DOMRADIO.DE: Was ist die Rolle von Misereor auf der COP 30 im brasilianischen Belém?
Madeleine Wörner (Energieexpertin bei Misereor): Wir bringen Stimmen ein, die sonst kaum hörbar wären, also indigene Gemeinschaften, Kleinbauern, Partnerorganisationen aus dem globalen Süden. Denn sie wissen am besten, was los ist, sie erleben den Klimawandel tagtäglich. Sie kennen die Dürren, die Überschwemmungen, die Ernteausfälle. Wir bauen dann Brücken, dass genau diese Perspektiven, diese Sorgen in den Verhandlungen Platz finden.
DOMRADIO.DE: Man hört oft, dass die Klimaversprechen gut klingen, aber am Ende zu wenig passiert. Was erwartet Misereor dieses Mal?
Wörner: Als Misereor erwarten wir diesmal endlich mehr als schöne Worte. Wir wissen, dass 80 Prozent der Menschen von ihren Regierungen mehr Klimaschutz fordern. Auf der COP 30 wird diese "Peoplepower" sichtbar. Konkret geht es also darum, dass Verantwortung von den Staaten, von den Regierungschefs übernommen wird.
Ganz konkret markiert die COP 30 deshalb einen Wendepunkt. Jeder Staat muss seinen gerechten Klimabeitrag auf den Tisch legen. Dazu gehört ganz klar der fossile Ausstieg. Schluss mit Abholzung und Finanzgerechtigkeit. Für Misereor geht es vor allem darum, dass den Verwundbarsten der Klimakrise geholfen wird und sie nicht schutzlos ausgeliefert sind.
DOMRADIO.DE: Der Amazonas wird oft als grüne Lunge der Erde bezeichnet. Wie ernst ist denn in Ihren Augen die Lage dort wirklich?
Wörner: Sehr ernst. Forschende sagen, dass mit den aktuellen Klimaanstrengungen aus der Politik, also all dem, was aktuell schon in Gesetzen drin ist, der Regenwald vor einem Kipppunkt steht. Wenn zu viel Wald verloren geht, dann kippt das ganze Ökosystem, dann ist er einfach weg, kann sich nicht mehr selbst erneuern.
Wir stehen deshalb von diesem ökologischen Kipppunkt, aber eben auch vor einem politischen. Schaffen es die Entscheidungstragenden, Schluss mit der Abholzung zu machen, Schluss mit der fossilen Ausbeute und endlich von ihrem kurzfristigen Profitdenken abzurücken? Wir brauchen echten Schutz für Menschen und für Natur.
DOMRADIO.DE: Kann man bei so vielen Krisen überhaupt noch Hoffnung haben, dass der Klimaschutz gelingt?
Wörner: Wir brauchen Hoffnung. Das ist kein Luxus, das ist unser Antreiber, ganz unbedingt. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die Lösungen leben. Es gibt die Indigenen, die den Wald schützen, die sehen wir auf der COP 30 ganz konkret.
Es gibt Gemeinden, die sich auf erneuerbare Energien umstellen und Misereor unterstützt genau das. Wir sehen täglich: Veränderung ist möglich, Gerechtigkeit ist möglich und es braucht den Mut. Wir haben den Mut, das umzusetzen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.