Rabbiner Teichtal bilanziert Chanukka in Berlin

Mit Licht auf Dunkelheit antworten

Auf der ganzen Welt haben Juden und Jüdinnen Chanukka gefeiert. Rabbiner Yehuda Teichtal von der Jüdischen Gemeinde Chabad-Berlin blickt auf die zurückliegenden Feierlichkeiten in Berlin sowie auf das Attentat in Sydney zurück.

Autor/in:
Carsten Döpp
Nach dem Anschlag am Bondi Beach in Sydney haben Trauernde Blumenschmuck niedergelegt. / © Steve Markham/AP (dpa)
Nach dem Anschlag am Bondi Beach in Sydney haben Trauernde Blumenschmuck niedergelegt. / © Steve Markham/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie waren die vergangenen Tage bei Ihnen?

Yehuda Teichtal: Die vergangenen Tage waren sehr besondere Tage. Angesichts des schrecklichen Ereignisses, das in Sydney vor einer Woche, am ersten Tag von Chanukka passiert ist, standen wir unter Schock und im tiefen Schmerz. Dennoch haben wir bewusst entschieden, dass wir die Dunkelheit nicht über das Licht triumphieren lassen, sondern wir werden auf die Dunkelheit mit Licht antworten. In diesem Sinne habe ich den Bundespräsidenten kurzfristig zu der ersten Kerze eingeladen. Er ist der Einladung gefolgt. Es war ein besonderes Chanukka.

Yehuda Teichtal

"Die Dunkelheit kannst du nicht mit deinem Besen wegfegen, nur mit Licht."

DOMRADIO.DE: Sie kannten den australischen Rabbiner persönlich, der in Sydney ermordet wurde. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Teichtal: Ich kannte den australischen Rabbiner Eli Schlanger persönlich. Er war wie ein Bruder für mich und ein Klassenkamerad. Natürlich war es ein großer Schock. Weil hier eine Person war, die sich bemühte, eine Religion für alle verständlich zu machen. Das ist auch tatsächlich der Geist von Chanukka. Ein offener Feiertag, voller Miteinander und Toleranz. Deswegen war es eine sehr schwierige und schmerzhafte Situation. Jedes Menschenleben ist unbeschreiblich wertvoll. Aber natürlich, wenn man jemanden persönlich kennt, ist der Schmerz umso tiefer. Deswegen, dachten wir, für Ellie, die zehnjährige Matilda und alle anderen Opfer, dass wir nicht zulassen dürfen, dass die Narrative von Menschen bestimmt werden, die tatsächlich Dunkelheit verbreiten wollen. Sondern im Gegenteil. Wir haben, zusätzlich zu den ersten Kerzen mit dem Bundespräsidenten, auch Kerzen mit der Bundestagspräsidentin und in jedem Bundesministerium gezündet. Und sehr viele Familienfeste in ganz Berlin, aber auch in ganz Deutschland, haben zu Chanukka stattgefunden. Dabei wurden die Feste von einem Doppeltgefühl begleitet. Einerseits tiefer Schmerz, aber gleichzeitig Freude, Lebendigkeit und positiver Spirit. Wir glauben, das ist der einzige Weg. Meine Oma sagte mir mal: Die Dunkelheit kannst du nicht mit deinem Besen wegfegen, nur mit Licht.

Yehuda Teichtal

"In diesen dunklen Jahreszeiten sollten Licht, Miteinander, Liebe und Respekt im Vordergrund stehen, und das werden wir uns natürlich nicht wegnehmen lassen."

DOMRADIO.DE: Bei Ihrer Feier in Berlin gab es erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Haben Sie sich da sicher gefühlt?

Teichtal: Die Sicherheit ist von Gott gegeben, aber wir danken natürlich ausführlich der Polizei von Berlin für die hervorragende Zusammenarbeit und für die sehr ernsthaften Maßnahmen, die gemacht wurden. Leider ist es traurig, dass eine Feier, die für ein Miteinander und Toleranz steht, von solchen Sicherheitsmaßnahmen begleitet werden muss. Aber das ist die Realität und wir sind natürlich sehr dankbar für die geleistete Sicherheit. Aber ich möchte hinzufügen: In ganz Berlin gab es Chanukka leuchten, und das ist ein wichtiges Zeichen. Ein Zeichen des Miteinanders. In diesen dunklen Jahreszeiten sollten Licht, Miteinander, Liebe und Respekt im Vordergrund stehen, und das werden wir uns natürlich nicht wegnehmen lassen.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Chanukka

Es ist das jüdische Fest des Lichts. An acht Abenden werden nach und nach die Kerzen eines Leuchters entzündet. Das Fest erinnert an den Sieg über die Dunkelheit auch im übertragenen Sinne.

Kerzen, Kreisel, Reibekuchen und ein "Diener": Sie gehören untrennbar zum jüdischen Lichterfest Chanukka. Das Fest beginnt in diesem Jahr am Sonntagabend und endet am 22. Dezember.

Neun Kerzen brennen an einem Chanukka-Leuchter / © Harald Oppitz (KNA)
Neun Kerzen brennen an einem Chanukka-Leuchter / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!