Apostolisches Schreiben "Evangelii nuntiandi" vor 50 Jahren erschienen

"Magna Carta" für die Evangelisierung

Wie kann man den christlichen Glauben zeitgemäß verkünden? Diese Fragen hat sich die Kirche bereits vor 50 Jahren gestellt. Das Schreiben "Evangelii nuntiandi" von Papst Paul VI. wirkt auch heute noch aktuell.

Autor/in:
Roland Müller
Jugendliche im Gebet / © Julia Steinbrecht (KNA)
Jugendliche im Gebet / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Für Papst Franziskus stand fest: "Evangelii nuntiandi" ist eines der wichtigsten kirchlichen Dokumente über die Verkündigung des Glaubens. 2023 bezeichnete er das Apostolische Schreiben von Papst Paul VI. sogar als "Magna Carta" für die Evangelisierung. Franziskus rief die Kirche dazu auf, heute die Fragen zu beantworten, die sein Vorgänger vor 50 Jahren in "Evangelii nuntiandi" als "Zeichen der Zeit" formuliert hatte: "Glaubt ihr wirklich an das, was ihr verkündet? Lebt ihr, was ihr glaubt? Predigt ihr wirklich, was ihr lebt?"

Daran sieht man: Das Apostolische Schreiben widmet sich der Frage, wie Evangelisierung "in der Welt von heute" gelingen kann. Von der grundlegenden Bedeutung des Themas und dem Umfang des Dokuments her hätte "Evangelii nuntiandi" durchaus auch eine Enzyklika werden können – also die feierlichste Form einer päpstlichen Verlautbarung. 

Papst Paul VI. am 6. Januar 1964 am See Genezareth in Israel / © KNA-Bild (KNA)
Papst Paul VI. am 6. Januar 1964 am See Genezareth in Israel / © KNA-Bild ( KNA )

Doch Paul VI. hatte sich nach der Veröffentlichung von "Humanae vitae" 1968 entschieden, keine weiteren Enzykliken mehr zu veröffentlichen. Damit wollte er die besondere Bedeutung dieses Lehrschreibens zu Ehe, Sexualität und menschlicher Fortpflanzung betonen. Deshalb wurde "Evangelii nuntiandi" der Welt am 8. Dezember 1975 als ein Apostolisches Schreiben präsentiert.

"Botin der Frohbotschaft Jesu Christi"

Für die Veröffentlichung von "Evangelii nuntiandi" gab es drei Anlässe, die zu Anfang des Dokuments auch genannt werden. Zum einen war 1975 ein planmäßiges Heiliges Jahr und das Schreiben zur Evangelisierung sollte daran erinnern, dass die Kirche eine besondere Aufgabe hat: Während des Heiligen Jahres und darüber hinaus habe sie nichts anderes gewollt, "als ihr Amt als Botin der Frohbotschaft Jesu Christi zu erfüllen". 

Zum anderen wollte Paul VI. an den zehnten Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnern, der ebenfalls 1975 gefeiert wurde. Laut dem Evangelisierungsschreiben habe das II. Vaticanum eine Aufgabe gehabt, die sich in einem Satz zusammenfassen lasse: "Die Kirche des 20. Jahrhunderts besser zu befähigen, das Evangelium der Menschheit des 20. Jahrhunderts zu verkünden."

Feierliche Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 in der Peterskirche, die als Konzilsaula diente. / © Ernst Herb (KNA)
Feierliche Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 in der Peterskirche, die als Konzilsaula diente. / © Ernst Herb ( KNA )

Schließlich hatte 1974 die dritte Generalversammlung der Bischofssynode stattgefunden, die der Evangelisierung gewidmet war. Den Abschlussbericht der Synode, den die Oberhirten an den Papst übergeben hatten, nutzte Paul VI. für den Text von "Evangelii nuntiandi". 

Vor diesem Hintergrund dekliniert das Apostolische Schreiben die Verkündigung des christlichen Glaubens in einer Welt durch, in der es bei weitem nicht mehr selbstverständlich ist, dass alle Menschen von der Frohen Botschaft gehört haben oder als Gläubige leben, obwohl sie getauft sind. In insgesamt sieben Kapiteln widmet sich "Evangelii nuntiandi" der Frage der Evangelisierung. Christus wird als Urheber der Verkündigung beschrieben und die Kirche als Trägerin der Evangelisierung benannt. Anschließend beschäftigt sich das Schreiben mit den Inhalten, Methoden und Adressaten des Evangeliums. 

"Innere Umwandlung" als Ziel

Im abschließenden Kapitel geht es um den Geist der Evangelisierung: Sie soll authentisch geschehen und die Hörerinnen und Hörer der Botschaft Jesu ernst nehmen. Ihr Ziel ist laut "Evangelii nuntiandi" nicht die rein zahlenmäßige Vermehrung der Gläubigen, sondern eine Erneuerung von Kirche und Welt: "Das Ziel der Evangelisierung ist also die innere Umwandlung." Grundlegend dafür sind die Taufe und ein Leben nach der Botschaft Jesu.

Das Wort Mission wird in dem Apostolischen Schreiben nicht aufgegeben, erfährt jedoch vielmehr eine Vertiefung. In "Evangelii nuntiandi" wird sie mehr als die allgemeine Sendung zur Evangelisierung verstanden und nicht als die konkrete Tätigkeit der Glaubensverkündigung. Damit erfährt der Missionsbegriff eine nötige Klärung, nachdem er im Zuge der Kolonialisierung auch missbraucht worden war. 

Teilnehmer des "kommt und seht"-Glaubensfestivals in Köln im Jahr 2025. (Erzbistum Köln)
Teilnehmer des "kommt und seht"-Glaubensfestivals in Köln im Jahr 2025. / ( Erzbistum Köln )

"Evangelii nuntiandi" unterscheidet auch zwischen der Erstevangelisierung, also der Verkündigung des Glaubens an Nicht-Christen und der Neuevangelisierung, was für ein Wecken des Interesses am Evangelium von bereits Getauften steht. Heute wird besonders letztere als eine wichtige Aufgabe der Kirche in den westlichen Gesellschaften verstanden. Ein Zeichen dafür, dass das Apostolische Schreiben von 1975 heutzutage nichts von seiner Aktualität verloren hat. 

Im Erzbistum Köln wird der 50. Jahrestag von "Evangelii nuntiandi" besonders begangen, da es Mitte des Jahres seine pastoralen Schwerpunkte neu bestimmt hat. Die Evangelisierung nimmt dabei einen wichtigen Platz ein und es werden besonders Projekte gefördert, die diesen Auftrag ins Zentrum stellen. Ein Beispiel dafür ist das Glaubensfestival "kommt und seht". Mit einem Erlebnistag zur Evangelisierung unter dem Leitwort "Taten und Worte" an Sankt Aposteln in Köln erinnert die Erzdiözese an das Schreiben Pauls VI.

Neuevangelisierung

Der Begriff Neuevangelisierung bezeichnet eine vom Papst und der katholischen Kirche seit dem späten 20. Jahrhundert intensiv verwendete Bezeichnung für die Erneuerung der missionarischen Dynamik des Christentums in ehemals christlich geprägten Gesellschaften. Er zielt nicht auf eine "zweite" oder "andere" Evangelisierung, sondern auf die Wiederbelebung des Glaubens dort, wo er durch Säkularisierung, Individualisierung und gesellschaftliche Umbrüche an Kraft und Selbstverständlichkeit verloren hat.

Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 (shutterstock)
Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 ( shutterstock )
Quelle:
DR

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