Kardinal Meisner bleibt Erzbischof am Rhein

Die Entscheidung kam nicht überraschend

"Ich möchte gerne das sein, was der Papst will", antwortet Kardinal Joachim Meisner auf die Frage, ob er auch nach seinem 75. Geburtstag am Weihnachtsfest noch Erzbischof von Köln bleiben will. Dann lässt der gebürtige Schlesier überraschend die Katze aus dem Sack: "Inzwischen hat mir der Apostolische Nuntius mitgeteilt, dass der Papst mich bittet, bis auf weiteres im Dienst zu bleiben." Der Kardinal wird am 12. Februar 2009 in aller Ruhe den 20. Jahrestag seiner Einführung als Erzbischof von Köln feiern können und auch danach Oberhirte der Katholiken am Rhein bleiben.

Autor/in:
Viola van Melis
 (DR)

Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. kam für deutsche Kirchenkreise nicht überraschend. Für Kardinäle ist es beinahe schon üblich, dass sie über den 75. Geburtstag hinaus im Amt bleiben - in Einzelfällen wurde gar das Alter von 80 Jahren überschritten.

Meisner scheint zudem geistig und körperlich frischer als manch anderer Kirchenmann im Rentenalter, die Zügel der Bistumsleitung hat er, auch mit der Unterstützung seines energischen Generalvikars Dominik Schwaderlapp, fest in der Hand. Priester und Gläubige haben sich nach anfänglichen Querelen an den Erzbischof gewöhnt, Verehrer wie Kritiker bescheinigen ihm, zu den profiliertesten und engagiertesten Kirchenführern in Deutschland zu zählen - wenn auch nicht alle über den Stil seiner Amts- und Meinungsführung glücklich sind.

Zunächst war ihm «schwarz vor den Augen geworden», wie er bekennt, als ihn 1988 als Berliner Bischof der Ruf des Papstes erreichte, von der Spree an den Rhein zu wechseln. Mehrfach habe er den Heiligen Vater gebeten, von seiner Berufung nach Köln abzusehen. Doch als der Papst bei seiner Entscheidung blieb, sei er ihr «ohne zu zögern» gefolgt, so Meisner. Aus der «Muss-Ehe» zwischen Hirten und Herde wurde aus seiner Sicht eine Liebesheirat.

Köln sei seine vierte «wirkliche Heimat» geworden, sagt der
Kardinal: nach Schlesien, wo er 1933 in Breslau geboren wurde, nach Thüringen, wohin die Familie 1945 flüchtete und er den Weg vom Bankkaufmann über den Kaplan zum Weihbischof nahm, und nach Berlin. In der geteilten Stadt stritt er mit dem kirchenfeindlichen DDR-Regime für seine kleine Herde und erhielt dafür vor gut 25 Jahren den Kardinalspurpur.

Dass Meisner dem Ruf des Papstes nach Köln folgte, konnte niemanden überraschen, der ihn kennt. Loyalität zum Kirchenoberhaupt ist für ihn Ausweis des bischöflichen Amtes. Er bezeichnete Papst Johannes Paul II. als sein Vorbild und pflegt auch engen Kontakt zu Benedikt XVI. und hält sich oft im Vatikan auf - als Mitglied verschiedener Kongregationen und Räte. Beim Weltjugendtag 2005 beherbergte Meisner den Papst in seinem Haus und überließ ihm seine Gemächer. Das Großereignis mit einer Million Jugendlichen aus aller Welt empfanden beide als einen Höhepunkt ihrer Lebenswege.

Doch auch die kleinen Erfahrungen im Seelsorgerleben liegen Meisner am Herzen. Das schönste Erlebnis seiner Amtszeit? Als beim traditionellen Aschermittwoch der Künstler vor zwei Jahren einer der Anwesenden auf ihn zugekommen sei und sagte: «Herr Kardinal, Sie haben unsere Ehe gerettet durch ihren Fastenhirtenbrief.» Das habe ihn erstaunt, für Hirtenbriefe ernte er selten Lob, so Meisner selbstironisch. «Aber es stimmte. Das Paar wollte sich trennen, las den Brief und kam ins Gespräch.» Im Prozess des Wiederfindens habe sich ein Baby angemeldet. «Sein Foto steht jetzt auf meinem Schreibtisch. Das hat mich riesig gefreut.»

Bauchschmerzen dagegen bereitet es dem kompromisslosen Kirchenmann, wenn Geistliche kommen und ihr Priestertum aufgeben. «Das bedrückt mich so sehr, dass ich jedes Mal Tage brauche, um mich davon zu erholen.» Eine Art Erschöpfung war dem Kardinal auch anzumerken, als die Katholiken seines Erzbistums vor einigen Jahren mit dem Sparprogramm «Zukunft heute» haderten. Inzwischen gehen die meisten Gemeinden mit mehr Zuversicht Zusammenschlüsse mit ihren Nachbarpfarreien ein.

Nicht die Strukturen, sondern das geistliche Leben soll im Zentrum des Christentums stehen, wird Meisner nicht müde zu predigen. Auch sein geistliches Testament, an dem er derzeit arbeitet und das nach seinem Tod den Gläubigen seines Bistums vorgelesen werden soll, dürfte davon handeln. Abgehoben ist der Kardinal kurz vor dem 75. Geburtstag deshalb nicht: Regelmäßig mahnt er die Politik, das christliche Menschenbild nicht zu vernachlässigen. Dass viele ihn dafür «konservativ» schimpfen, nimmt er gelassen: «Ich habe mich daran gewöhnt». Der Begriff werde eben ideologisch gebraucht, um einen Menschen zu disqualifizieren. Christen aber hätten tatsächlich «den Glauben zu bewahren». Das heiße auf Latein nunmal «conservare».