Das schwarze Amerika bejubelt den Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus

Tränen bei Jesse Jackson

Brad Hicks konnte nicht mehr an sich halten, die Tränen liefen dem 72 Jahre alten pensionierten Lehrer in Strömen die Wangen herunter. "Der Herr ist gütig", vermochte er nur zu stammeln, bevor er in der First Corinthian Baptist Church in Harlem, wo er den Wahlabend verbrachte, seinem Nachbarn in die Arme fiel. Hicks ist in North Carolina, im tiefen Süden, als Schwarzer aufgewachsen und er kann sich noch genau erinnern, wie es war, als er nicht wählen durfte. Nicht einmal ein Eis verkaufte man ihm dort, als er ein kleiner Junge war, erzählte er am Wahlabend der Gemeinde der Corinthian Church. Dass er nun die Wahl des ersten Schwarzen zum Präsidenten der USA erleben durfte, das hätte er sich niemals träumen lassen.

Autor/in:
Sebastian Moll
 (DR)

Hicks war nicht der einzige in der Corinthian Church, einer der traditionsreichsten schwarzen Kirchen von Harlem, dem am Dienstagabend die Tränen der Freude und Rührung kamen. Nachdem um etwa 23.00 Uhr Ortszeit bekannt wurde, dass Obama die geforderte Anzahl von 270 Wahlmänner-Stimmen erreicht hatte, lagen sich die rund 1500 Gemeindemitglieder beinahe eine halbe Stunde lang schluchzend in den Armen. Kirchenhelferinnen liefen mit Küchenrollen durch die Gänge und teilten Taschentücher aus.

Und auch im übrigen schwarzen Amerika blieb angesichts des historischen Augenblicks kein Auge trocken. Jesse Jackson etwa, der 1988 als erster Schwarzer für das Präsidentenamt kandidiert hatte, stand in einer Menge in Chicago, die auf den Auftritt von Barack Obama wartete und weinte ungehemmt. Und der prominenteste schwarze Intellektuelle des Landes, der Harvard-Professor Henry Louis Gates, sagte sichtlich bewegt einem Fernsehjournalisten: "In unserer Lebzeit hat es einen solchen Augenblick noch nicht gegeben."

Eindrucksvoll war vor allem auch die Überlegenheit
Bemerkenswert an Obamas Sieg war allerdings nicht nur, dass er der erste Schwarze in der Geschichte der USA sein wird, der ins Weiße Haus einzieht. Eindrucksvoll war vor allem auch die Überlegenheit, mit der Obama seinen Gegner John McCain besiegte. Mehr als doppelt so viele Wahlmänner-Stimmen als für McCain wurden Obama zugesprochen. George W. Bush hatte vor vier Jahren mit nur 286 Wahlmännern gegenüber 252 für John Kerry gewonnen. 2000 hatte Bush gar nur 271 Wahlmänner auf sich vereinigen können und knapp gewonnen. Im US-Wahlsystem bekommt der Gewinner eines jeden Staates eine der Bevölkerungszahl entsprechende Anzahl von Wahlmännern zugesprochen - die Wahlmänner wählen dann den Präsidenten.

Schon früh am Abend hatte sich abgezeichnet, dass Obama das Rennen klar für sich entscheiden wird. Als besonders umstritten galten vor der Wahl Ohio, Florida und Virginia, deren Wahllokale deshalb bereits zeitig am Dienstagabend schlossen. Nachdem diese drei Staaten klar an Obama gegangen waren, räumten Mitarbeiter der McCain-Kampagne bereits ein, dass kaum einen realistischen Weg zum Sieg für McCain mehr gibt. Insgesamt zahlte sich Obamas Strategie aus, auch in Staaten massive Wahlkampfanstrengungen zu unternehmen, die für Demokraten traditionell als uneinnehmbar galten.

"Der Weg, der vor uns liegt, ist lang und steil"
In diesen Staaten konnte Obama allerdings nur antreten, weil ihm mehr Geld zur Verfügung stand, als jedem anderen Kandidaten vor ihm. Obama verfügte für seinen Wahlkampf über 650 Millionen Dollar an Spendengeldern. Ein Großteil dieser Spenden stammte aus seiner geschickten Internetkampagne, die nach Expertenmeinung dauerhaft die Art und Weise verändert hat, wie Wahlkämpfe geführt werden.

Als allerwichtigster Grund für Obamas Erfolg gilt allerdings die Tatsache, dass Amerika nach dem Versagen der Bush-Regierung dringend einen Neuanfang wollte und es John McCain nicht gelang, sich von George W. Bush zu distanzieren. Darüber hinaus konnte Obama sich als deutlich kompetenter als sein Gegner in Wirtschaftsfragen darstellen. Seit sich die schwere Wirtschaftskrise in den USA als Wahlkampfthema in den Vordergrund drängte, lag Obama in den Umfragen klar und konstant vor McCain.

Auf die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes spielte Obama auch in seiner Rede an, die er in Chicago vor 150 000 Menschen hielt. "Der Weg, der vor uns liegt, ist lang und steil", sagte der künftige Präsident und räumte ein, dass die Probleme "vielleicht nicht einmal in einer Amtszeit" zu bewältigen seien. Allerdings zeigte er sich überzeugt, dass Amerika als Volk es schaffen wird. Alleine seine Wahl, so Obama, müsse doch jedem Amerikaner großes Vertrauen in sein Land zurückgeben: "Wenn es noch irgendjemanden geben sollte, der daran zweifelt, dass Amerika ein Ort ist, wo alles möglich ist - heute Abend war Eure Antwort."