Der Ostwind bläst scharf über die Nordsee, erzählt Christian Adolf, der gerne über seine Insel Juist radelt. "Man muss sich gut einpacken", sagt der Pfarrbeauftragte der katholischen Kirchengemeinde "Zu den heiligen Schutzengeln" im DOMRADIO-Interview am Morgen des Heiligabend, "sonst wird einem schnell frisch." Weihnachten sei auf der Insel Juist eine ruhigere Zeit. Die große Anreisewelle beginne erst zum Jahreswechsel. Gerade die Ruhe schätzten viele der Insulaner und besuchten die ökumenischen Krippenfeiern für Familien, abends die Christmette und nutzen dazwischen die Zeit für Begegnung in der Gemeinde.
Dass die großen Fähren aktuell wegen des Windes im Hafen bleiben müssten, gehöre zur Advents- und Weihnachtszeit auf Juist dazu. "Man kann die Insel immer noch erreichen, aber es braucht Geduld", beruhigt Adolf. Vielleicht passe das sogar zu dieser Zeit. Er selbst habe sie genutzt, um Vertrauen aufzubauen. Zum Beispiel mit Weihnachtskarten, die er an die Gemeindemitglieder geschrieben hat und Gesprächen an der Haustür. Die Rückmeldungen seien herzlich gewesen. Für ihn ein Zeichen, dass Weihnachten Nähe schafft, auch dort, wo das Leben rauer ist.
Großstadttrubel
Deutlich weiter südlich, mitten in München, blickt Pfarrer Rainer Maria Schießler auf die Krippe und auf eine Welt voller Brüche. Kriege, Anfeindungen und Unsicherheit, all das sei nichts Neues, gibt er im DOMRADIO-Interview zu bedenken. Schon die Weihnachtsgeschichte erzähle von Besatzung, Ausgrenzung und einer Familie ohne Herberge. "Genau in diese Welt kommt Gott", betont Schießler. Weihnachten sei das Fest, das zeige, wie Gott den Menschen ansieht. Und das, so Schießler, passiere mit derselben Zärtlichkeit, mit der man ein Kind in der Krippe betrachtet.
Trotz aller Sorgen rechnet der Münchner Pfarrer mit einer vollen Kirche. Seiner Erfahrung nach kommen die Menschen mit großer Offenheit in die Gottesdienste am Heiligen Abend – viele davon jung, viele als Familien. "Der Anspruch ist da, angesprochen zu werden", sagt der Pfarrer. Gelinge das, wachse mehr als nur durch den Besuch des Gottesdienstes. Dort bekäme die Hoffnung ein Gesicht.
"Die freuen sich wie verrückt"
Noch einmal eine andere Perspektive auf den Vorweihnachtstag bietet ein Blick ins Sauerland. Bei den Franziskanerinnen in Olpe steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt. Schwester Katharina freut sich in diesem Jahr besonders auf den Heiligen Abend, den die Schwestern im Altenheim feiern. Dort wird das Evangelium gelesen, gemeinsam gesungen und Musik gemacht. Gerade für die sehr alten Schwestern sei das ein Geschenk: "Die freuen sich wie verrückt, und wir freuen uns auch", sagt sie im Interview am Morgen des Heiligabend.
Wie kann man angesichts der Krisen positiv bleiben? Für Schwester Katharina beginnt das bei jedem Einzelnen selbst. Wer bei dem bleibe, was Kraft gebe, könne auch andere stärken. Für sie ist das untrennbar mit dem Glauben verbunden: "Dieser Gott geht unsere Wege mit." Dass Menschen genau danach suchen, zeigt sich für sie auch außerhalb der Klostermauern – beim gemeinsamen Weihnachtssingen im Stadion zum Beispiel oder auf den überfüllten Weihnachtsmärkten. Gemeinschaft, Singen, Zusammenhalt: Das ziehe die Menschen an, so Schwester Katharina.