2025 war für Politik und Kirche in Deutschland ein bewegtes Jahr

Neuer Bundeskanzler und Hetzkampagne gegen eine Juristin

2025 geht zu Ende und das kommende Jahr steht bereits vor der Tür. Hauptstadtkorrespondent Daniel Zander spricht im Interview über die Bundespolitik der vergangenen zwölf Monate. Auch Bischöfe spielen dabei eine Rolle.

Autor/in:
Carsten Döpp
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Deutschen Bundestag / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Deutschen Bundestag / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

DOMRADIO.DE: Politisch ist viel passiert im Jahr 2025. Schon im Januar gab es einen Eklat, weil im Bundestag ein Antrag der Union mit Stimmen der AfD ermöglicht wurde.

Daniel Zander (Hauptstadtkorrespondent der Katholischen Nachrichten-Agentur, KNA): Dieses Vorgehen war historisch, das muss man in der Rückschau deutlich sagen. Damals war die Union noch in der Opposition und es ging um einen Antrag für eine deutlich schärfere Migrationspolitik, das war der sogenannte Fünf-Punkte-Plan. In dem Antrag hatte sich die Union für dauerhafte Kontrollen an deutschen Grenzen, Abschiebungen für Ausreisepflichtige und generell mehr Abschiebungen ausgesprochen. 

Das besondere war, dass der Antrag nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit gefunden hatte - und das war im Vorfeld klar gewesen. SPD, Grüne und Linke hatten den Vorstoß der Union schon früh abgelehnt und insofern nahm der damalige CDU-Fraktionschef Friedrich Merz die Stimmen der AfD in Kauf. 

Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt nach der Auszählung der Stimmen zum zweiten Durchgang der Kanzlerwahl seine Wahl an / © Kay Nietfeld (dpa)
Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt nach der Auszählung der Stimmen zum zweiten Durchgang der Kanzlerwahl seine Wahl an / © Kay Nietfeld ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

Zander: Es stieß zurecht auf viel Kritik. Die grüne Ko-Fraktionschefin Britta Hasselmann sprach damals von einem historischen Tag im negativen Sinne, weil politische Mehrheiten jenseits der demokratischen Mitte gesucht und gefunden wurden. Die beiden großen Kirchen erklärten dann auch ihre Sorge vor einem massiven Schaden an der Demokratie, weil mit Rechtspopulisten kooperiert wurde.

DOMRADIO.DE: Letztlich wurde die Union bei den Wahlen im Februar stärkste Kraft. Nach intensiven Verhandlungen stand später die große Koalition mit der SPD, im Mai wurde Merz zum Bundeskanzler gewählt. War das auch ein historischer Moment?

Zander: Ja, es geht weiter mit den geschichtsträchtigen Momenten. Denn Merz war der erste Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik, der im ersten Wahlgang scheiterte. Er brauchte 316 Ja-Stimmen und er bekam nur 310. Erst im zweiten Wahlgang hat er mit insgesamt 325 Stimmen die notwendige Mehrheit geholt.

DOMRADIO.DE: Anschließend wurde die neue Regierung vereidigt. Dabei fiel auf, dass bei mehr Ministern ein Gottesbezug beim Eid zu hören war als in der Vorgängerregierung.

Zander: Insgesamt sprachen 13 der neuen Ministerinnen und Minister die Formel mit dem Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Das hatte Ex-Kanzler Olaf Scholz zuvor zum Beispiel nicht getan, der neue Bundeskanzler Merz nun jedoch schon. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD verwendete diese Eidesformel, ebenso wie der Chef des Bundeskanzleramtes, Thorsten Frei von der CDU. Das bedeutet, Religion spielt in der jetzigen Koalition durchaus eine Rolle. Merz ist selbst Katholik, er hat in Bonn Jura studiert und war dort auch Mitglied in Deutschlands ältester katholischer Studentenverbindung. Beide Kirchen gratulierten ihm dann auch nach seiner Wahl zum Kanzler.

 © Britta Pedersen (dpa)
© Britta Pedersen ( dpa )
Frauke Brosius-Gersdorf

DOMRADIO.DE: Im Juli musste die Koalition eine ihrer ersten Krisen überstehen. Dabei ging es um die Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin.

Zander: Das war ein sehr großes Thema, zudem komplex und langwierig. Eigentlich sollte die Juristin für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht kandidieren. Sie wurde von der SPD zur Wahl vorgeschlagen. Es gab zunächst keine Proteste, es schien alles seinen normalen Gang zu gehen, wie es eigentlich bei diesen Richterwahlen immer ist. Die Wahl im Juli kam dann aber nicht zustande, nachdem in der Unionsfraktion Kritik an vermeintlichen Positionen von Brosius-Gersdorf zum Thema Abtreibung aufgekommen war. 

Dabei ging es vor allem um einen Satz, der im Zentrum der Kritik stand. In einem Kommissionsbericht hatte die Professorin geschrieben, dass es gute Gründe dafür gebe, dass die Menschenwürde-Garantie erst ab der Geburt gelte. Das war zwar ein Zitat von ihr, doch die Kritik mündete dann eigentlich in eine Hetzkampagne. Ihre Aussagen wurden ohne Kontext und teilweise völlig falsch verbreitet. Frau Brosius-Gersdorf sagte selbst, dass sie nie für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt hin eingetreten sei. 

Zwischenzeitlich standen auch Plagiatsvorwürfe im Raum, die sich allerdings als haltlos und unbegründet herausgestellt hatten. Auch der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl hatte sich nach vorausgegangener scharfer Kritik an Brosius-Gersdorf später bei ihr entschuldigt. Obwohl viele Vorwürfe sich mit der Zeit aufgeklärt hatten, verzichtete Brosius-Gersdorf am Ende doch selbst auf den Posten als Verfassungsrichterin. Das zeigt deutlich, dass solche Hetzkampagnen leider Erfolg haben können.

Stirbt ein Ehepartner, hat der überlebende Partner in der Regel Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. / © Sebastian Kahnert (dpa)
Stirbt ein Ehepartner, hat der überlebende Partner in der Regel Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. / © Sebastian Kahnert ( dpa )
Zwei Senioren, die sich bald auf eine Erhöhung ihrer Rente freuen dürfen.

DOMRADIO.DE: Auf welche politischen Entscheidungen müssen wir uns im neuen Jahr einstellen?

Zander: Besonders zur Jahresmitte 2026 wird politisch viel passieren. Zum Beispiel Rentner können durch das jetzt im Dezember verabschiedete Rentenpaket mit leicht erhöhten Renten rechnen. Schätzung zufolge sind das Steigerungen von etwa 3,7%. Ab Jahresmitte wird zudem das Bürgergeld umbenannt in Grundsicherung für Arbeitssuchende. Ab dann steht die Jobvermittlung stärker im Vordergrund. Das heißt auch, dass Sanktionen drohen, wenn eine Arbeit abgelehnt wird oder man sich gar nicht erst bewirbt. 

Dann kommt eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, der ab Januar auf 13,90 Euro steigt. Außerdem gilt das neue Wehrdienstgesetz, das uns in der letzten Zeit stark beschäftigt hat. Das heißt, alle 18-jährigen ab Jahrgang 2008 erhalten dann einen Fragebogen, der die Eignung und Motivation für die Bundeswehr erheben soll. Männer müssen ihn ausfüllen, Frauen können das tun, sind dazu aber nicht verpflichtet. Der Dienst selbst bleibt trotzdem vorerst freiwillig. Das kann sich aber ändern, falls es zu wenige Rekruten gibt, dann kann sogar eine Pflicht zum Wehrdienst erhoben werden.

Die Fragen stellte Carsten Döpp.

Quelle:
DR

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