Papst Leo XIV. bleibt für den Papst-Experten und Jesuiten Andreas Batlogg ein bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt. "Es gibt wenig Schriftliches von ihm aus seiner Zeit vor seiner Wahl, und auch als Papst hat er sich mit klaren Aussagen bisher zurückgehalten", sagte Batlogg im Interview der österreichischen Wochenzeitung "Die Furche".
Dass nun viele protokollarische Abläufe wieder anders als unter Franziskus laufen, will Batlogg nicht überbewerten. "Leo verlässt nie das Protokoll; er macht auch keine Witze oder Andeutungen", so der Jesuit. Das wirke manchmal etwas steif und hänge aber auch mit seiner Persönlichkeit zusammen. Es werde damit umso deutlicher, "dass Franziskus in seiner Art natürlich viel provokativer war".
Zum Beispiel habe Papst Leo aber deutlicher als noch Franziskus die Lage in der Ukraine und in Gaza kritisiert. Batlogg: "Er ist kein Polterer, kein Wüterich, das muss er auch nicht sein." Aber natürlich blieben Konflikte nicht aus. "Wenn ich klare Positionen habe, dann komme ich auch Politikern in die Quere." Da werde natürlich schon spannend, wie Leo XIV. es etwa mit den USA und der dortigen Migrationspolitik handhabe.
Alte Messe versus Queer-Aktivist
Er selbst sei vorsichtiger geworden in der Einschätzung, wofür der neue Papst wirklich stehe, räumte Batlogg ein und sagte: "Ich habe aktuell den Eindruck, er will es allen recht machen." Er wolle das nicht überbetonen, aber wenn er jetzt offenbar dem US-Kardinal Raymond Burke gestatte, im Petersdom eine Messe im Alten Ritus zu feiern, was ja Franziskus noch ausdrücklich stark eingeschränkt habe, "dann ist das natürlich schon ein Zeichen in Richtung der Traditionalisten". Da könne man "schon das eine oder andere Fragezeichen anbringen".
Auf der anderen Seite habe Leo auch den Jesuiten James Martin empfangen, einen bekannten Queer-Aktivisten aus New York, den Franziskus als Berater sehr schätzte.
Leo XIV. habe sicher auch einen anderen Zugang zur Kurie als Franziskus, so Batlogg. Er gönne der Kurie auch, dass es ruhiger geworden sei; denn Franziskus sei weitgehend unberechenbar gewesen. Allerdings, so der Papst-Biograf: "Jetzt muss Leo dann langsam aber schon auch Nägel mit Köpfen machen, auch bei Personalentscheidungen." Als bisheriger Leiter der vatikanischen Bischofsbehörde kenne er sehr viele Akteure.
Künftige Kardinäle
Mit Blick auf künftige Kardinalsernennungen mutmaßt Batlogg, dass Leo zur früheren Praxis zurückkehren werde. "Mailand, Venedig, Los Angeles, San Francisco haben, anders als früher, keinen Kardinal." Auch Wien, Prag oder das katholische Irland seien nicht im Konklave vertreten gewesen. Andererseits laufe man dann natürlich Gefahr, so der Jesuit, wieder Dutzende italienische Papstwähler zu haben - "und man muss im Kardinalskollegium natürlich schon die weltkirchlichen Realitäten abbilden". Ob es allerdings in Tonga oder der Mongolei, wo es 1.500 Katholiken gibt, wirklich einen Kardinal brauche, sei schon auch eine Frage.