DOMRADIO.DE: Weihbischof Lohmann, Sie waren im Heiligen Jahr selbst in Rom. Was haben Sie da erlebt? Was hat Sie besonders beeindruckt?
Weihbischof Rolf Lohmann (Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für das Heilige Jahr 2025, Weihbischof im Bistum Münster): Ich war mehrfach in Rom zum Heiligen Jahr, direkt Anfang Januar, mit einer kleineren Gruppe und um organisatorische Dinge zu regeln. Da war Rom noch nicht so gefüllt, wie ich es dann später in dem Jahr erlebt habe. Aber es war eine für mich interessante Stimmung. Auch bei meiner Gruppe gab es eine große Freude, was das Heilige Jahr anbetrifft.
Ich war bei der großen Münsteraner Diözesanwallfahrt mit zweieinhalbtausend Pilgerinnen und Pilgern in Rom. 600 Jugendliche haben wir in Rom gefirmt, in Sankt Paul vor den Mauern. Das waren Höhepunkte: Das Gespräch mit den jungen Menschen über das Heilige Jahr und die Erfahrungen beim Durchschreiten der Heiligen Pforten, die Pilgerwege und die Firmung, die ich vielen jungen Menschen in Rom spenden konnte - das alles habe ich absolut positiv erlebt.
Als Drittes war ich beim Jubiläum der Bischöfe in Rom, wo sich die Internationalität der katholischen Kirche gezeigt hat. Das globale Denken und Zusammenkommen ist ein wirklich guter Hintergrund für all das Pilgern zum Heiligen Jahr und das Motto "Pilger der Hoffnung". Besser konnte es in einem Jahr der Krisen, der Kriege, der großen Fragen und der Ängste der Menschen nicht kommen.
DOMRADIO.DE: Sie waren auf Seite der Deutschen Bischofskonferenz für die Organisation zuständig. Welche Rolle spielten für die Pilger Webauftritte, das Pilgerbüro in Rom und die organisatorischen Rahmenbedingungen?
Lohmann: Das Organisatorische spielte für Pilger eine entscheidende Rolle und hat gut funktioniert: in den Absprachen mit dem Sekretariat der Bischofskonferenz und dann auch mit dem Pilgerbüro in Rom. Da wurde überlegt, wie Pilgerwege gestaltet und inhaltlich gefüllt werden können - das lief im Pilgerbüro sehr gut, sodass man gute Anregungen bekommen hat.
Auch die vatikanische Pilger-App zum Heiligen Jahr hat erstaunlich gut funktioniert. Dass man sich auch als Einzelpilger einloggen konnte, um Slots zu bekommen, um Heilige Pforten zu durchschreiten – das musste ja alles organisiert sein. Dabei war die App sehr hilfreich.
DOMRADIO.DE: Vorab hatte es geheißen, in Rom gebe es kaum bezahlbare Unterkünfte. Wie haben Sie das erlebt?
Lohmann: Es ist sicherlich richtig, dass ein teures Pflaster, wie in Rom, im Heiligen Jahr nochmal besonders zum Tragen kommt. Mit dem größten Teil unserer Pilgergruppe aus Münster waren wir auf einem Campingplatz. Das war gerade auch für die jungen Menschen gut machbar. Ein Problem ist, dass in der Corona-Zeit viele kirchlich geführte Gästehäuser zugemacht haben. Es war nicht einfach, Quartiere zu bekommen, viele mussten in entferntere Stadtteile oder auch andere Städte ausweichen.
DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. hat bereits das nächste Heilige Jahr angekündigt - für 2033. Muss sich aus Sicht der Bischofskonferenz an der Organisation irgendetwas ändern?
Lohmann: Organisatorisch gibt es bei solchen Massenevents sicherlich immer wieder etwas zu verbessern. Als wir zu der Begegnung mit dem Heiligen Vater gegangen sind, waren etwa 80.000 Menschen zur Audienz auf dem Petersplatz. Das war übervoll und im Grunde genommen funktionierte das mit den Einlässen nur schwer. Da müsste man schauen, wie man an solchen Orten dafür sorgen kann, dass die Menschen leichter und gefahrloser auf den Petersplatz und wieder runterkommen können.
Aber in Rom hat sich auch bautechnisch ganz viel Positives getan. Da ist vieles fertig geworden, womit man vielleicht gar nicht hätte rechnen können. Da hat die Stadt Rom Großes geleistet.
DOMRADIO.DE: Wie haben die Bistümer das Heilige Jahr und sein Motto aufgegriffen?
Lohmann: Es gab viele geistliche Angebote und Gottesdienstangebote zum Heiligen Jahr. Das Katholische Bibelwerk und das Liturgische Institut haben da gut mitgewirkt und es gab in den Diözesen Ideen von Predigtreihen bis hin zu Vesperangeboten oder Ansprachen, zu denen man Gäste aus Politik und Gesellschaft eingeladen hat, um zu diesem Thema zu sprechen.
15 Diözesen haben Pilgerwallfahrten nach Rom durchgeführt. Und an den Wallfahrtsorten sind diese Themen stark aufgegriffen worden. Auch das Gebet zum Heiligen Jahr war ein geistlicher Renner: Allein 600.000 Gebetszettel sind davon bestellt worden - nur in Deutschland!
DOMRADIO.DE: 15 Bistumswallfahrten gab es - waren die alle so ausgebucht wie in Münster?
Lohmann: Wir haben ganz unterschiedlich große Bistümer in Deutschland: von 30.000 bis 1,6 oder 1,7 Millionen Menschen. Ich habe gehört, sie waren gut besucht.
In Münster hatten wir uns eigentlich eine Werbestrategie überlegt, um Menschen für die Romfahrt zu gewinnen. Aber dann war die Fahrt sofort ausgebucht und wir mussten die Wartelisten schließen. Wir haben nach der Bistumswallfahrt noch vier zusätzliche Wallfahrten durchgeführt, um das Ganze überhaupt steuern zu können. Das war in anderen Diözesen nicht anders.
Und es gab ja nicht nur die Bistumswallfahrten – Verbände, Malteser, Schützen, die Jugendlichen sind ja nochmal ganz gesondert nach Rom gereist und haben da starke Erfahrungen gemacht.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen die Jugendwallfahrt an. Offenbar gab es aus Spanien etwa 13 Mal so viele Pilger beim Jugendtreffen, wie aus Deutschland. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Lohmann: Ich sehe das Jugendtreffen insgesamt sehr positiv: Eine Million junge Menschen haben mit dem Papst die Messe gefeiert. Aus Deutschland kamen etwa 1.800 Pilgerinnen und Pilger, deutschsprachige etwa 5.000.
Ergänzend gibt es aus Deutschland aber auch die Ministrantenwallfahrten, die stark frequentiert werden. Deshalb gibt es hier einfach vielfältige Angebote, nach Rom zu fahren. Vom Niederrhein und aus dem Ruhrgebiet fahren zum Beispiel ganze Firmgruppen gesondert nach Rom. Ich bin froh und dankbar für alle, die sich auf den Weg gemacht haben.
DOMRADIO.DE: Sie sehen also nicht, dass man im Land der Reformation mit dem Thema Ablass und Heiliges Jahr generell ein Problem hat, sondern eher ein Überangebot verschiedener Wallfahrten aus Deutschland?
Lohmann: Das Thema Ablass ist nicht das erste Thema, das Menschen nach Rom führt. Da ist die Faszination der Stadt, die Gemeinschaft, die man erlebt, die Internationalität. Und dann kommen noch besondere religiöse Punkte dazu, denken Sie an das Durchschreiten der Heiligen Pforte. Das war für viele Menschen etwas Besonderes.
DOMRADIO.DE: Es gab viele verschiedene Wallfahrten für unterschiedliche Zielgruppen. Welche wäre aus Ihrer Sicht hervorzuheben?
Lohmann: Für mich zeigt die Wallfahrt der Malteser, bei der die Kranken so begleitet und betreut wurden, dass für sie Dinge möglich waren, die manchmal zu Hause nicht möglich sind, was Nächstenliebe bedeutet. Diese eindrucksvollen Bilder, wie sich der Papst auf Augenhöhe der Menschen im Rollstuhl begeben hat!
Aber auch das Jubiläum der Gefangenen war für mich ein starkes Zeichen: von der Ausrufung durch den Papst bis zum Mitsteuern des Ganzen durch die italienischen Behörden. Für mich sind es starke Zeichen, dass auch Gruppen in den Blickpunkt gerückt werden, die sonst nicht unbedingt im Blickpunkt sind.
Die Erfahrung von Vergemeinschaftung spielt eine große Rolle in einer Zeit, in der wir auf der anderen Seite Individualisierung und Vereinsamung erleben. Das ist unser Auftrag, dem entgegenzuwirken.
Und das schafft so ein Heiliges Jahr. Pilgern ist in. 32 Millionen Menschen waren zum Heiligen Jahr in Rom. Das ist ein ganz großes Plus unserer Kirche, dass so etwas möglich ist.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich der Papstwechsel auf das Heilige Jahr ausgewirkt?
Lohmann: Die Trauer um den verstorbenen Papst, der dieses Jahr initiiert hatte, und das Interesse am neuen Papst haben dem Heiligen Jahr weiteren Auftrieb gegeben. Ich habe Papst Leo dann zum ersten Mal beim Jubiläum der Bischöfe erlebt. Er ist ruhig und besonnen, aber gleichzeitig ist er voller Tatendrang - die Sicherheitsbeamten haben fast Not, in dem Tempo mitzukommen. Ich finde die Dynamik sehr positiv.
Papst Leo hat sich mit all den Sonder- und Jubiläumsaudienzen und den vielen Begegnungen mit den Menschen ein großes Pensum auferlegt. So hat der Papstwechsel dem Jubiläumsjahr keinen Abbruch getan, sondern nochmal starkes öffentliches Interesse geschaffen.
DOMRADIO.DE: Das Heilige Jahr geht am 6. Januar zu Ende. Wie geht es weiter?
Lohmann: Für uns als Christen ist es wichtig, dass wir durch dieses Motto des Heiligen Jahres angetriggert wurden. Wir erleben Krieg und Gewalt, Hass, Antisemitismus, Terror. Wir merken, dass unsere Botschaft nicht einfach die Probleme wegfegen kann. Aber die Hoffnung nicht zu verlieren und dieses Prinzip der Hoffnung auch immer wieder dem entgegenzustellen, das ist ganz wichtig.
Und deswegen ist für mich die Frage: Wie setzen wir das eigentlich fort? Wir machen ja jetzt nicht einfach Türen zu und sagen "Schluss aus, Amen". Wie gehen wir jetzt auf dieses große Jubiläum im Jahr 2033 zu – 2000 Jahre nach Christi Tod und Auferstehung?
DOMRADIO.DE: Sehen Sie das als persönliche Aufgabe für die Pilger? Oder muss es dafür Vorbereitungen geben?
Lohmann: Wir haben in den Bistümern im Moment große Sorgen, was Personal und Finanzen angeht, aber wir haben einen Auftrag: eine Botschaft den Menschen zu bringen, die dieses Thema Hoffnung nach vorne stellt. Für mich ist dieses Heilige Jahr ein Auftrag an uns, an unsere Diözesen, aber auch an die Pastoral, diesen Weg auch inhaltlich weiterzugehen.
Das heißt, um noch mal an Papst Franziskus zu erinnern, dass wir nicht um uns selbst kreisen und meinen, wir kriegten das durch Strukturen irgendwie geregelt. Sondern wir sind gefordert, unsere christliche Botschaft zu leben, zu verkünden, weiterzugeben und Zeugen der Hoffnung zu sein.
Das Interview führte Lisa Maria Plesker.