Wie die letzten Geheimnisse der Grabeskirche enthüllt werden sollen

Wichtiger Arbeitsschritt vor Abschluss

Die Grabkapelle Jesu Christi ist noch eine Baustelle. Seit 2016 wird die Grabkapelle restauriert. Doch demnächst soll der Rundgang um die Rotunde der Jerusalemer Grabeskirche eröffnet werden. Die Archäologen arbeiten auf Hochtouren.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Grabeskirche in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Grabeskirche in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Der Umgang um die Grab- und Auferstehungskapelle Christi ist noch unterbrochen. Hinter Schutzwänden und Abdeckplanen wird gehämmert, gesägt und gebohrt, geforscht und vermessen; Mini-Trucks ebnen aufgeworfene Erdlöcher, und Arbeiter versiegeln den historischen Boden mit dicken Steinplatten. Trotzdem ist ein Zugang zur zweiteiligen Grabkammer offen, in der laut Überlieferung der Leichnam Jesu nach der Kreuzigung niedergelegt wurde.

Bauarbeiten in der Grabeskirche / ©  Nadim Astour (KNA)
Bauarbeiten in der Grabeskirche / © Nadim Astour ( KNA )

Als sich die Eigner der Kirche - Orthodoxe, Katholiken und Armenier - 2016 in einem ökumenischen Coup auf die dringend notwendige Restaurierung an der heiligsten Stätte der Christenheit verständigten, galt die Prämisse, das Gotteshaus müsse geöffnet bleiben, die Liturgien müssten weitergehen. Schon im nächsten Monat soll der Rundgang um die Ädikula mit dem russischen Zwiebelturm wieder ungehindert möglich sein, hoffen Kirchenkreise.

In den vergangenen Tagen liefen die von der römischen Sapienza-Universität geleiteten Arbeiten in diesem zentralen Teil der Grabeskirche auf Hochtouren. Deren Archäologen hatten 2019 den Auftrag erhalten, den gefährlich instabilen Fußboden und Untergrund rund um das Heilige Grab zu erforschen und zu sichern.

Kaiser Konstantin hatte das Gotteshaus im vierten Jahrhundert auf einem unterschiedlich abgetragenen Steinbruch errichten lassen. Manche Bereiche - etwa das Heilige Grab selbst - liegen direkt auf dem gewachsenen Felsen, während sich unter anderen eine bis zu sechs Metern dicke Erd- und Schuttschicht befindet, samt Hohlräumen und Verwerfungen. Denn die Kirchenkuppel war ursprünglich offen, und Regen machte Boden und Untergrund unsicher.

Fertigstellung zur Fastenzeit?

Rund um die eigentliche Grabrotunde, die bereits in einem ersten Arbeitsgang vor acht Jahren restauriert wurde, werden nun die leicht rosafarbenen Bodenplatten verlegt, analog zur Farbe der Ädikula. Gefahr für Leib und Leben - derentwegen die israelischen Behörden vor zehn Jahren die Order zur Restaurierung erließen - sind hier gebannt. Direkt an der 200 Jahre alten Rotunde markiert wieder ein schwarzer Steinring den heiligen Kuppelbau. Wann jedoch die Restaurierung der Kirche komplett abgeschlossen ist, dazu halten sich Archäologen und Kircheneigner bedeckt. Derzeit taucht die Fastenzeit im nächsten Frühjahr als Wunschmarke auf.

Christliche Pilger zünden Kerzen an während der Feier des Heiligen Feuers in der Grabeskirche in der Altstadt von Jerusalem / © Mahmoud Illean (dpa)
Christliche Pilger zünden Kerzen an während der Feier des Heiligen Feuers in der Grabeskirche in der Altstadt von Jerusalem / © Mahmoud Illean ( dpa )

Noch aber ist die Grabeskirche mit den Kapellen und Gedenkstätten der Griechisch-Orthodoxen, der Katholiken, Armenier, Kopten und Syrer eine Riesenbaustelle. Im Vorhof lagern riesige Paletten mit Steinplatten, die die defekten, die irreparablen oder die zu dünnen Steine in der Kirche ersetzen sollen. Und auch innerhalb des Gotteshauses wird jeder Freiraum als Materiallager, Arbeitsraum oder Planungsbüro für Archäologen und Baufirmen genutzt.

Für die Arbeiten ist von Vorteil, dass wegen der aktuellen politischen Lage nur wenige Besucher und Pilger ins Land und in die Kirche kommen. In den touristischen Boom-Jahren herrschte in der Grabeskirche ein Dauergedränge mit grenzwertigem Geräuschpegel, das schon mit langen Schlangen im Vorhof begann. Stille und ruhiges Verweilen an den heiligsten Stätten der Christenheit waren allenfalls in den frühen Morgenstunden möglich.

Nur noch wenig Römisches

Die römischen Archäologen, wie zuvor ihre Athener Kollegen, sollen das uralte Gebäude sicher für Besucher machen - und zugleich die letzten Geheimnisse seiner Geschichte erforschen. Die begann unter Kaiser Konstantin, der 326 die heidnischen Bauten niederreißen und alle Auffüllungen bis auf den natürlichen Felsen wegräumen ließ.

Sein Vorgänger Kaiser Hadrian hatte um das Jahr 135 die Grabstätte Jesu mit einem Jupiter-Monument und den Golgatha-Felsen, die Kreuzigungsstätte, mit einem Venus-Heiligtum überbauen und darunter eine Venus-Grotte entstehen lassen. Abgesehen von einer Straße, die damals verlegt wurde, hätten die Ausgräber jetzt wenig Römisches gefunden, hieß es. Und am Golgatha-Felsen, den schon Konstantins Bauleute stark abgeschliffen hatten, seien weitere Forschungs-Eingriffe zu riskant.

Freilich lassen die römischen Experten bislang, wie schon die Kollegen aus Athen, wenig über ihre Erkenntnisse verlauten. Es soll einmal, wie im Wissenschaftsbetrieb üblich, ein offizieller Grabungsbericht erscheinen, heißt es. Aber schon vorher soll die Jerusalemer Grabeskirche wieder zu einem Ort des Gedenkens, von Gottesdienst und Gebet werden.

Grabeskirche in Jerusalem

Grabeskirche in Jerusalem (epd)
Grabeskirche in Jerusalem / ( epd )

Die Grabeskirche  im christlichen Viertel in der Jerusalemer Altstadt wurde ursprünglich 325 nach Christus unter Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, erbaut. Sie soll sich der Überlieferung nach an der Stelle befinden, wo Christus nach seinem Tod am Kreuz beerdigt wurde und wieder auferstand. 

Quelle:
KNA