Bruder Paulus will Freiheit und Gehorsam im Kloster verbinden

"Offen zu sein bis zum Gehtnichtmehr"

Bruder Paulus Terwitte lebt seit Kurzem im Kapuzinerkloster Münster. Nach Stationen in Frankfurt und München übernimmt er die Leitung und will Gemeinschaft neu erfahrbar machen. Der Ortswechsel ist für ihn ein geistlicher Schritt.

Autor/in:
Elena Hong
Bruder Paulus Terwitte / © Bert Bostelmann (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / © Bert Bostelmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: 13 Jahre lang haben Sie das Kapuzinerkloster in Frankfurt geleitet, danach zwei Jahre in München. Jetzt geht es nach Münster. Gehen Sie freiwillig?

Bruder Paulus Terwitte (Leiter des Kapuzinerklosters in Münster): Ja. Wenn Freiheit bedeutet, den Spuren Gottes zu folgen – auch wenn das manchmal gegen persönliche Wünsche geht – dann gehe ich in großer Freiheit. Ich sehe darin die Erfüllung dessen, wofür ich mich mit 19 entschieden habe: ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum, in Ehelosigkeit. Das gibt eine große Freiheit – und die Möglichkeit, Neues zu entdecken. Wer die Welt sehen will, muss ins Kloster gehen. Es ist schön, wieder "zurück" zu sein.

DOMRADIO.DE: Orts- und Leitungswechsel gehören zur franziskanischen Tradition. Warum ist das so?

Bruder Paulus: Der Heilige Franziskus entwickelte im 13. Jahrhundert ein alternatives Mönchsmodell. Die alten Mönche blieben an einem Ort, um Gott in einer festen Ordnung zu dienen. Franziskus hingegen gründete aus der Erfahrung des dreifaltigen Gottes Gemeinschaften, die überall zu Hause sein konnten. Die Brüder nahmen nur kleine Niederlassungen an, um zu zeigen, dass Gemeinschaft stärker ist als Steine.

DOMRADIO.DE: Und wie wird entschieden, wer wohin versetzt wird?

Bruder Paulus: Alle drei Jahre tritt das Provinzkapitel zusammen – eine Art Parlament der Brüder. Dann enden alle Ämter, jeder muss loslassen, keiner kann festhalten. Und dann wird eine neue Leitung gewählt. Vor sechs Monaten wurden bei uns Provinzial und vier Ratsbrüder gewählt, darunter auch ich. Gemeinsam überlegen wir, wer wohin geht, entwickeln Vorschläge für den Provinzial und am Ende zeigt sich: Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit heißt jetzt: Bruder Paulus geht nach Münster.

DOMRADIO.DE: Gottes Umarmung klingt schön, fast romantisch. Aber ein Umzug ist doch auch Entwurzelung, immer wieder von vorne anfangen. Ist das nicht anstrengend?

Bruder Paulus: Natürlich. Schon in München war das Ankommen schwer. Ich habe erlebt, wie es ist, als 65-Jähriger in eine neue Stadt zu kommen: Die Gleichaltrigen sind in festen Gruppen, Netzwerke gibt es noch nicht, da kann man so bekannt sein, wie man will. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, im Alter. Es ist nicht so leicht, Menschen zu finden, denen man vertrauen kann. Das Weggehen geht leichter, als das Ankommen. 

Aber ich bin froh, dass überall, wo ich hingehe, Menschen sind, die schon mal die gleiche Entscheidung getroffen haben wie ich. Die bieten mir ein Zuhause. Warum ist das so?

Auch wenn man dazu sagen muss: Nicht jeder Bruder ist begeistert, dass ich mit ihm zusammenleben soll und umgekehrt bin ich auch nicht von jedem begeistert, mit dem ich zusammenleben soll – aber wir sind ein Friedensprojekt. Ordensgemeinschaften sind divers, und genau das ist das Schöne daran: Man lernt, miteinander zu leben, trotz der Unterschiede.

DOMRADIO.DE: Welche Aufgaben erwarten Sie nun in Münster?

Bruder Paulus: Das Kloster wurde für 50 Bewohner gebaut. Heute vermieten wir 35 Klosterzellen an Studierende, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Wir haben 16 Gästezimmer für Menschen, die den Klosteralltag erleben oder eine Unterkunft in Münster suchen. Dazu gehört die Kirche, in der wir Gottesdienste anbieten – und meine Aufgabe, das Gemeinschaftsleben zu gestalten.

Bruder Paulus

"Katholisch sein heißt für mich: offen zu sein bis zum Gehtnichtmehr."

Ich bin im Haus auch derjenige der den Studenten vermittelt: Ihr seid nicht im Hotel, sondern im Kloster. Im Klostergarten biete ich außerdem naturnahe Führungen an. Außerdem träume ich davon, Menschen aus Wirtschaft, Politik, Studierende und Obdachlose zusammenzuführen – fünf von jeder Gruppe. Ich glaube, unsere Gesellschaft muss wieder lernen, dass Zusammensein nicht dafür da ist Egoisten zu bedienen. Es geht darum, die eigene Blase zu verlassen, Gemeinschaft zu leben, sich zu engagieren. Katholisch sein heißt für mich: offen zu sein bis zum Gehtnichtmehr.

Das Interview führte Elena Hong.

Orden in Deutschland

Rund 19.300 Ordensfrauen und knapp 4.700 Ordensmänner, davon rund 3.140 geweihte Priester, leben laut der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) (Stand Ende 2012) in Deutschland. Diese verteilen sich auf 1.627 klösterliche Niederlassungen bei den Frauen und 461 bei den Männern.

DOK-Vorsitzender ist Hermann-Josef Kugler (47), Prämonstratenserabt der Klöster Windberg und Roggenburg. Stellvertretende Vorsitzende ist Schwester M. Regina Pröls (51). Sie ist Generaloberin der Franziskusschwestern in Vierzehnheiligen.

Ordensleute im Gebet (KNA)
Ordensleute im Gebet / ( KNA )
Quelle:
DR

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