DOMRADIO.DE: Rund 150 Mann stark ist das Polizeikorps der vatikanischen Gendarmerie. Sie tragen keine Rüstung, Helme oder Federn wie die Schweizer Garde. Wie sehen diese Gendarmen aus?
Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte und Autor): Die Uniform ist durchaus ansprechend. Die Männer tragen eine dunkelblaue Uniformhose, dazu eine blaue Uniformjacke, darunter ein weißes Hemd mit Krawatte und auf dem Kopf haben sie ein blaues Käppi, das mit den päpstlichen Insignien versehen ist, also mit der Tiara und den gekreuzten Schlüsseln.
DOMRADIO.DE: Seit wann gibt es die Gendarmerie?
Nersinger: Interessanterweise ist die Gendarmerie in ihren Ursprüngen, in ihren Vorgängerorganisationen, sogar älter als die Schweizergarde. Man kann die Anfänge in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verorten. Die Gendarmerie wurde vor allen Dingen zur Auferrechterhaltung der staatlichen Ordnung und gegen das in Italien sehr heftig agierende Räuberunwesen eingesetzt.
DOMRADIO.DE: Der Erzengel Michael ist der Schutzpatron der Polizei. Am 29. September ist sein Gedenktag. Besonderen Schutz brauchten die Gendarmen immer wieder. Was war zum Beispiel 1870 los?
Nersinger: 1870 war das Ende des alten Kirchenstaates. Die Gendarmerie war so etwas wie die heutigen italienischen Carabinieri. Es war eine paramilitärische Einheit, die sowohl polizeiliche Aufgaben übernahm, aber ebenfalls zum Heer gehörte.
Das päpstliche Heer wurde 1870 aufgelöst und damit auch die Gendarmerie. Die Italiener haben dem Papst allerdings eine kleine Truppe zugesichert, die den Vatikan mitbewachen sollte.
Da die Gendarmerie für die staatliche Ordnung zuständig war, war sie auch in Undercover-Missionen involviert. Jene Italiener, die nun befürchteten, Schwierigkeiten zu bekommen, wurden dann dieser Vatikan-Truppe zugerechnet, sodass eine starke Kompanie entstand, weil viele Agenten der Gendarmerie aufgenommen wurden.
DOMRADIO.DE: Die Gendarmerie unterhält auch eine angesehene Musikkapelle.
Nersinger: Jeder, der dort aufgenommen werden will, muss ein staatliches Konservatorium besucht haben. Es ist ein hochqualifiziertes Musikkorps. Es hat viele Auftritte, nicht nur im Vatikan selber zu Weihnachten oder zu Ostern, sondern auch außerhalb Italiens und des Vatikans. Es wird häufig für besondere Festveranstaltungen eingeladen.
DOMRADIO.DE: Wie wird man Gendarm im Vatikan?
Nersinger: Es gibt die üblichen Aufnahmeverfahren, die allgemein für die Italienischen Carabinieri und Polizeieinheiten gelten. Da der Vatikan nicht selbst ausbildet, übernimmt man sehr häufig junge Leute aus den diversen italienischen Polizeieinheiten, dem Militär und den Geheimdiensten. Der Vatikan hat eine ganze Reihe von Auswahlmöglichkeiten.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch Frauen in der Gendarmerie?
Nersinger: Aktuell noch nicht. Das ist immer wieder diskutiert worden. Im Gegensatz zur Schweizergarde, wo sich das aus historischen und praktischen Gründen sehr schwierig gestalten würde, wäre das bei den Gendarmen durchaus möglich. Die Carabinieri haben mittlerweile auch Frauen.
Ich denke, warum man das bisher noch nicht umgesetzt hat, liegt vor allen Dingen an den logistischen Möglichkeiten. Da die Gendarmen zum Teil kaserniert sind, müsste man neue Unterkünfte schaffen. Da ist der Vatikan momentan nicht gut ausgestattet. Das wird vielleicht irgendwann einmal überlegt werden, ob man in irgendwelchen Gebäuden Frauen unterbringen könnte oder ob man es wegen dieser Schwierigkeiten nicht macht.
DOMRADIO.DE: Gehen Sie davon aus, dass das noch passieren könnte? Frauen bei der Gendarmerie im Vatikan?
Nersinger: Es ist nicht unmöglich. Aber da müssen wir uns von der Zukunft überraschen lassen. Die Aufgaben der Gendarmerie wachsen immer. Wir haben in Italien und anderen Ländern für alle Bereiche Sonderbereiche: Grenzpolizei, Finanzpolizei und so weiter. Im Vatikan ist die päpstliche Gendarmerie für alles zuständig; sie hat ein hohes Aufkommen an Aufgaben. Da muss man schauen, dass man das abdecken kann. Da wäre die Aufnahme von Frauen durchaus eine Alternative.
Das Interview führte Carsten Döpp.