Migrantenverbände fordern rechtliche Verbesserungen

Regierung zieht positive Bilanz des Nationalen Integrationsplans

Die Bundesregierung hat einen Tag vor dem dritten Integrationsgipfel eine positive Bilanz des Nationalen Integrationsplans gezogen. Der Maßnahmen-Katalog habe eine enorme Aufbruchstimmung im Land erzeugt und einen Paradigmenwechsel eingeleitet, erklärte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), am Mittwoch in Berlin. Das Kabinett verabschiedete eine Erklärung zur ersten Bilanz zum Integrationsplan. Zugleich äußerten Migrantenverbände im Vorfeld des Gipfels Kritik und forderten vor allem gesetzliche Änderungen.

 (DR)

Sehr viele der rund 400 Selbstverpflichtungen in dem Plan seien umgesetzt und zahlreiche Projekte angestoßen worden, sagte Böhmer.
Mit dem Integrationsplan sei erstmals eine Plattform geschaffen worden, die die Aktivitäten von Bund, Ländern, Kommunen und nichtstaatlichen Akteuren vereinige, sagte Böhmer. Der Nationale Integrationsplan war beim zweiten Integrationsgipfel im Juli 2007 beschlossen worden.

Der Bund wolle als nächste Maßnahme integrationspolitische Ziele festschreiben und regelmäßig überprüfen, kündigte die Staatsministerin an. Zudem solle der Dialog mit den am Integrationsplan beteiligten Gruppen weitergeführt werden.

Die vollständige Bilanz soll an diesem Donnerstag im Rahmen des Integrationsgipfels im Kanzleramt vorgestellt werden. Dabei werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie weitere Kabinettsmitglieder mit Migrantenvertretern den "Fortschrittsbericht" diskutieren.

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet
(CDU) sprach sich für eine verstärkte Qualitätskontrolle in der Zuwanderungspolitik aus. Entscheidend sei die Arbeit nach dem Gipfel, sagte Laschet in Düsseldorf bei der Vorstellung des Länderberichts zum Nationalen Integrationsplan. So solle künftig ein unabhängiger Sachverständigenrat regelmäßig die Integrationsarbeit auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen.

Der rund 220 Seiten umfassende Umsetzungsbericht stellt die gemeinsame Zwischenbilanz der 16 Bundesländer zum Nationalen Integrationsplan dar. Zu seinen Schwerpunkten gehörten die frühkindliche Förderung und die Integration in das Erwerbsleben, sagte Laschet.

Migrantenorganisationen forderten unterdessen die Bundesregierung auf, die gebürtigen Deutschen in ihre Integrationspolitik einzubeziehen. Viele Deutsche müssten die Spielregeln einer Einwanderungsgesellschaft noch lernen, sagte Kenan Kücük, Sprecher des Forums der Migrantenselbstorganisationen im Paritätischen Wohlfahrtsverband, in einem epd-Gespräch in Lünen/Westfalen.

"Deutschland ist ziemlich weit weg von Normalität im Umgang mit Zuwanderern", stellte Kücük fest. Migranten würden weiterhin häufig nach ihrer Hautfarbe und ihrem Äußeren beurteilt. Es sei daher ein Fehler der Bundesregierung, in der Integrationspolitik nur über die Migranten zu sprechen, forderte der Sprecher der 100 zusammengeschlossenen Migrantenorganisationen.

Kücük beurteilte es jedoch positiv, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Integrationspolitik zur Chefsache gemacht habe. Kritisch betrachtete Kücük die Gesetzgebung für Zuwanderer. Mit Neuerungen wie dem Einbürgerungstest und den Restriktionen beim Familiennachzug aus dem Ausland würden Migranten von oben herab behandelt. "Wenn wir ein gutes Zusammenleben wollen, spielen die Gesetze eine wichtige Rolle", sagte Kücük.

Türkische Verbände forderten eine Änderung des Zuwanderungs- und Einbürgerungsgesetzes. Dazu zähle die Rücknahme der im vergangenen Jahr eingeführten Sprachtests bei Familienzusammenführungen, hieß es in einer in Berlin verbreiteten gemeinsamen Erklärung.

Inakzeptabel seien auch weitere Hürden bei der Einbürgerung wie die Aufgabe der ursprünglichen Staatsbürgerschaft. Zudem müsse es ein aktives und passives Wahlrecht für alle Migranten auf kommunaler Ebene geben. Zu den Unterzeichnern gehören neben der Türkischen Gemeinde Deutschland unter anderem der Verband türkischer Unternehmer und Industrieller in Europa und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion.

Die Türkischen Verbände hatten im vergangenen Jahr aus Verärgerung über Verschärfungen des Zuwanderungsgesetzes den Integrationsgipfel boykottiert. Am dritten Gipfel wollen sie aber teilnehmen.

Auch der katholische Deutsche Caritasverband mahnte, es müsse noch besser gelingen, das Trennende in der Bevölkerung zwischen Einheimischen und Menschen mit Migrationshintergrund abzubauen. Dies erfordere von allen Beteiligten Respekt und die Bereitschaft, sich konstruktiv über Werte, Kultur und Religion auseinanderzusetzen, sagte Caritas-Präsident Peter Neher. "Wir müssen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit in einem vielfältigen Land wie Deutschland entwickeln." Neher forderte ebenfalls Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht.