Autor Stefan Moster erklärt die Begeisterung fürs Chorsingen

"Vom Glück, im Chor zu singen"

Studien belegen immer wieder, wie positiv sich das Singen in Gemeinschaft auf Körper und Geist auswirkt. Der Schriftsteller Stefan Moster hat dem Chorsingen ein ganzes Buch gewidmet. Darin blickt er auch auf die geistliche Musik.

Autor/in:
Mathias Peter
Glück in der Gruppe, ob alt oder jung: Chorsingen (Symbolbild) / © SpeedKingz (shutterstock)
Glück in der Gruppe, ob alt oder jung: Chorsingen (Symbolbild) / © SpeedKingz ( shutterstock )

"Weil ein Halbes nicht gereicht hätte!" Autor Stefan Moster reagiert mit Humor auf die erste Frage im DOMRADIO.DE-Interview zu seinem Buch "Vom Glück, im Chor zu singen". Also, warum hat er ein ganzes Buch zum Chorsingen geschrieben? "Weil es so viele Aspekte gibt, die damit zu tun haben, dass wenn man das einmal anfängt, man im Grunde nicht mehr so richtig damit aufhören kann."

Stefan Moster ist Publizist und Autor / © Mathias Peter (DR)
Stefan Moster ist Publizist und Autor / © Mathias Peter ( DR )

Auf über 200 Seiten geht Moster auf unterhaltsame, aber auch tiefgründige Weise dem Phänomen Chorsingen nach. Er erkundet alle möglichen Aspekte rund um Chorproben, Auftritte und Marotten der Chorleiterinnen und Chorleiter. Er hat mit zahllosen Sängerinnen und Sängern gesprochen. 

Dazu hat Moster, der 2009 mit dem Roman "Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels“ sein Debüt als Autor gegeben hat, vom Gospelchor bis zum kleinen Chor auf dem Land viele Chorgruppen besucht. 

In der Gemeinschaft singen – das sorgt für Glücksmomente, davon ist der 61-Jährige überzeugt. Seine Jugend war durch eine musikalische Familie geprägt. Sein Großvater sang in zwei Chören, der Onkel war Chorleiter. 

Was ist die Essenz des Singens?

Nachdem sich der Übersetzer von finnischen Büchern und Romanautor so intensiv mit den Chören auseinandergesetzt hat, kann er so etwas wie die Essenz des Singens formulieren: Sie besteht darin, "dass man die Erfahrung von Sinnhaftigkeit macht." 

Dabei ist es entscheidend, dass der Einzelne sich mit seinem ganzen Körper, Atem und seiner Musikalität einbringt. Jede und jeder Einzelne ist gefragt, aber gleichzeitig braucht jeder die Gemeinschaft: 

Blick auf das Buch von Stefan Moster: "Vom Glück, im Chor zu singen" / © Mathias Peter (DR)
Blick auf das Buch von Stefan Moster: "Vom Glück, im Chor zu singen" / © Mathias Peter ( DR )

"Auch wenn man kein Instrument spielen kann, kann man im Chor bei großen Werken mitmachen." Dass man für eine Leistung Applaus bekommt, gebe es im Alltag kaum. Wenn Chöre auftreten, erhalten sie für das Singen viel Zustimmung, das sei etwas, was Menschen sonst nicht so oft erleben. 

Das Gemeinschaftsgefühl, das gemeinsame Arbeiten an Musik über viele Wochen bis zum Auftritt, das gebe den Menschen viel, ein positives Feedback nach einem Konzert bedeute den Menschen eine Menge. 

Über 60 000 Chöre gibt es in Deutschland, für Moster ist das eine Art Gegenbewegung zum Wutbürgertum. Anstatt sich diffus über irgendetwas aufzuregen, sei das Chorsingen konstruktiv, man engagiere sich in der Gruppe für ein gemeinsames Ziel. 

Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe (KNA)
Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe ( KNA )

Der gebürtige Mainzer hält das Chorsingen zwar nicht für ein "Allheilmittel", aber gerade angesichts der grassierenden Einsamkeit in der Gesellschaft sei das Singen in einer Gruppe das genaue Gegenteil. 

Besonders beeindruckt zeigt sich Moster von der Musikalität und Präzision professioneller Chöre, aber auch von der Leistung von Amateurchören auf dem Land, die unter guter Leitung erstaunlich viel erreichen können. Moster meint, dass man in beiden Fällen spürt, "wie viel das Chorsingen den Beteiligten bedeutet."

Der gebürtige Mainzer hat Gesang als Katholik auch in der Kirche erlebt. Gerade für Chöre gibt es eine schier unüberschaubare Fülle an geistlicher Musik, da nahezu jeder Komponist oder Komponistin in der Musikgeschichte für kirchliche Anlässe geschrieben hat. 

Mädchenchor am Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Mädchenchor am Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Aber angesichts der schwindenden Kirchenbindung: Kann man auch als Atheist oder Kirchenferner eine geistliche Motette von Johann Sebastian Bach singen? Auf jeden Fall, meint Moster, auch wenn er von Sängern gehört habe, dass sie bei manchen Texten durchaus ihre Schwierigkeiten haben. 

"Wenn ein Komponist oder eine Komponistin von etwas Geistlichem angeregt, möglichst gute, schöne, nuancenreiche Musik schreibt, dann ist das auch eine urmenschliche Erfahrung, die viele teilen können." Der Musik von Bach könne sich seiner Meinung nach keiner entziehen, ganz egal, "welche Religion er angehört oder ob er Atheist oder Agnostiker ist". 

Trotz Kirchenkrise haben die Bistümer immer noch viele Chöre, auch wenn der klassische Kirchenchor weniger gefragt ist. Moster meint, dass die Kirche das Potential noch besser ausschöpfen könnte. Dass Konzerte mit geistlicher Musik oft gut besucht sind, wundert ihn nicht. 

Und doch sterben klassische Männerchöre zum Beispiel an vielen Stellen aus, während andere Chorgruppen durchaus wachsen. Allerdings kritisiert Moster, dass Chöre oft noch zu sehr dem Bildungsbürgertum verhaftet sind und Menschen mit Migrationshintergrund oder aus anderen sozialen Schichten zu wenig einbinden. Er rät Chören, aktiv an einer größeren Durchlässigkeit und Vielfalt zu arbeiten: "Zum Beispiel Migranten sind sehr schwach vertreten in Chören.“

Trotz solcher Herausforderungen ist Moster insgesamt optimistisch, was die Zukunft des Chorsingens angeht. Er sieht viele positive Beispiele, bei denen engagierte Chorleiter mit gutem Repertoire neue Sänger begeistern können.

Und was ist nun für ihn persönlich das absolute Chor-Lieblingsstück? Da greift Moster nicht nach den chorischen Sternen wie der h-moll-Messe von Bach oder der monumentalen Missa Solemnis von Beethoven, sondern bleibt beim schlichten vierstimmigen Choral von Johann Sebastian Bach, den der Thomaskantor in vielen Versionen in seinen Kantaten und Oratorien einsetzt. Diese kurzen Gesänge sind für ihn "wie Heimat".

Am Ende des anregenden Gesprächs im DOMRADIO.DE-Studio kommt die entscheidende Frage nochmal: Warum denn macht Chorsingen so glücklich? Mosters klare Antwort: "Weil Mehrstimmigkeit in Harmonie aufgeht und nicht in Dissonanz!"

Tipp der Redaktion: Stefan Moster: Vom Glück, im Chor zu singen; 219 Seiten 978-3-458-64524-5 Insel Verlag 20 Euro

Quelle:
DR

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