Für die Bürger von Peking ist das Olympia-Feeling zwiespältig

Lächeln vor dem Stahlzaun

Die freiwillige Helferin am Eingang zum Beachvolleyball-Stadion im Osten Pekings hält Ausschau nach Besuchern. Englisch-chinesische Schilder mit "Notfalldienst", "Informationen" und "Übersetzungsservice" hängen hinter ihrem Stand. "Willkommen in Peking", ruft die 19-jährige Studentin Wei Jie auf Englisch. Die chinesische Führung will den olympischen Geist in jeden Winkel der Hauptstadt tragen. Doch viele Einwohner Pekings stöhnen bereits jetzt über die strikten Sicherheitsvorkehrungen.

Autor/in:
Kristin Kupfer
 (DR)

Ein ausländisches Paar schlendert zum Beachvolleyball-Stadion. Die chinesische Helferin bietet ihnen zwei Flaschen Wasser an und erklärt anhand einer Karte die Sportanlage. Das Paar bedankt sich. Wei strahlt. «Es ist schön, wenn wir einen Beitrag zu den Olympischen Spielen leisten können», sagt sie.

Ganz Peking ist mit bunten Fähnchen, Plakaten und Blumen dekoriert. Auf zentralen Straßen müssen ein oder zwei Spuren mit aufgemalten olympischen Flaggen für Teilnehmer des Sportereignisses frei bleiben. Stadtviertelkomitees haben T-Shirts mit der Aufschrift «Freiwillige Sicherheitspatrouille» ausgegeben und ordnen kollektives Saubermachen an.

«Egal auf welche Schwierigkeiten und Herausforderungen wir stoßen, wir werden unser internationales Versprechen einlösen und die Olympischen Spiele gut ausrichten», sagte Staats- und Parteichef Hu Jintao. Sicherheit geht dabei über alles, wie schon die vielerorts aufgestellten Stahlzäune zeigen. An Autobahnzufahrten in die Hauptstadt überprüfen Polizisten Fahrzeuge und Führerscheine. U-Bahn-Passagiere müssen Taschen durchleuchten lassen.

Ordnungshüter patrouillieren die Straßen entlang, stehen an zentralen Plätzen Wache und klopfen an Wohnungstüren, um Ausweise zu prüfen. Rund 100.000 Sicherheitskräfte sollen zu Lande, zu Luft und zu Wasser Anschläge und Störaktionen verhindern. Unabhängigkeitsaktivisten aus den autonomen Regionen Xinjiang und Tibet sowie Anhänger der verbotenen Falun-Gong-Bewegung hat die chinesische Führung als Hauptbedrohungen identifiziert.

Vielen Hauptstadtbewohnern gehen die olympischen Sicherheitsmaßnahmen zu weit. Sie beschweren sich über die teure, aber nur oberflächliche Verschönerung ihrer Stadt, zu früh einsetzende Verkehrskontrollen und übermäßige Sicherheitschecks. Arbeitszeiten und Tagesplanungen gerieten durcheinander. Firmen legen ihren Angestellten nahe, Urlaub zu nehmen, um den Verkehr zu entlasten. «Die Olympischen Spiele bringen den Pekingern nur Unannehmlichkeiten», fasste ein Nutzer namens Qian Qian jüngst im Internet die Stimmung zusammen.

Besonders die Sonderbehandlung westlicher Touristen stößt auf Unverständnis. Um es dem ausländischen Geschmack Recht zu machen, verbannten die Behörden Hundefleisch von den Speisekarten. Kleine Läden müssen schließen, weil sie angeblich nicht internationalen Standards entsprechen.

Die unter Männern verbreitete Sitte, das T-Shirt an heißen Tagen hochzurollen, um Luft an Bauch und Rücken zu lassen, soll ebenfalls unterbunden werden. Das errege bei den westlichen Besuchern Anstoß, befanden die Behörden. Die größte Entrüstung lösten Spruchbänder mit der Aufschrift aus: «Weniger nach draußen gehen, damit die Straßen für ausländische Freunde frei sind.» Im Zuge von Olympia fühlen sich Chinesen im eigenen Land als Bürger zweiter Klasse.

Die freiwillige Helferin Wei Jie hat bis dato noch kaum chinesische Besucher an ihrem Stadion betreut. Vielleicht ist es einfach noch zu früh für inländische Touristen, meint die Studentin. Und fügt hinzu: «Natürlich sollen besonders die ausländischen Besucher einen guten Eindruck von China bekommen, aber ich werde alle gleich herzlich bedienen.»

Dass manche Pekinger lieber gleich zu Hause bleiben oder die Stadt verlassen wollen, ringt der jungen Frau ein höfliches Lächeln ab. Leere Stadien wie in Athen sind in Peking wohl nicht zu befürchten. Aber Straßen, in denen nur ausländischen Besucher flanieren.