In Berlin endet die 58. Berlinale

Ein Bär auf Öl und Drogen

Einen Film "wie ein ordentliches Steak" wollte Paul Thomas Anderson machen. Das ist ihm gelungen. Doch entgegen den Erwartungen vieler Kritiker biss der Goldene Bär nicht zu. Über den Hauptpreis der Jury durfte sich ein anderer Regisseur freuen. - Am Wochenende ging die 58. Berlinale zu Ende. Zeit für ein Fazit.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Der Hauptpreis ging bei der Gala am Samstagabend in Berlin an "Tropa De Elite" von Jose Padilha. Der brasilianische Streifen um eine paramilitärische Sondereinheit im Drogenkrieg von Rio de Janeiro mag dem Altmeister des Polit-Thrillers und Jury-Präsidenten Constantin Costa-Gavras näher gelegen sein als das Drama um Aufstieg und Fall eines Ölbarons. Andersons mehrfach Oscar-nominierter Monumentalfilm "There Will be Blood" erhielt den Silbernen Bären für die Beste Regie und einen weiteren für den besten Soundtrack.

Keine leichte Wahl
Der Goldene Bär wird für Diskussionen sorgen. Der rasante "Tropa De Elite" kann als Genrefilm durchgehen. Fragwürdig wird er aber, wenn er bei exzessiver Brutalität über soziale Gerechtigkeit sinniert. Die 58. Berlinale hatte durchaus Sehenswertes, das Bärenfell hätte also anders verteilt werden können. Anwärter war auch Mike Leighs Komödie "Happy-Go-Lucky". Hauptdarstellerin Sally Hawkins erhielt für ihr Engagement als fröhlich-unbeschwerte Londoner Lehrerin Poppy einen Silbernen Bären.

Auch diese Wahl dürfte nicht leicht gefallen sein. Die Festspiele verzeichneten mehrere herausragende Schauspielerinnen, wie Tilda Swinton als Alkoholikerin Julia im gleichnamigen Werk von Erick Zonca. Ebenso bemerkenswert war Kristin Scott Thomas in "Il y a longtemps que je t'aime...". Der sensible Film um das Schicksal einer Frau, die nach 15-jähriger Haft Anschluss an ihre Familie sucht, erhielt den Preis der Ökumenischen Jury. Für die männliche Hauptrolle ehrten die Juroren Reza Najie im iranischen Film "Avaze Gonjeshk-ha" (Der Gesang der Spatzen) von Majid Majidi. Den Bären für das beste Drehbuch erhielt der chinesische Autor und Regisseur Wang Xiaoshuai für "Zuo You" (In Love We Trust).

Große Enttäuschung für Deutschland
Die beiden deutschen Wettbewerbsfilme gingen leer aus. Man hätte bestenfalls auf Elmar Wepper als Rudi in Doris Dörries "Kirschblüten-Hanami" setzen können. Das heiß erwartete "Feuerherz" von Luigi Falorni gehört hingegen zu den großen Enttäuschungen der Festspiele. Drehbuch, Schauspiel und Regie blieben blass. Statt durchwachsener Filme hätte man sich beachtliche Werke aus anderen Sektionen im Wettbewerb gewünscht - wie Eran Riklis "Lemon Tree".

Dennoch kann Festspielleiter Dieter Kosslick zufrieden sein. Mit 384 Filmen kamen mehr Werke denn je zur Aufführung. Vor allem konnte er mit internationalen Stars von Penelope Cruz bis Scarlett Johansson wieder für jenen Glamour sorgen, den ein Festival braucht. Hinzu kamen Promis aus der Musik(film)szene - allen voran die Rolling Stones und Madonna. Allerdings entsprach die filmische Qualität nicht immer der musikalischen.

Eine Neuheit: Mit "Standard Operating Procedure" war erstmals ein Dokumentarfilm im Wettbewerb. Der Streifen des Oscar-Preisträgers Errol Morris über die Misshandlung Gefangener im irakischen US-Gefängnis Abu Ghraib erhielt den großen Preis der Jury. Neben der politischen Botschaft war dies wohl auch eine Reverenz gegenüber der weiter wachsenden Bedeutung der Dokumentarfilme.

Austausch über Filmschaffen und Glaube
Die Kirchen haben ihre Präsenz bei den Festspielen aufgewertet. So luden nicht nur die Erzdiözese und die Landeskirche, sondern auch die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland zum Ökumenischen Empfang. Ein deutliches Zeichen für die Wertschätzung eines Mediums, das die gesellschaftliche Mentalität prägt. Der Film war der Kirche stets ein Anliegen. Erstmals gab es in diesem Jahr ein "Prayer Breakfast" als zwanglosen Austausch Interessierter über Filmschaffen und Glaube.

Mehr als 20.000 Akkreditierte aus 125 Ländern, darunter allein 4.200 Journalisten, kamen zum Festival. Für Kosslick war es ein weiterer Schritt, um die Berlinale als gleichwertig gegenüber Cannes und Venedig zu etablieren. Die Vergabe des Goldenen Bären folgte indes erneut dem alten Brauch, einen Außenseiter zu ehren.