Wie die Anglikaner das Schisma verhinderten - vorerst

Gute Atmosphäre ohne grundsätzliche Klärungen

Haben die Anglikaner beim größten Spitzentreffen ihrer Bischöfe die Spaltung verhindert? Die treffendste Antwort lautet "Jein". Am Sonntag endete im englischen Canterbury die 14. Lambeth-Konferenz. Ihr Verlauf und Ausgang glichen einer Gratwanderung. Mit der die Anglikaner das Schisma vermieden.
Vorerst.

 (DR)

Die Aussage, dass die rund 78 Millionen Anglikaner ihre Spaltung in eine konservative und eine liberalere Form des Anglikanismus tatsächlich überwunden haben, ist letztlich weder richtig noch falsch - sie ist ziemlich wahr. Diese Halbschattierung charakterisiert letztlich das Treffen.

Ziemlich wahr ist, dass die Pläne des Ehrenprimas, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, für einen guten Gesprächsverlauf aufgingen. Er wollte die zerstrittenen Bischöfe wieder an einen Tisch bringen. Fast einhellig lobten die rund 670 angereisten Bischöfe die gute Atmosphäre, besonders in den Kleingruppen. Und der vatikanische Kurienkardinal Walter Kasper bemerkte als Gast anerkennend, auch die Katholiken könnten vom Bemühen der Bischöfe, aufeinander zu hören, etwas lernen. Stellenweise glich die Stimmung auf dem Tagungsgelände einer Art Weltjugendtag für Bischöfe.

Aber viele Akteure des inneranglikanischen Streits waren gar nicht dabei. Ein Viertel aller Bischöfe boykottierte das Treffen, darunter die Köpfe der einflussreichen Kirchen von Nigeria und Uganda, die Erzbischöfe Peter Akinola und Henry Luke Orombi. Die Dynamik unter den Konferenzteilnehmern könnte einen neuen Graben geschaffen haben zwischen denen, die da waren, und jenen, die wegblieben.

Ziemlich wahr ist, dass Williams, dessen Autorität Liberale wie Konservative vor der Konferenz infrage gestellt hatten, mächtig an Gewicht gewonnen hat. «Er leitet wie ein Löwe und er predigt wie Jesus», sagte Bischof Charles Jenkins aus der US-Diözese Louisiana. Das zentrale Abschlussdokument stärkt die Position des Erzbischofs von Canterbury, die Bischöfe drücken «große Zuneigung und Liebe» für Williams aus. Ein sudanesischer Bischof nannte Williams, der in den zweieinhalb Wochen mit jedem das Gespräch suchte, gar «einen Heiligen unserer Zeit». Aber zugleich erntete das Ehrenhaupt Kritik aus dem konservativen Lager. In einem Gastbeitrag in der britischen Tageszeitung «The Times» schimpfte Orombi noch am Freitag über die Stellung des Erzbischofs als «koloniales Relikt».

Ein bisschen wahr ist, dass sich die anwesenden Bischöfe über zentrale Streitfragen wie den Umgang mit Homosexuellen nähergekommen sind. Das heißt jedoch nicht, dass sie die klaffenden Gräben zwischen Auffassungen der liberalen Kirchen Nordamerikas und den eher konservativen Kirchen des Südens überwunden hätten. Im Abschlussdokument der Konferenz findet sich eine Entschuldigung bei Homosexuellen, dass die Kirche diese in ihrer Würde verletzt hätten - und zugleich wird Homosexualität als «unerlösbare Sünde» beschrieben. Scharfe Selbstkritik üben die Bischöfe an der Weihe des bekennenden Homosexuellen Gene Robinson im Jahr 2003 - seinen Rücktritt fordern sie aber nicht. Zwar einigte sich eine Mehrheit auf ein Moratorium der Bischofsweihen von Homosexuellen - aber weder die US-Kirche noch die Kanadier legten sich dahingehend fest.

Ein bisschen wahr ist, dass die Anglikaner ihr Strukturproblem angehen. Auch mit Blick auf die Ökumene mahnte Williams zum Konferenzauftakt, die Anglikaner müssten endlich klären, was sie seien - eine religiöse Föderation oder ein lockeres Bündnis. Deutlich sprachen sich die Bischöfe für Williams Idee eines stärker festgelegten Kirchen-Bundes, einen «Covenant», aus. Doch wie stark diese Festlegung der bislang 38 unabhängigen Kirchenprovinzen auf eine größere weltweite Körperschaft dogmatisch und rechtlich festgelegt ist, bleibt offen. Viele auf der Konferenz umherirrende Begriffe, so die Errichtung einer Art anglikanischer Glaubenskongregation, tauchten im Abschlussdokument nicht mehr auf.
Auch würde eine Strukturreform frühestens in sechs Jahren greifen.

Ziemlich wahr ist, dass diese 14. Lambeth-Konferenz ausgesprochen ökumenisch war. Rund 50 Vertreter anderer christlicher Kirchen waren diesmal nicht nur Beobachter, sondern vollwertige Teilnehmer des wichtigsten Beratungstreffens der Anglikaner. Historisch war die Rede des britischen Oberrabbiners Jonathan Sacks am vergangen Montag. Nie zuvor hielt ein Jude einen der Hauptvorträge bei einem christlichen Treffen dieser Dimension.

Zugleich wurde klar, dass besonders die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche auf einer neuen Ebene stattfinden.
Ökumene-Kardinal Kasper machte den Anglikanern unmissverständlich deutlich, dass mit der jüngsten Entscheidung der anglikanischen Mutterkirche, der «Church of England», die Perspektiven einer Kircheneinheit erst mal auf Eis gelegt seien. Die beiderseitigen Beziehungen seien etwas abgekühlt, «aber ehrlicher geworden», meinte der Bischof von Chicago, Jeffrey Lee. «Wir sind eben ein vielfältiger und etwas chaotischer Haufen.» Am Ende, so scheint es, sieht auch die katholische Kirche, dass sie mehr noch als bislang mit der eigentümlichen Logik der Anglikaner rechnen muss.

Ob die 14. Lambeth-Konferenz der Anfang vom Ende des Schismas ist, wird sich zeigen, wenn die konservativen Teilnehmer zu Wort kommen, die nicht da waren. «Wir sind an einem Punkt, wo wir an zentralen Stellen nicht mehr übereinkommen», bemerkte der konservative Erzbischof Gregory Venables, der den Süden Lateinamerikas vertritt.
Er sieht die Spaltung schon strukturell vorhanden und findet keinen Anlass zu glauben, dass das Treffen von Canterbury den entscheidenden Schritt zur Überwindung geschafft hat. Einen Tag vor Konferenz-Ende reiste auch er protestierend ab.