Der Politologe Hennig zum Hessen-Machtkampf

"Die Demokratie verliert"

Der Machtkampf in Hessen verschärft sich weiter: Ministerpräsident Roland Koch weigerte sich am Donnerstag, das bereits beschlossene rot-grüne Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren zu unterzeichnen. Ein Eklat. SPD und Grüne räumten Fehler ein, die Koch offenbar frühzeitig bemerkt hatte. "Unkollegial", kritisiert der Politikwissenschaftlers Eike Hennig und sagt eine wachsende Politikverdrossenheit beim Bürger voraus.

Autor/in:
Guido Heisner
 (DR)

ddp: Was ist da am Donnerstag im Landtag eigentlich passiert?

Hennig: Koch hat die Gegenseite auflaufen lassen, um auf eine völlige Inkompetenz insbesondere der SPD und von Frau Ypsilanti zeigen zu können. Kollegial wäre es gewesen, auf den Fehler rechtzeitig hinzuweisen. Aber es gibt eben keine Kollegialität, das ist auf beiden Seiten so, da wird mit allen Mitteln gearbeitet. Und faktisch zeigt sich wieder einmal, dass die Jacke der Macht für Frau Ypsilanti eigentlich zu groß ist. Sie nutzt keine kompetente Beratung von außen, dadurch kommt es permanent zu Fehlern. Und Kochs Naturell ist es, so etwas auszukosten.

ddp: Wie kommt das alles beim Bürger an?

Hennig: Negativ. Die gesamte politische Klasse in Hessen glaubt, wenn man die Fehler des Anderen auskostet, kann man beim Bürger punkten. Aber das funktioniert nicht. Genau diese Gesten, das Auskosten von Macht oder dieser Hinweis, das hätten Ihr uns doch sagen müssen, das kommt überhaupt nicht an. Im Gegenteil: Das führt dazu, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden.

ddp: CDU und FDP haben in den vergangenen Monaten versucht, die Grünen zu einer "Jamaika"-Koalition zu bewegen. Hat Koch die Grünen jetzt nicht endgültig vergrätzt?

Hennig: Ja, so sehe ich das auch. Das war zu düpierend für die Grünen. Koch hat sie weg von "Jamaika" und hin zu Rot-Rot-Grün getrieben.

ddp: Wollte Koch mit seinem Vorgehen den öffentlichen Druck auf Neuwahlen erhöhen?

Hennig: Ja, das ist genau die Spekulation. Er kann jetzt nach dem desolaten Wahlkampf zeigen, wir sind doch eigentlich die Kompetenteren und seine Bataillone formieren. Allerdings macht er wieder den gleichen Fehler wie im Landtagswahlkampf, er verrennt sich. Bei dem Studiengebührengesetz hätte er auf den eklatanten Fehler von SPD und Grünen, der ja schon peinlich ist, hinweisen sollen. Auch dann hätte er noch auf die Inkompetenz der Anderen zeigen können. Insgesamt wäre es besser gewesen, Grandezza zu zeigen als Häme. Da zeigt sich die klassische Arroganz der Macht. Aber momentan fallen alle Akteure wieder in ihre alten Feindbilder aus dem Landtagswahlkampf zurück.

ddp: Das heißt, es steht in Hessen wieder alles auf Anfang?

Hennig: Ja. Nur dass die Situation jetzt noch verfahrener ist. Ein neuer Wahlkampf wird noch zerfleischender.

ddp: Wer ist der Verlierer?

Hennig: Die Demokratie. Ihre Repräsentanten, die mitwirken, erweisen sich unfähig. Die einen ergehen sich in billiger Häme und die anderen sind inkompetent.