DOMRADIO.DE: Wie waren die vergangenen Tage bei Ihnen?
Yehuda Teichtal: Die vergangenen Tage waren sehr besondere Tage. Angesichts des schrecklichen Ereignisses, das in Sydney vor einer Woche, am ersten Tag von Chanukka passiert ist, standen wir unter Schock und im tiefen Schmerz. Dennoch haben wir bewusst entschieden, dass wir die Dunkelheit nicht über das Licht triumphieren lassen, sondern wir werden auf die Dunkelheit mit Licht antworten. In diesem Sinne habe ich den Bundespräsidenten kurzfristig zu der ersten Kerze eingeladen. Er ist der Einladung gefolgt. Es war ein besonderes Chanukka.
DOMRADIO.DE: Sie kannten den australischen Rabbiner persönlich, der in Sydney ermordet wurde. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?
Teichtal: Ich kannte den australischen Rabbiner Eli Schlanger persönlich. Er war wie ein Bruder für mich und ein Klassenkamerad. Natürlich war es ein großer Schock. Weil hier eine Person war, die sich bemühte, eine Religion für alle verständlich zu machen. Das ist auch tatsächlich der Geist von Chanukka. Ein offener Feiertag, voller Miteinander und Toleranz. Deswegen war es eine sehr schwierige und schmerzhafte Situation. Jedes Menschenleben ist unbeschreiblich wertvoll. Aber natürlich, wenn man jemanden persönlich kennt, ist der Schmerz umso tiefer. Deswegen, dachten wir, für Ellie, die zehnjährige Matilda und alle anderen Opfer, dass wir nicht zulassen dürfen, dass die Narrative von Menschen bestimmt werden, die tatsächlich Dunkelheit verbreiten wollen. Sondern im Gegenteil. Wir haben, zusätzlich zu den ersten Kerzen mit dem Bundespräsidenten, auch Kerzen mit der Bundestagspräsidentin und in jedem Bundesministerium gezündet. Und sehr viele Familienfeste in ganz Berlin, aber auch in ganz Deutschland, haben zu Chanukka stattgefunden. Dabei wurden die Feste von einem Doppeltgefühl begleitet. Einerseits tiefer Schmerz, aber gleichzeitig Freude, Lebendigkeit und positiver Spirit. Wir glauben, das ist der einzige Weg. Meine Oma sagte mir mal: Die Dunkelheit kannst du nicht mit deinem Besen wegfegen, nur mit Licht.
DOMRADIO.DE: Bei Ihrer Feier in Berlin gab es erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Haben Sie sich da sicher gefühlt?
Teichtal: Die Sicherheit ist von Gott gegeben, aber wir danken natürlich ausführlich der Polizei von Berlin für die hervorragende Zusammenarbeit und für die sehr ernsthaften Maßnahmen, die gemacht wurden. Leider ist es traurig, dass eine Feier, die für ein Miteinander und Toleranz steht, von solchen Sicherheitsmaßnahmen begleitet werden muss. Aber das ist die Realität und wir sind natürlich sehr dankbar für die geleistete Sicherheit. Aber ich möchte hinzufügen: In ganz Berlin gab es Chanukka leuchten, und das ist ein wichtiges Zeichen. Ein Zeichen des Miteinanders. In diesen dunklen Jahreszeiten sollten Licht, Miteinander, Liebe und Respekt im Vordergrund stehen, und das werden wir uns natürlich nicht wegnehmen lassen.
Das Interview führte Carsten Döpp.