Transparency fordert bessere Kontrollen bei kirchlicher Entwicklungshilfe

"Korruption aus Tabuzone herausholen"

Kirchliche Hilfswerke erleichtern laut Transparency International (TI) durch schlechte Finanzkontrolle die Ausbreitung von Korruption in der Entwicklungshilfe. Ein im vergangenen Sommer fertiggestellter und am Donnerstag veröffentlichter Bericht gibt auch Empfehlungen für eine bessere Entwicklungshilfe. Die Katholische Nachrichten-Agentur
(KNA) dokumentiert Auszüge aus dem Papier.

 (DR)

1. Korruption in der Entwicklungszusammenarbeit - ein Problem auch für kirchliche Organisationen

(...) In Politik und Wirtschaft, auch in der Entwicklungszusammenarbeit, hat seit Mitte der 90er Jahre ein Umdenken in Bezug auf das Thema Korruption eingesetzt. Das Thema war vorher weitgehend tabu (...). Heute wird offen über die Schäden, die Korruption anrichtet, und über die Wege zu ihrer Bekämpfung gesprochen. (...) Ein vergleichbarer Wandel steht in den Kirchen noch weitgehend aus. Nur sehr zögernd und vereinzelt melden sich Stimmen, die dafür plädieren, die Diskussion über Korruption "aus der Tabuzone herauszuholen". Transparenz wird im kirchlichen Raum durch die hierarchische Struktur erschwert oder unmöglich gemacht, da höhere Stellen der Hierarchie in Abläufe eingreifen können, ohne dies begründen zu müssen. (...)

6. Strukturelle Ursachen in den Nordkirchen

In Jahrhunderten der Missionierung und Jahrzehnten der Entwicklungszusammenarbeit sind bei den Partnern im Süden Strukturen entstanden, durch die korruptives Verhalten begünstigt wurde. Dafür sind sie jedoch nicht allein verantwortlich die Missionen und die Hilfswerke der Nordkirchen haben zur Entstehung dieser Strukturen durch ihr Verhalten beigetragen und tragen dafür eine historische Verantwortung. (...) An vielen Stellen hat es Gegenmaßnahmen gegeben.
Dennoch lässt sich alles, was im Folgenden beschrieben wird, an der einen oder anderen Stelle beobachten. (...)

Mögliches Fehlverhalten der Hilfswerke aus dem Norden: Dieses liegt dann vor, wenn die Hilfswerke

- keine hinreichend präzisen Vereinbarungen getroffen haben, für welche Zwecke Geld gegeben wird, wer darüber verfügen darf und wie es abgerechnet werden muss;

- nicht überprüft haben, ob die Verwirklichung eines Projekts durch fehlende Mittel für die sonstige Arbeit des Partners (etwa im pastoralen Bereich) behindert sein könnte;

- nicht überprüft haben, ob der Partner die Folgekosten eines Projekts tragen kann;

- nicht überprüft haben, ob der Partner für ein geplantes EZ-Projekt über hinreichende Managementkapazität verfügt; (...)

- bei festgestellten Unregelmäßigkeiten keine Sanktionen ausgesprochen haben;

- die Zielgruppen nicht hinreichend in Projektplanung und -durchführung einbezogen und keine Transparenz über die Finanzplanung hergestellt haben.

(...)

7. Strukturelle Ursachen in den Südkirchen

(...) Eine der Ursachen für die fehlende Managementkapazität einheimischer Kirchen und kirchlicher Partnerorganisationen ist, dass die Struktur der Missionskirchen lange erhalten blieb. Die Kirchen waren "Empfängerkirchen", die fast ausschließlich durch Geschenke/Unterstützung aus dem Norden finanziert wurden. Die einheimischen Kirchen wurden, organisatorisch und finanziell, in Abhängigkeit gehalten. Die Verwaltung lag in der Hand von Weißen, lokales Verwaltungspersonal wurde zu wenig ausgebildet, und Kontrollstrukturen erschienen nicht nötig oder waren gar nicht erwünscht.

Auch seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien und der daran anschließenden schrittweisen Selbstständigkeit der Kirchen in diesen Ländern haben die Nordkirchen über Jahrzehnte hinweg weiter hohe Geldsummen gegeben, ohne immer eine ausreichende Kontrollfähigkeit innerhalb der Südkirchen zu fördern oder gar als Voraussetzung von Geldtransfer zu fordern. Lange Zeit haben auch die Nordkirchen selbst, aus schlechtem Gewissen wegen der kolonialen Vergangenheit, im Namen der Partnerschaft und in einem falschen Verständnis von Vertrauen, keine ausreichend effiziente Kontrolle sowohl der Finanzen wie der Projektinhalte ausgeübt. So entstanden bei den südlichen Kirchen Erbhöfe der Macht, die heute äußerst schwierig zu verändern sind. (...)

Die Folge war, dass die Ausbildung eigener Manager, Buchhalter etc.
versäumt wurde. Zum Zeitpunkt der Übergabe waren keine geeigneten
Verwaltungs- und Kontrollstrukturen aufgebaut - ein Problem, das erst in jüngster Zeit angegangen wird. (...)

Dazu kommt, dass die meisten Kirchen im Süden große Schwierigkeiten haben, die pastorale Arbeit durch Beiträge ihrer Mitglieder zu finanzieren. (...) Andererseits stehen aus dem Norden Mittel für die kirchliche Entwicklungsarbeit zur Verfügung, die jedoch mit einem klaren Mandat für die EZ verbunden sind. Hier kann die Versuchung in den Süd-Kirchen groß werden, Mittel umzuwidmen.

Für die Südkirchen ist die Trennung, die im Norden zwischen pastoraler und sozialer Arbeit gemacht wird, oft schwer verständlich.
Sie haben eine eher ganzheitliche Auffassung - materielle und soziale Probleme haben immer auch eine spirituelle Komponente im Sinne eines gestörten Verhältnisses zu Gott. Wie auch in nichtkirchlichen Projekten ist häufig zu beobachten, dass die Partner die Zweckbindung von Mitteln nicht respektieren. (...)

Leitende Mitarbeiter in Entwicklungsorganisationen der Südkirchen werden in der Regel von ihren Kirchenleitungen eingesetzt und sind diesen rechenschaftspflichtig. Sie tragen aber auch die Verantwortung für die Einhaltung von Verträgen und Vereinbarungen mit den geldgebenden Hilfswerken, sind also auch diesen gegenüber rechenschaftspflichtig. Schließlich sind sie auch (und vor allem) den Zielgruppen gegenüber verpflichtet. Sie müssen also die Interessen der verschiedenen Akteure in diesem Dreiecksverhältnis ausbalancieren. Sie können von den Kirchenleitungen unter Druck gesetzt werden, Mittel für nicht vorgesehene Zwecke umzuwidmen. (...)

Leitungspositionen werden oft an Theologen und Ordinierte vergeben, die nicht über eine Management-Ausbildung verfügen. Hier müssen die Kirchen sich fragen lassen, ob eine Qualifikation in Theologie immer die beste Voraussetzung für die Leitung von Entwicklungsbüros oder einzelnen Projekten ist. (...)

Bei der katholischen Kirche sind die hierarchischen Strukturen noch stärker ausgeprägt und eine Kontrolle der EZ-Mittel durch Aufsichtsgremien und Laienorganisationen ist entsprechend
schwieriger: Nach katholischem Verständnis kann ein Bischof nicht durch Laien kontrolliert werden. Die Diözesangremien haben nur eine beratende, keine kontrollierende Funktion. Infolgedessen ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Transparenz nur schwach ausgeprägt. (...)

Im Süden liegen die Hemmnisse vor allem darin, dass, wer die Missstände an die Öffentlichkeit bringt, mit schmerzhaften Sanktionen rechnen muss. Bei jenen, die Angestellte der Kirchen sind, droht Benachteiligung im Beruf (keine Beförderung, Versetzung an unliebsame Orte bis hin zur Kündigung). Die Kirchen sind in vielen Entwicklungsländern wichtige Institutionen zur Vergabe von Jobs und bieten soziale Sicherheit in Fällen von Not. Kirchliche Schulen bieten den eigenen Kindern eine Möglichkeit zum sozialen Aufstieg.
(...) Wer immer die bestehenden Strukturen in Frage stellt oder einzelne Korruptionsfälle anprangert, gefährdet gleichzeitig alle Vorteile, die sie oder er (samt Verwandten) von der Mitgliedschaft in einer Kirche hat. (...)

10. Vorschläge zur Korruptionsprävention

(...) Im Vordergrund muss die Schaffung größerer Transparenz stehen - sie ist das wirksamste und wichtigste Instrument im Kampf gegen Korruption. Das bedeutet für die Aufsichtsgremien, dass sie direkten, unbehinderten Zugang zu Informationen über Fehlentwicklungen haben müssen. Für die Zielgruppen bedeutet es, dass sie das Recht auf Einblick in Projektvereinbarungen und Durchführungsplanungen haben müssen, um selbst feststellen zu können, ob die zugesagten Leistungen erbracht wurden oder ob dies durch Zweckentfremdung von Projektmitteln beeinträchtigt wurde. (...)

Die Tatsache, dass es sich bei den Südkirchen um autonome, selbstverantwortliche Partner handelt, darf eine Verwendungskontrolle der von den Nordkirchen bereitgestellten Mittel und eine Evaluierung des Projekterfolgs nicht verhindern. (...)

Bei den Nordkirchen sollten die Abteilungen für Finanz- und Managementkontrolle personell so ausgestattet werden, dass sie ihre Aufgabe erfüllen können. Es muss klar gemacht werden, dass durch Einsparungen beim Personal die Erreichung der Projektziele in Frage gestellt werden kann. (...)

Bei den Südkirchen sollte das projektdurchführende Personal ausreichend bezahlt werden, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass es zu Veruntreuungen aus Not kommt. (...)

Bei der Projektauswahl und -planung muss vermieden werden, dass Ziele festgelegt werden, die in der aktuellen politischen Debatte im Norden favorisiert werden, die aber nicht den Bedürfnissen des Partners im Süden entsprechen (...) Es darf keine "hidden agenda" geben. Für zusätzliche Ziele müssen zusätzliche Mittel gesucht werden (...).

Maßnahmen zur Korruptionsprävention müssen in den Projektvereinbarungen festgeschrieben werden. Die Ziele des Projekts und die Zweckbestimmung der Mittel sollten möglichst genau festgelegt werden (...). Dadurch können spätere Missverständnisse und strittige Auseinandersetzungen vermieden werden. Die Projektvereinbarungen sollten eine Antikorruptions-Klausel enthalten. (...) Neue Mittel sollten nur dann ausgezahlt werden, wenn die bisherigen Mittel zeitplangerecht abgerechnet sind. (...)

In der internationalen Arbeit zur Bekämpfung der Korruption hat sich gezeigt, dass Transparenz wirksamer sein kann als Kontrolle. (...) Auch im Bereich der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit verspricht die Unzufriedenheit von Laien und Zielgruppen mit dem Ausbleiben versprochener Ergebnisse größere Hoffnungen im Kampf gegen Korruption als Kontrolle von oben (die dennoch nicht überflüssig ist). (...)

Bei festgestellten Unregelmäßigkeiten sollte eine Untersuchung stattfinden, die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen, Sanktionen sollten ausgesprochen und durchgesetzt werden. Ebenso wichtig wie die Sanktionierung von Personen ist es, aus jedem Einzelfall strukturelle und organisatorische Konsequenzen zu ziehen, um die aufgedeckten Einfallstore zur Korruption für künftig zu schließen. (...)