KNA: Herr Beikircher, Ihr für 2026 angekündigtes neues Programm heißt "Arrivederci" - das klingt nach Abschied ...
Konrad Beikircher (Kabarettist, Musiker und Autor): "Arrivederci" heißt "Auf Wiedersehen" - und Ende 2026 ist es so weit. Ich habe nicht vor, fünf Abschiedstourneen zu machen.
KNA: Was empfinden Sie: Wehmut oder Erleichterung?
Beikircher: Von beidem ein bisschen. Ich bin süchtig nach der Bühne. Es sind nicht nur inhaltliche Motive, die mich antreiben. Klar, ich möchte der Welt den Rheinländer erklären. Aber da ist ehrlicherweise auch der Wunsch, geliebt zu werden. Anderes wiederum hängt mir zum Hals heraus. Aus gesundheitlichen Gründen muss ich inzwischen zu vielen Auftritten mit dem Zug fahren. Darauf kann ich gern verzichten.
KNA: Vor kurzem hat Thomas Gottschalk seinen Hut genommen. Haben Sie bei der Gelegenheit eine Art Verbundenheit empfunden?
Beikircher: Er ist ja offenbar an Krebs erkrankt. Da kann man nur Mitgefühl haben.
KNA: Ein anderer TV-Moderator, Blacky Fuchsberger, hat einmal ein Buch geschrieben mit dem Titel "Alt werden ist nichts für Feiglinge". Ist das wirklich so?
Beikircher: Er hat sicher recht. Aber er muss wohl auch jemand gewesen sein, der das Glas eher halbleer gesehen hat. Bei mir war das Glas immer halb voll.
KNA: Wie äußert sich das?
Beikircher: Im Jahr 2014 habe ich eine große Darmoperation gehabt und musste daraufhin monatelang mit einem künstlichen Darmausgang auf der Bühne stehen. Wenn dann seltsame Geräusche zu hören waren, habe ich die Flucht nach vorn angetreten, mein T-Shirt hochgezogen, auf den Beutel gezeigt und gesagt: "Gucken Sie mal, da können Sie auch sehen, was ich gegessen habe." In solchen Momenten habe ich gemerkt, dass mein Grundlebensgefühl positiv ist.
KNA: Erstaunlich.
Beikircher: Mich hat irgendwann mal jemand gefragt, warum ich überhaupt noch auf die Bühne gehe. Dem habe ich - natürlich ironisch - entgegnet: "Weil das der einzige Platz ist, wo ich meine Ruhe habe."
KNA: Mit zunehmendem Alter wird man, so heißt es zumindest, den eigenen Eltern immer ähnlicher. Was haben Sie von Ihrem Vater und Ihrer Mutter mitbekommen?
Beikircher: Ich habe meinen Papa sehr geliebt, obwohl er, wie sich nach seinem Tod herausstellte, seinen eigenen Geschwistern gegenüber ein echter Drecksack war. Das hätte ich ihm nie zugetraut. Er war zu mir immer großzügig und warmherzig. Diese Großzügigkeit habe ich von ihm geerbt, und sie ist im Alter stärker geworden. Was übrigens nicht immer von Vorteil ist.
KNA: Warum?
Beikircher: In finanziellen Dingen beispielsweise kann man nicht dauernd großzügig sein. Aber dagegen anzugehen, fällt mir unglaublich schwer.
KNA: Was haben Sie von Ihrer Mutter geerbt?
Beikircher: Sie hat mir ab dem vierten Lebensjahr Kochen beigebracht; mit acht habe ich zum ersten Mal ein Menü für die Familie zubereitet. Vier Stunden beim Mittagessen zu sitzen und zu erzählen - das liebe ich. Vielleicht hängt das mit dem Einfluss der italienischen Kultur zusammen. Meine Eltern waren sehr für den Ausgleich zwischen Italienern und Südtirolern. Das habe ich von beiden übernommen.
KNA: Nehmen Sie heute noch Anteil an der Politik in Italien?
Beikircher: Was Giorgia Meloni betrifft, schon. Aber von der politischen Entwicklung in Südtirol bin ich zu weit weg. Das ist mir noch einmal schmerzlich bewusst geworden beim 60-jährigen Abiturtreffen im vergangenen Jahr. Wir haben uns am Franziskaner-Gymnasium in Bozen getroffen. Als mich ein Mitschüler sah, rief er aus: "Ah, der Deutsche kommt!" Das hat schon wehgetan. Aber es hatte auch etwas Positives.
KNA: Inwiefern?
Beikircher: Meine Frau und ich hatten bis dahin immer wieder überlegt, ob wir im Alter nach Südtirol umziehen sollten. Die Episode hat mir vor Augen geführt: Da kannst du nicht mehr Fuß fassen. Für diese Klarheit bin ich dankbar.
KNA: Sie haben am 22. Dezember Geburtstag, also kurz vor Weihnachten. Wie wurden die Geschenke verteilt?
Beikircher: Meine Mama hat das ganz schlicht gelöst: "Übermorgen ist eh Weihnachten, da kriegst Du jetzt nix", hat sie gesagt. Neben dem Christbaum stand dann ein kleiner Hocker mit meinen Geburtstagsgeschenken: Socken, Hemden oder solche Dinge. Da freust Du Dich im Alter von vier, fünf Jahren einmal um die Welt ...
KNA: Klingt nach eher traumatischen Erfahrungen.
Beikircher: Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu meinem Geburtstag; ich vergesse auch gerne die Geburtstage anderer, selbst Hochzeitstage. Das ist alles leider eher negativ besetzt.
KNA: Gilt das auch für Weihnachten?
Beikircher: Seit ich Kinder habe, hat sich mein Leben geändert und auch mein Blick auf Weihnachten. Das ist Familienidylle pur. Wir wichteln sogar.
KNA: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur katholischen Kirche umschreiben?
Beikircher: Getrübt - seit Kardinal Rainer Maria Woelki in Köln das Sagen hat. Ich bin inzwischen zum zweiten Mal ausgetreten.
KNA: Das erste Mal...?
Beikircher: ... habe ich diesen Schritt als junger Mann vollzogen, nachdem meine erste Ehefrau sich das Leben genommen hatte. Ich wollte sie auf einem katholischen Friedhof beerdigen. Der Pfarrer hat das verboten, weil sie sich "entleibt" habe, wie er sagte. Das hat mich zutiefst empört. Ein Ordensmann hat mich später zum Wiedereintritt überredet.
KNA: Lässt sich die katholische Prägung abschütteln?
Beikircher: Ich bleibe Christ und dem Katholischen verbunden. Meine Schulzeit bei den Franziskanern in Bozen habe ich als sehr positiv in Erinnerung. Der Versuch, tolerant zu leben - Nächstenliebe ist so ein großes Wort -, ist mir schon wichtig.
KNA: Der WDR hat einmal eine Doku über Sie gedreht mit dem Titel "Der rheinische Zauberer". Welchen Zauber hat das Rheinland für Sie?
Beikircher: Einen mediterranen. Gut, anfangs habe ich kaum etwas verstanden und dachte, ich sei in der Äußeren Mongolei gelandet. Aber bis heute entdecke ich unglaublich viel Mediterranes im Rheinland.
KNA: Können Sie das für alle Nicht-Rheinländer etwas näher erläutern?
Beikircher: Vieles zeigt sich in der Kommunikation, in Redensarten. Nehmen wir das Manana-Prinzip: Dinge auf morgen zu vertagen, wird ja meist Spaniern oder Italienern unterstellt. Aber im Rheinland gibt es dazu sogar einen eigenen Spruch: Küss de hück nit, küss de morje - Kommst du heute nicht, kommst du morgen. Und genauso verhalten sich die Rheinländer: Sie kommen nicht "um Punkt acht", sondern "um acht". Also "irjendswie" zwischen halb acht und halb neun. Ich klinge jetzt wie bei meinem Bühnenprogramm ...
KNA: Macht nichts.
Beikircher: Mir kommt gerade die Anekdote von dem Handwerker in den Sinn, der einer Kundin sagt, er sei um zwei bei ihr. Die Dame wartet und wartet. Schließlich taucht der Handwerker um halb sechs auf. Sie macht ihm daraufhin Vorhaltungen. Das mag der Rheinländer nicht, der Italiener übrigens auch nicht. Was antwortet also der genervte Handwerker? "Ich han se net verjesse, ich han nur niet mieh dran jedaach" - "Ich habe Sie nicht vergessen ich habe nur nicht mehr dran gedacht". So etwas würde man in Bayern nie erleben!
KNA: Hat sich diese heitere Wurstigkeit auf die Bonner Republik ausgewirkt?
Beikircher: Auch in der Bonner Republik gab es erbitterte Kämpfe. Aber sie hat als ersten Chef einen rheinischen Jongleur gehabt, Konrad Adenauer, ein katholisch-verruchtes Schlitzohr. Der war schon stilbildend, sozusagen rheinisch in Reinkultur. Das geht heute nicht mehr. In Berlin kannst Du nicht alle Fünfe gerade sein lassen.
KNA: Wie blicken Sie auf den Ton in aktuellen politischen Debatten? Hat der sich etwa durch den Aufstieg der AfD verändert?
Beikircher: Mich macht vor allem die Haltung zu Migration fassungslos. Als ob es jemals eine Welt ohne gegeben hätte! Das fängt mit der Bandkeramik an: Die verbreitete sich in der Jungsteinzeit über ganz Europa und kam vermutlich aus Anatolien. Migrationsporzellan. Man kann doch die Geschichte nicht einfach verleugnen! Und wenn man es macht, wird es höllengefährlich. Ich will das nicht erleben.
KNA: Sind schwere Zeiten gut für den Humor - oder durchlebt der Humor schwere Zeiten?
Beikircher: Mir tun im Moment die Kolleginnen und Kollegen leid, die tagespolitische Themen behandeln. Die brauchen einen sehr klaren Standpunkt und dürfen sich nicht verunsichern lassen. Das ist aber schwierig, weil die Themen so komplex sind. Ich bin heilfroh, dass ich mich nur mit der Sozialpsychologie des Rheinländers beschäftige.
Das Interview führte Joachim Heinz, KNA.