Wie neue Gesetze unsere Bestattungsrituale verändern

Nicht mehr auf den Friedhof?

Sechzehn Landesbestattungsgesetze regeln jeweils für das eigene Bundesland, wie wir unsere Verstorbenen bestatten. Rheinland-Pfalz hat sein Gesetz nun überarbeitet und es damit zu einem der liberalsten in Deutschland gemacht.

Autor/in:
Uta Vorbrodt
Symbolbild: Urne / © JGA (shutterstock)

Allen sechzehn Landesbestattungsgesetzen in Deutschland ist gemeinsam, dass "in der Regel" eine Friedhofspflicht besteht. Bei einer Erdbestattung versteht sich das von selbst. Mittlerweile aber wünschen 80 von 100 Menschen eine Kremierung und lassen sich in der Urne beisetzen. Hier sind die Möglichkeiten vielfältiger. Rheinland-Pfalz hat nun sein Bestattungsgesetz überarbeitet. Seit Oktober diesen Jahres ist es in Kraft und gilt als das liberalste Bestattungsgesetz in Deutschland. Die neuen Regelungen werden unter anderem von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur, begrüßt. Die Kirchen sind eher skeptisch.

Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz, in einem Gespräch in seinem Büro in Mainz am 31. März 2022. / © Bert Bostelmann (KNA)
Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz, in einem Gespräch in seinem Büro in Mainz am 31. März 2022. / © Bert Bostelmann ( KNA )

In europäischen Nachbarländern sind die neuerdings in Rheinland-Pfalz erlaubten Praktiken bereits seit Jahren akzeptierter Teil der Trauerkultur. Ein Beispiel: Wenn der Verstorbene dies ausdrücklich wünscht, darf die Asche mit nach Hause genommen werden. "Auch im Tod bin ich nicht nur privat", sagt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Zudem findet er ein Aufteilen von Asche sei eine Frage der Menschenwürde.

Asche aufteilen

Genau das gehört aber auch zu den rheinland-pfälzischen Neuerungen. Teile der Asche können nun etwa zu einem würdigen Schmuckstück verarbeitet werden. Außerdem ist es jetzt legal, in den schiffbaren Teilen der vier rheinland-pfälzischen Flüsse (Rhein, Mosel, Lahn und Saar) Ascheurnen aus sofort wasserlöslicher Zellulose zu versenken.

Christoph Keldenich, Vorsitzender Aeternitas e.V.  Verbraucherinitiative Bestattungskultur (Aeternitas)
Christoph Keldenich, Vorsitzender Aeternitas e.V. Verbraucherinitiative Bestattungskultur / ( Aeternitas )

Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas, weiß: "Europäisch gesehen ist es nichts besonders Neues, was Rheinland-Pfalz dort ins Gesetz gepackt hat, aber im Bundesgebiet schon. Wir sehen eine wieder noch etwas größer gewordene Vielfalt an Möglichkeiten, einen Abschied zu nehmen, wie es sich die verstorbene Person gewünscht hätte."

Wunsch des Verstorbenen hat Priorität

Dieses neue Bestattungsgesetz gilt nur für Einwohnerinnen und Einwohner des Bundeslands Rheinland-Pfalz. So möchte man einen innerdeutschen "Bestattungstourismus" vermeiden. Flüsse allerdings halten sich nicht an Landesgrenzen. Zu der Frage, ob das Ausbringen von Totenasche in Flüsse die Wasserqualität gefährden kann, arbeitet derzeit noch das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, erklärt Keldenich.

Christoph Keldenich

"Sprechen Sie in der Familie über Ihre Wünsche. Reden Sie über den Tod."

Direkt gesundheitsgefährdend sei Totenasche nicht. Zudem müsse sich noch zeigen, wie viele Menschen im Einzugsbereich solche schriftlichen Verfügungen mit dem Wunsch der Flussbestattung überhaupt aufsetzen, sagt er. Denn der ausdrückliche Wunsch des Verstorbenen hat nach wie vor immer Priorität. Damit es nicht zu Unsicherheiten oder Streitigkeiten kommt, rät Keldenich sowieso: "Sprechen Sie in der Familie über Ihre Wünsche. Reden Sie über den Tod und die Frage, wie Sie sich Beisetzung und Gedenkfeier vorstellen."

Aspekt, der den Kirchen wichtig ist

"Was hat sich die verstorbene Person gewünscht? Was wollte sie? Ist in der Familie darüber geredet worden? Oder ist es letztlich komplett den nächsten Angehörigen überlassen, wie die Beisetzung zu vollziehen ist? Das ist natürlich ein interessanter Aspekt, gerade auch im Bereich der Vorsorge", so der Vorsitzende von Aeternitas. Gibt es ein Grab auf einem Friedhof oder in einem Friedwald? Ist das immer ein öffentlich zugänglicher Ort? Das ist einer der Aspekte, der auch den Kirchen wichtig ist. Zudem, sagt Christoph Keldenich, sind Friedhöfe auch zu einem gewissen Teil in kirchlicher Trägerschaft.

Symbolbild Friedhof / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Symbolbild Friedhof / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Deshalb machten sich die Friedhöfe Gedanken und Sorgen um ihre eigene Auslastung. "Wenn sich tatsächlich viele Menschen in Rheinland-Pfalz für eine dieser neuen Möglichkeiten entscheiden, dann bedeutet das auch geringere Bestattungszahlen auf Friedhöfen. So werden letztlich auch wirklich wichtige Interessen der Friedhofsträger tangiert. Deswegen haben die sich allesamt dagegen ausgesprochen", weiß Keldenich, dessen täglich Brot die Beschäftigung mit Bestattungswesen ist.

Den Verstorbenen auf dem Friedhof suchen

Mit dem neuen Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz wären problematische Szenarien denkbar. Zum Beispiel steht die Urne mit der Asche des verstorbenen Vaters auf dem Küchenschrank von Tochter X. Diese zerstreitet sich mit ihrem Bruder Y, und untersagt diesem den Zutritt zu ihrem Haus und somit auch den Besuch der Urne des Vaters.

Christoph Keldenich

"Ich denke nicht, dass sich alle anderen 15 Bundesländer daran ein Beispiel nehmen werden."

Denkbar, sagt der Bestattungskultur-Fachmann, und berichtet von vielen Fällen, die Aeternitas erreichen, in denen es ebenfalls um verwehrte Totenbesuche geht, trotz Grab: "Menschen wissen nicht, wo ihre Mutter, ihr Vater, ihr Bruder bestattet worden ist, weil die Person, die das Ganze zu entscheiden hatte, verfügt hat: Ich will denjenigen nicht dabei haben. Solche Dinge sind in den letzten Jahren vermehrt bei uns angekommen. Diese ausgesperrten Menschen suchen den letzten Ruheplatz ihres Verstorbenen auf einem Friedhof, und erhalten häufig keine Informationen."

Vorbild für die anderen Bundesländer?

Wie die neuen Möglichkeiten des Verfahrens mit sterblichen Überresten in Rheinland-Pfalz angenommen und nachgefragt werden, muss sich noch zeigen. Gefragt danach, ob in dreißig Jahren alle sechzehn Bundesländer ihre Bestattungsgesetze erneuert haben werden, und sie mindestens so freigiebig und liberal gestaltet sein werden wie das gerade in Rheinland-Pfalz erneuerte, sagt Keldenich: "Da werden die Liberalisierungstendenzen in den anderen Bundesländern ein bisschen überschätzt. Dreißig Jahre hört sich sehr lange an. Ich denke nicht, dass sich alle anderen fünfzehn Bundesländer daran ein Beispiel nehmen werden, auch nicht in dreißig Jahren."

Dass allerdings der Trend zur Feuer- statt Erdbestattung noch eine Weile fortschreiten wird, glaubt er schon. Wobei: "Ich gehe davon aus, dass vielleicht in zehn oder fünfzehn Jahren so eine Art Sättigung eintritt und dass wir dann in ganz Deutschland vielleicht ein Verhältnis von neunzig zu zehn haben werden. Es wird immer Sargbestattungen geben, wenngleich die Zahl doch deutlich geringer sein wird als noch in den 70er oder 80er Jahren."

Quelle:
DR

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