Die Wehrpflicht hat in Deutschland eine wechselvolle Geschichte

Bundesrepublik soll wieder wehrhafter werden

Bundeswehrsoldaten / © Daniel Bockwoldt (dpa)
Bundeswehrsoldaten / © Daniel Bockwoldt ( dpa )

Wegen der angespannten Sicherheitslage in Europa stellt die Bundesregierung die Weichen für einen neuen Wehrdienst. Dieser soll zunächst auf Freiwilligkeit beruhen. Ab 2028 sollen aber alle 18-jährigen Männer zu einer verpflichtenden Musterung - auch wenn sie sich gegen den freiwilligen Wehrdienst entscheiden. Die Wehrpflicht in Deutschland hat eine wechselvolle Geschichte.

1814: Die Französische Revolution und die katastrophale Niederlage der preußischen Truppen gegen Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts stehen an der Wiege der Wehrpflicht in Deutschland. Zu Beginn des Jahres 1813 wurde in Preußen die allgemeine Wehrpflicht ausgerufen. Am 3. September 1814 wurde sie auch gesetzlich und für Friedenszeiten verankert. Das Heer wurde so in ein "Stehendes Heer" mit dreijähriger Dienstzeit umgewandelt. Weitere zwei Jahre mussten die Soldaten in der Reserve dienen. Nachdem das preußische Wehrpflichtsystem seine Effizienz im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 und im Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 bewiesen hatte, wurde es von den anderen deutschen Staaten übernommen.

1871: Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 wurde die allgemeine Wehrpflicht in der Reichsverfassung festgeschrieben und im Militärgesetz vom 2. Mai 1874 gesetzlich geregelt. Demnach war jeder männliche Deutsche grundsätzlich wehrpflichtig und musste, wenn tauglich, ab dem 20. Lebensjahr sieben Jahre lang in den Streitkräften dienen - zunächst als aktiver Soldat, später als Reservist und in der Landwehr.

1919: Mit dem Versailler Vertrag zwangen die Siegermächte des Ersten Weltkriegs Deutschland, die Wehrpflicht wieder abzuschaffen. Das Deutsche Reich schrumpfte militärisch auf ein Sollstärke von 100.000 Mann. Diese dienten mehrheitlich im Heer und einer sehr kleinen Reichsmarine. Eine Luftwaffe als eigenständige Teilstreitkraft gab es nicht. Die Fliegen Verbände asu dieser Zeit unterstanden dem Heer und der Marine.

1935: Entgegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages rüstete Hitler auf und führte 1935 die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Jeder deutsche Mann zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr war wehrpflichtig, die aktive Dienstzeit betrug zunächst ein, später zwei Jahre.

1956: Nachdem die Bundesrepublik 1955 der Nato beigetreten war, wurde die Wiederbewaffnung in Etappen durchgesetzt. 1956 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und im Grundgesetz verankert. Im April 1957 wurden die ersten Wehrpflichtigen einberufen.

Hinzu kam ein neues politisch-militärisches Leitbild: Der Soldat als "Staatsbürger in Uniform". Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, sprach von der Wehrpflicht als dem "legitimen Kind der Demokratie". Bereits 1949 war das Recht zur Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen in das Grundgesetz - Art. 4 Abs. 3 GG - aufgenommen worden. Die Bundesrepublik war der erste Staat der Welt, der diesem Recht Verfassungsrang einräumte.

1962: Nach dem Bau der Mauer führte auch die SBZ die Wehrpflicht im Januar 1962 ein. Ein Recht auf Verweigerung bestand dort nicht. Die einzige Alternative war den Dienst als "Bausoldat" - also ohne Waffe - abzuleisten.

2011: Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt und damit nur auf den Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt. Grund war, dass die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges stark verkleinert wurde. Außerdem wurden immer kleinere Teil der Jahrgänge als Wehrpflichtige einberufen, was die sogenannte Wehrgerechtigkeit beeinträchtigte. 

Ziel der Aussetzung war auch die Umwandlung der Bundeswehr in eine kleinere, spezialisierte Freiwilligenarmee. Der Entscheidung voran ging eine jahrelang emotional geführte Debatte über die Wehrgerechtigkeit und die Bedeutung der Wehrpflicht für einen demokratischen Staat. (KNA - Christoph Arens /27.08.2025)