In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" warnte Dahlke davor, dass solche Kommentare Verwirrung stiften könnten. Es sei schwierig, wenn der Papst die US-Politik einfach so kommentiere, sagte der Theologe.
Schon bei den improvisierten Interviews von Papst Franziskus im Flugzeug habe sich gezeigt, dass dies zu Missverständnissen führen könne. Stattdessen schlug Dahlke vor: "Leo sollte es eher machen wie früher die Queen – keine Interviews geben und einmal im Jahr ein Statement veröffentlichen. In der Medienlogik, in diesen Erregungsspiralen, ist alles andere gefährlich."
Papstaussage zu US-Senator
Papst Leo XIV. hatte sich Anfang Oktober gegen eine "verkürzte und einseitige Verwendung" der christlichen Morallehre in der Politik ausgesprochen. Zu einer umstrittenen kirchlichen Auszeichnung für den US-Senator Dick Durbin sagte der Papst in einem Gespräch mit Journalisten, man solle "die gesamte politische Arbeit eines Senators in den Blick nehmen, der seit 40 Jahren im Senat der Vereinigten Staaten tätig ist".
Es sei wichtig, "viele der Fragen zu betrachten, die mit der Lehre der Kirche zusammenhängen". So sei es nicht wirklich "pro-life", zu sagen "ich bin gegen Abtreibung", aber "für die Todesstrafe". Ebenso müsse man fragen, ob jemand ein Verteidiger des Lebens sei, wenn er "mit der unmenschlichen Behandlung von Einwanderern in den USA einverstanden ist".
Dahlke sieht in der Haltung des Papstes eine theologisch konsistente Linie: "Diese Argumentation kommt aus den Achtzigern. Der damalige Erzbischof von Chicago, Kardinal Bernardin, hat ein ethisches Konzept namens seamless garment ("unzertrenntes Gewand") entwickelt, das Leo wohl unterstützt. Es bedeutete, dass alle ethischen Fragen im Zusammenhang gesehen werden müssen. Also nicht: gegen Abtreibung hier, für Todesstrafe da."
Benjamin Dahlke ist Professor für Dogmatik in Eichstätt. 2024 veröffentlichte er ein Buch zur katholischen Theologie in den USA.