfalls gemischte Gefühle.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Nicht nur in Nürnberg, auch in vielen anderen deutschen Städten machen sich alle Jahre wieder die Weihnachtsmärkte unmittelbar neben einem Dom oder einer großen Stadtkirche breit. Ein nicht ganz spannungsfreies Verhältnis. Denn aus religiöser Sicht sollen die vier Wochen des Advent auf Weihnachten vorbereiten - und zwar innerlich. Und da kann die bunte Konsumwelt eher stören. Pfarrer Huth nimmt das adventliche Markttreiben als unvermeidlich hin - sucht darüber hinaus aber auch nach Chancen, im mitunter lauten Umfeld der Weihnachtsmärkte die christliche Botschaft an Frau und Mann zu bringen.

"Wir versuchen, eine Brücke zu bauen", erläutert er. Dabei denkt er nicht nur an das "normale" Seelsorgeangebot in der Vorweihnachtszeit wie Adventsmusik oder Vespergottesdienste. Im Auge hat er vor allem Menschen, die nicht zu den typischen Gottesdienstbesuchern zählen.
Ihnen bietet er - im wörtlichen Sinne - in der bewusst offen gehaltenen Frauenkirche einen Raum an. So mancher Christkindl-Marktbesucher, beobachtet der Seelsorger, nutzt im Kaufgewimmel das Gotteshaus als Rückzugsort - gelegentlich sogar mit der Bratwurst in der Hand.

Huth plädiert für einen großzügigen Umgang mit solchem Verhalten, sofern die Würde des sakralen Raums nicht zu sehr verletzt wird. Den "niederschwelligen" Zutritt zur Kirche durch Kirchenferne soll auch eine Ausstellung bewirken. Auf dem Michaelschor, an der Rückseite der Empore gelegen, warten "besinnliche" und "berührende" Exponate - allerdings auch ein Blick auf "die funkelnde und glitzernde Weihnachtsbudenstadt".

Auch der Trierer Dompropst Werner Rössel plädiert dafür, aus dem Nebeneinander von Kirche und Weihnachtsmärkten "das Beste zu machen". Positiv vermerkt er, dass bei liturgischen Angeboten wie den Sonntagsmessen oder den samstäglichen Adventsmeditationen der Trierer Dom "rappelvoll" ist. Negativ stoßen ihm schon mal Störer auf, die mit Pommes Frites und gebrannten Mandeln oder sogar angetrunken die Würde des Gotteshauses verletzen. Solchen Auswüchsen soll ein verstärkter Ordnungsdienst entgegenwirken. Besondere Akzente zu Adventszeit setzt die Dom-Seelsorge mit dem Mittagsgebet im Advent, einer viertelstündige "Atempause" über ein bestimmtes Thema an jedem Mittwoch und dem Konzert der Jugendkantorei am 4.
Advent.

Kein Problem in Köln
Kein Problem mit dem Weihnachtsmarkt neben dem Kölner Dom hat Dompropst Norbert Feldhoff - auch wenn er den ganzen Konsumrummel in der Adventszeit skeptisch sieht und die Besuchermassen für eine Belastung hält. Den Weihnachtsmarkt auf dem Roncalliplatz findet er "eine schöne Sache" - wegen der "romantischen Atmosphäre" und den dort erfahrbaren Anklängen an das Christentum. Auch in früheren Jahrhunderten habe es um die Dome herum Märkte gegeben, das sei nichts Modernes. Und die erhöhte Besucherzahl bei den Gottesdiensten an den Adventssonntagen belege, dass der Weihnachtsmarkt zumindest kein Hindernis für die Kirche darstellt.

Ganz energisch wendet sich Rössel dagegen, wenn der Budenzauber schon sechs Wochen vor Weihnachten und damit die Adventszeit schon vor dem ersten Advent beginnt. Auch Huth stemmt sich gegen den Trend, den Festkalender zu missachten. Wurde früher in der Frauenkirche die riesengroße Krippe schon mehrere Wochen vor Weihnachten aufgebaut, darf sie jetzt erst ab dem dritten Adventssonntag gezeigt werden - für Huth immer noch ein "schmerzlicher Kompromiss". Wenn dann aber der Heilige Abend da sei und es wirklich etwas zu feiern gäbe, dann gehe mit dem Schließen des Marktes der "schlimmste Bruch" einher. Huth: "Dann ist die Stadt tot."