DOMRADIO.DE: Warum ist Waffengewalt in den USA ein großes Problem und bei uns in Europa nicht?
Benjamin Dahlke (Professor für Dogmatik an der Universität Eichstätt und US-Experte): Auch in Europa gibt es Waffengewalt und Amokläufe. In Deutschland erinnere ich an den Amoklauf 2002 in Erfurt. Da gab es 16 Opfer. Das haben wir schon auch.
Der Unterschied scheint mir zu sein, dass Waffen in Europa und auch in Deutschland nicht so einfach erreichbar sind. In den USA sieht das anders aus. Das hängt mit der amerikanischen Tradition zusammen.
Im zweiten Zusatz zur Verfassung wurde festgehalten, dass die Menschen in den USA Waffen tragen dürfen, um eine Miliz zu bilden. Deshalb gibt es dort ein sehr liberales Waffenrecht. Das haben wir in Europa und auch in Deutschland nicht.
DOMRADIO.DE: Der Amokläufer hat sich explizit eine katholische Schule ausgesucht. Sind Christen in der USA nicht mehr sicher?
Dahlke: Die Schule, auf die das Attentat verübt wurde, ist zwar katholisch, aber vor allem auch in den Stadtteil eingebettet. Das scheint mir erstmal wichtig zu sein. Sie ist eingebettet in die Ortsbevölkerung und offen für Kinder anderer Herkunft.
Insofern wurden die Menschen dort vor Ort insgesamt getroffen, nicht allein Katholiken oder Christen. Wenn ich richtig informiert bin, ist die Mutter der Tatperson bis vor kurzem in der Schule tätig gewesen. Es könnte auch biografische oder persönliche Gründe haben.
Das ist die Frage bei Amokläufen, welche psychopathologischen Dimensionen dort zu berücksichtigen sind. Das ist das eine. Das andere ist, dass die katholische Kirche zu einer Art von Zielscheibe geworden.
Sie vertritt oft eher konservative Wertvorstellungen. Die Katholikinnen und Katholiken haben bei der letzten Wahl mehrheitlich für Donald Trump gestimmt. Das scheint für den Täter eine Dimension gewesen zu sein.
DOMRADIO.DE: Werden Katholiken in den USA mit Trump gleichgesetzt?
Dahlke: Bei der letzten Wahl haben ungefähr 56 Prozent der Katholikinnen und Katholiken für Trump gestimmt, 43 Prozent für Kamala Harris und ihre Demokratische Partei. Das ist schon sehr auffällig.
Es fällt auch auf, dass insbesondere Bischöfe in den USA in der Tendenz eher auf Seiten der Republikaner stehen und auch viele Positionen schätzen, die von Trump und seiner Kampagne vertreten wurden, Migration ausgeklammert.
Insofern gibt es eine leichte Verbindung zwischen katholischer Kirche und Republikanern, aber keine notwendige Verbindung. Das muss man immer dazu sagen. Katholiken sind nicht festgelegt auf eine einzelne Partei. Diese Verbindung hat die Tatperson aber offensichtlich gezogen.
DOMRADIO.DE: Es gibt eine Reihe von Stimmen, die vermuten, dass sich die USA auf einen Bürgerkrieg zubewegen. Ist das vollkommen abwegig oder kann das wirklich passieren?
Dahlke: Ich bin gelegentlich in den USA und merke schon, dass es sehr große Spannungen gibt. Spannungen, die sogar innerhalb der Gemeinden existieren. Spannungen, die bis in Familien hineinreichen. Dieser Gegensatz von Demokraten und Republikanern ist auf jeden Fall da.
Aber dass das Ganze mit Gewalt ausgetragen wird, das sehe ich momentan nicht. Es ist zu sagen, dass die USA weiterhin ein Rechtsstaat sind. Wer mit Entscheidungen nicht zufrieden ist, kann vor Gericht ziehen. Auch wenn die Justiz zunehmend politisiert wird.
Zum anderen stehen Ende 2026 die Midterm Elections an. Das sind Zwischenwahlen, bei denen im Normalfall die Bevölkerung ihre Zustimmung oder auch ihre Kritik an der amtierenden Regierung äußert.
Es gibt eingespielte demokratische Mechanismen. Wenn Menschen unzufrieden sind, können sie bei den Wahlen 2026 ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Wenn Sie das nicht so sehen, können sie die aktuelle Regierung auch bestätigen.
Das Interview führte Annika Weiler.