Amazonas-Bischof Kräutler erhält Herbert-Haag-Preis

Auszeichnung für "Dom Erwin"

Ist er Österreicher oder Brasilianer? "Dom Erwin" nennen sie ihn im Regenwald des Amazonas, denn er ist einer von ihnen. Nun erhält der "Anwalt der Indios" den Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche.

Erwin Kräutler / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Erwin Kräutler / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Für sein Lebenswerk wird der als "Amazonas-Bischof" bekannte Erwin Kräutler mit dem Herbert-Haag-Preis 2026 für Freiheit in der Kirche ausgezeichnet. Der 86-Jährige sei "selbst unter Lebensgefahr" stets für seine Überzeugungen eingestanden, hieß es am Donnerstag zur Begründung.

Kräutler stammt aus Vorarlberg und war von 1981 bis 2015 Bischof der riesigen Diözese Xingu im Amazonasgebiet. Auch nach seiner Emeritierung setzt sich Kräutler weiter für die Menschen am Rand der Gesellschaft in Brasilien ein; vor allem auch für die indigenen Völker Amazoniens. Ganz am Ende seiner Kirchen-Karriere, die er nie erstrebt hatte, wurde der "Amazonas-Bischof", einer der bekanntesten Bischöfe Lateinamerikas, gar zum Ghostwriter des Papstes in Sachen Umwelt und Priester-Zölibat. Kräutler lieferte mit ganzem Einsatz - doch sein Steilpass landete im Tor-Aus.

Papst Franziskus spricht mit einer Frau bei einem Empfang mit Vertretern indigener Völker am 10. Februar 2023 im Vatikan. / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus spricht mit einer Frau bei einem Empfang mit Vertretern indigener Völker am 10. Februar 2023 im Vatikan. / © Romano Siciliani ( KNA )

Papst Franziskus (2013-2025) habe "eine wahnsinnige Hoffnung" provoziert, sagte Kräutler zuletzt in einem Interview. Bei der Amazonassynode 2019 hätten viele Bischöfe ausdrücklich gefordert, bewährte Männer und Frauen aus entlegenen kirchlichen Gemeinden zu Priestern oder Priesterinnen zu weihen. "Und Papst Franziskus hat es nicht angenommen", so Kräutler - "obwohl er uns Bischöfen zuvor gesagt hat: Macht mir mutige Vorschläge". Das mache ihn frustriert und enttäuscht.

Bei der Synode hätten 80 Prozent der Bischöfe für Viri probati und den Frauendiakonat gestimmt, führte der Bischof aus. Es sei unvorstellbar, dass Franziskus das in seinem Abschlussdokument der Synode mit keinem Wort erwähnt hat. Pessimistisch äußerte sich der Bischof über den synodalen Prozess der Weltkirche. "Da wird nichts dabei rauskommen", sagte er - "außer Spesen nichts gewesen". Die drängenden Reformthemen würden dort gar nicht besprochen.

Ein Leben als "Wander-Bischof"

Aus seiner Realität als "Wander-Bischof" in entlegenen Gegenden berichtete der Geistliche, seine Ankunft sei immer ein Fest gewesen.

"Ich wurde vom ganzen Dorf verküsst. Und immer wurde mir die Frage gestellt: Wo ist deine Frau?" Als junger Bischof habe er noch gesagt, dass er nicht verheiratet sei. "Der Dorfoberste schaute mich komisch an. Er konnte es einfach nicht verstehen. Denn das Konzept Zölibat passt nicht in ihre Lebensrealität", so der gebürtige Österreicher.

Symbolbild Indigene am Amazonas / © Photo Spirit (shutterstock)
Symbolbild Indigene am Amazonas / © Photo Spirit ( shutterstock )

Später habe er dann gesagt, "dass meine Frau weit, weit weg ist". Diese Einsamkeit hätten die Dorfbewohner zwar bedauert - "aber immerhin gab es keine komischen Reaktionen mehr".

Dennoch zeigt sich Kräutler auch zuversichtlich für die Zukunft und prophezeit: "Verheiratete Priester kommen zuerst, dann das Frauendiakonat. Priesterinnen werden die nächste Stufe sein." Wenn Papst Franziskus sagte, dass Frauen nicht zu Priesterinnen geweiht werden dürften, um sie vor Klerikalismus zu schützen, dann sei das "ein Witz", so Kräutler: "Die nicht geweihten Männer im Amazonasgebiet sind viel klerikaler als die Frauen, die Gemeinden leiten." Er kenne "keine Frau, die Klerikalismus lebt - keine".

"Theologie uralter Männer"

"Wir brauchen Frauen - auch in Ämtern", betonte Kräutler, und: "Es kann nicht sein, dass uralte Männer eine Theologie der Frau entwerfen." Der neue Papst - seit Mai ist es Leo XIV. - könne es vielleicht schaffen, einen "Frühling für die Kirche" zurückzubringen, wie er ihn als junger Mann beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) erlebt habe, so der 86-Jährige. Jedenfalls könne die Kirche nicht hinter die Ansätze zurück, die Franziskus eingeleitet habe.

Kräutler, am 12. Juli 1939 im vorarlbergischen Koblach geboren, ging 1965 zunächst als Missionar nach Amazonien. Als Bischof setzte er sich für die Rechte von Ureinwohnern, Kleinbauern und Landlosen sowie für den Schutz des Regenwaldes ein. Öffentlich prangerte er immer wieder politische und soziale Missstände an.

Indigene im Amazonasgebiet, Brasilien (Symbolbild) / © Paulo Jr (shutterstock)
Indigene im Amazonasgebiet, Brasilien (Symbolbild) / © Paulo Jr ( shutterstock )

1983 wurde Kräutler international bekannt, als er bei einer Solidaritätsaktion mit Arbeitern verhaftet und verhört wurde. 1987 setzte er sich bei der Verfassunggebenden Versammlung Brasiliens erfolgreich für die Verankerung der Rechte der Ureinwohner ein. Kurz darauf wurde er bei einem mysteriösen Autounfall schwer verletzt.

2010 erhielt er für sein Engagement den Alternativen Nobelpreis.

Im Visier von Wirtschaftsbossen 

Sein Einsatz brachte Kräutler wiederholt ins Visier von Wirtschaftsbossen und Landräubern. So sah er sich Verleumdungen, Einschüchterungen und sogar Morddrohungen ausgesetzt; regelmäßig stand er unter Polizeischutz. Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet, so auch die US-Ordensfrau und Umweltaktivistin Dorothy Stang 2005.

Bischof Erwin Kräutler / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Bischof Erwin Kräutler / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Auch im Unruhestand bleibt der Bischof ein gefragter Experte für Menschenrechte, Umweltschutz und Indio-Rechte in Brasilien.

Unermüdlich macht er auf die Folgen skrupelloser Entwaldung aufmerksam und ruft die Weltöffentlichkeit auf, etwas dagegen zu unternehmen. Trotz aller Probleme, darauf legt Kräutler großen Wert, habe er keinen einzigen Augenblick in der Amazonasregion bereut. Er gehöre zu den Menschen, die "in Amazonien leben, mit Amazonien leiden und es leidenschaftlich lieben".

Amazonas-Synode

Die Amazonassynode vom 6. bis 27. Oktober 2019 stand unter dem Thema "Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie" und war eine Sonderversammlung von Bischöfen und Ordensvertretern aus Ländern der Amazonasregion im Vatikan, darunter die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen im Amazonasgebiet sowie weitere Bischöfe, mehrere Kardinäle, Ordensleute und Experten. Sie haben über seelsorgliche Fragen in der Region des Amazonasgebietes beraten.

Indigene und Geistliche beim Gottesdienst der Amazonas-Synode / © Paul Haring (KNA)
Indigene und Geistliche beim Gottesdienst der Amazonas-Synode / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA