DOMRADIO.DE: Mit dem Christkind auf Stroh hat die Graffiti-Krippe auf den ersten Blick nichts zu tun, oder?
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent der Citykirche Wuppertal): So haben die Graffiti-Krippen mal vor 16 Jahren angefangen, da gab es das noch. Mittlerweile, gerade nach der Corona-Pandemie, ist das von Martin Heuwold, dem Graffiti-Künstler, weiterentwickelt worden, sodass wir jetzt symbolträchtiger sind und da einen ganz besonderen Akzent in die Weihnachtszeit setzen.
Ich kann versprechen, dass an Heiligabend in welcher Weise auch immer Gott zur Welt kommen wird, auch an der Graffiti-Krippe in Wuppertal.
DOMRADIO.DE: Die Graffiti-Krippe löst sich von traditionellen Formen oder menschlichen Figuren. Wie würden Sie sie beschreiben?
Kleine: In diesem Jahr steht ein flammendes Herz im Mittelpunkt, das nachts auch illuminiert wird. Das steht innerhalb eines als Kamin gestalteten Objektes. Dieses Herz brennt also. Das ist eine Art Reminiszenz an das Hohelied der Liebe aus dem Alten Testament, wo man liest, dass die Liebe wie Feuersgluten ist.
Der Ofen selbst ist ja auch ein alttestamentliches Symbol, dort steht er oft für das Gericht. Es gibt eine berühmte Szene im Buch Genesis, wo Gott in der Gestalt eines Ofens durch ein Schlachtopfer fährt und das Gute vom Bösen trennt. Das ist auch ein Entscheidungsort.
Unterhalb dieses Herzens ist ein kleiner Schacht, in den Menschen und Passanten ihre Sorgen, Nöte, Herausforderungen und alles, was sie beschäftigt, hineinwerfen können. Das wird an Heiligabend geschreddert und gibt gewissermaßen das Stroh. Also das, was die Menschen bedrückt, das Leid der Welt, wird das Stroh, in das das Jesuskind, also das Wort Gottes, hineingelegt wird.
DOMRADIO.DE: Es gibt also das Herz und die Schublade. Wo findet man das Graffiti?
Kleine: Dieses ganze Objekt ist mit Graffiti besprüht und erstellt worden. Das kann man auch sehen, wenn man darum herumgeht, da findet man dann die Graffiti-Kunst.
In diesem Jahr haben wir übrigens das zweite Mal mit "proviel" zusammengearbeitet. Das ist eine Werkstatt für Menschen mit einer psychischen Behinderung hier in Wuppertal, die geholfen hat, diese Graffiti-Krippe in diesem Jahr wieder zu erstellen.
Sie waren im letzten Jahr schon mal dabei. Das hat sich nicht nur bewährt, sondern sie haben wohl auch das ganze Jahr schon freudig darauf gewartet, auch in diesem Jahr wieder an der Graffiti-Krippe mitarbeiten zu können.
DOMRADIO.DE: Seit Freitag steht die Krippe, gab es schon Reaktionen?
Kleine: Wenn die Krippe aufgestellt wird, fährt ein LKW vor und lädt sie auf dem Laurentiusplatz ab. Die Leute fragen immer schon ab August, was da auf dem Laurentiusplatz entstehen wird. Wir wahren aber weitestgehende Geheimhaltung, damit die Spannung auch ein bisschen erhalten bleibt.
Die ersten Reaktionen sind immer erst einmal sehr interessiert. Dann gehen die Leute um die Krippe herum und schauen sie sich an. Jetzt sind wir gespannt, wie die Reaktionen in der Adventszeit darauf sein werden und wie die Menschen damit umgehen.
Das Interview führte Tobias Fricke.