Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen blickt die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer mit großer Wertschätzung auf die Rolle der Kirchen in der ökologischen Transformation. Spätestens seit der Veröffentlichung der Enzyklika "Laudato si’" durch Papst Franziskus, der sich auch im Kontext des Pariser Abkommens als moralische Stimme für globale Klimagerechtigkeit positionierte, nehme sie in vielen kirchlichen Räumen eine wachsende Bereitschaft wahr, Klimaschutz ernsthaft als Teil kirchlicher Identität zu verstehen. Das sagte Neubauer am Donnerstag bei einer digitalen Pressekonferenz der Fridays-for-Future-Bewegung in Deutschland. Diese Bereitschaft sei nicht selbstverständlich, so Neubauer weiter, und gerade deshalb "wirklich schön zu sehen".
Besonders beeindruckt zeigte sie sich von der Haltung kirchlicher Vertreterinnen und Vertreter in öffentlichen Debatten: Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sich kürzlich kritisch über das politische Engagement von Kirchen geäußert hatte, habe sie auf dem Evangelischen Kirchentag eine klare, selbstbewusste Reaktion erlebt: Kirchliche Stimmen hätten offen widersprochen und betont, man sei dort präsent, "wo die Menschen sind. Und wenn die Menschen in politischen Krisen stecken, dann gehen wir da mit hin." Für Neubauer ein Ausdruck kirchlicher Widerstandskraft und moralischer Standfestigkeit.
Klimaschutz und Schöpfungsverantwortung
Zum zehnten Jahrestag des Pariser Klimaabkommens und sieben Jahre nach Gründung der Bewegung ruft "Fridays for Future" für diesen Freitag zu Demonstrationen unter anderem in Berlin, Hamburg und Köln auf. Erinnert werden soll an den historischen Durchbruch in Paris am 12. Dezember 2015: Damals hatten fast alle Staaten zugestimmt, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts zu begrenzen – auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, und wenn möglich unter 1,5 Grad.
Heute – zehn Jahre später – fällt die Bilanz der Aktivisten enttäuscht aus: Die Bundesregierung habe ganz offensichtlich nicht vor, die eigenen Klimaziele einzuhalten, so Neubauer. Nach aktueller UN-Prognose steuert die Welt auf eine Erhitzung von rund 2,8 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu.
Luisa Neubauer ist evangelische Christin. 2023 war sie von Papst Franziskus nach Rom eingeladen worden, um an einer Konferenz zur Vorstellung des Apostolischen Schreibens "Laudate Deum" über die Klimakrise teilzunehmen, wo sie neben anderen Klimaaktivisten und Wissenschaftlern sprach und sich mit Papst Franziskus traf, der ihre Arbeit unterstützte.
Kirchen als Partner
Dass die kirchliche Haltung keine bloße Symbolik ist, zeigen für sie konkrete Erfahrungen aus der Klima-Bewegung: Auf Borkum etwa war die evangelische Gemeinde die erste, die Aktivistinnen und Aktivisten im Gemeindehaus aufnahm, als sie gegen den Ausbau fossiler Gasprojekte im Wattenmeer protestierten.
Im bayerischen Reichling erlebte Neubauer vor wenigen Wochen eine ökumenische Abendandacht mit einem katholischen Pfarrer – ein Moment, der für sie zeigte, wie tief die gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung viele Christinnen und Christen bewegt und verbindet. Solche Begegnungen seien nicht nur persönlich bereichernd, sondern politisch relevant, weil sie Vertrauen schaffen und gesellschaftliche Bündnisse stärken.
Gerade in einer Zeit, in der Klimathemen zunehmend polarisieren oder bewusst skandalisiert werden, sieht Neubauer in den Kirchen einen "Ort des Herzens", der Menschen auf eine Weise anspreche, die politische Debatten oft nicht mehr erreichen. Kirchen könnten Räume eröffnen, in denen Ängste ernst genommen und Konflikte thematisiert werden, ohne die Dringlichkeit der ökologischen Krise zu relativieren. Diese sanftere, aber zugleich moralisch klare Tonlage sei ein wichtiges Gegengewicht zur Verhärtung der öffentlichen Diskussion. Neubauers Fazit fällt entsprechend positiv aus: Kirchen dürften und sollten zwar noch mutiger werden, doch schon jetzt passiere "fantastisch viel".