Vier senfgelbe Sessel stehen um einen weißen Beistelltisch. Das Zimmer, in dem sie stehen, ist aufgeräumt. Im Regal stehen Bücher Rücken an Rücken. Eine Klangschale ruht still auf einem samtroten Kissen und die Sofakissen sind frisch aufgeschüttelt.
Die LEGO-Lokomotive mit einem Eichhörnchen als Lokführer und einer Giraffe als Reisegast wirkt wie Dekoration und nicht wie tatsächliches Spielzeug. Der Raum strahlt eine vertrauensvolle Ruhe und gleichzeitig eine sterile Zeitlosigkeit aus.
Denn der Raum ist bereit für seine nächste Klientin. Die Frauen, die hierher kommen, haben Fragen und Ängste rund um ihre Schwangerschaft oder die Geburt ihres Kindes. Um die 5.000 vertrauliche Beratungsgespräche im geschützten Rahmen werden jährlich bei esperanza beim Sozialdienst katholischer Frauen in Köln geführt. Esperanza, das heißt Hoffnung.
Hilfe anbieten, gemeinsam Lösungen finden
Hoffnung wollen sie Menschen vor, während oder nach ihrer Schwangerschaft schenken. "Vorwiegend kommen Frauen und Paare zu uns, die finanzielle Unterstützung brauchen", sagt Susanne Breyer. Sie ist Fachbereichsleitung für Kinder, Jugend und Familie beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Köln.
Manche haben Schulden beim Stromanbieter, andere brauchen Verhütungsmittel oder wieder andere suchen verzweifelt einen Krippen- oder Kita-Platz. "Unser Grundsatz ist, dass wir nicht bewerten und nicht verurteilen. Wir hören zu und versuchen, den Blick auf die Ressourcen zu lenken, die es gibt", erklärt Breyer ihr Leitbild.
Der Schutz des menschlichen Lebens ab dem Moment der Empfängnis gehört zu den Grundüberzeugungen der katholischen Kirche. Das führt zu einigen Herausforderungen in der Schwangerenberatung, vor allem bei Konflikten oder in Ausnahmesituationen. Denn neben finanziellen Herausforderungen kommen eben auch Menschen mit harten Schicksalen in die Beratungsstelle von esperanza.
Schutzraum für Klientinnen
Das gegenseitige Vertrauen ist in so einer Ausnahmesituation für die Beraterinnen das A und O. Deshalb finden sämtliche Gespräche in absoluter Vertraulichkeit statt. "Man kennt sich zu Beginn der Beratung nicht und steigt in ein sehr emotionales Thema ein", sagt Susanne Breyer. Zu geschützt sei der Raum zwischen Klientin und Mitarbeitendem.
Anders ließe sich kein Vertrauen aufbauen. Daher hat Susanne Breyer Eindrücke von ihren Kolleginnen und Kollegen gesammelt, die einen Blick in die Beratung ermöglichen.
Abbrüche und Fehlgeburten
"Manchmal kommen Frauen zu uns, die abtreiben wollen und sich eine Zweitmeinung wünschen. Andere haben bereits abgetrieben und suchen einen Weg, damit umzugehen", erzählt Breyer. Denn der Abbruch stelle für die, die kommen, oft einen unveränderlichen Schmerz dar.
Auch Frauen und Paare, deren Fötus im Mutterleib verstorben ist, suchen die Beratung auf. In diesem Fall gehe ein nicht erfüllter Kinderwunsch mit großer Trauer einher. Für Breyer "geht es darum, Gefühle gemeinsam auszuhalten." Diese beiden Extreme stellten eine krasse Gleichzeitigkeit in der Beratung dar, sagt sie.
Besonders schwierig seien Fälle, bei denen die Integrität der Frau verletzt wurde. Gemeint sind damit Gewalttaten in Beziehungen oder Vergewaltigungen. "Die gehen auch uns als Mitarbeitenden sehr nahe", sagt Breyer.
Beratung ohne Schein
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Schwangerschaftsberatung und Schwangerenkonfliktberatung. Aus der Konfliktberatung hat sich die katholische Kirche vor knapp 30 Jahren zurückgezogen. Eine Einrichtung wie esperanza, die in katholischer Trägerschaft liegt, soll deshalb nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch raten, selbst wenn der Schwangerschaft eine Vergewaltigung zugrunde liegt.
Nach katholischer Überzeugung hat auch das ungeborene Kind ein Recht auf Leben, ohne Wenn und Aber. Ein Beratungsschein, der zum Schwangerschaftsabbruch berechtigt, wird deshalb von esperanza nicht ausgestellt. Dazu muss die schwangere Frau stattdessen eine Schwangerschaftskonfliktberatung aufsuchen.
Wenn schon bei der Terminvergabe klar wird, dass Klientinnen abtreiben wollten, dann vermittelten sie diese an andere Stellen weiter. "Das ist dann manchmal bitter zu sagen, aber dafür sind wir die falschen Ansprechpartnerinnen", erklärt Breyer. Doch das war nicht immer so.
Das römische Verbot
Am 11. Januar 1998 forderte Papst Johannes Paul II. die deutschen Bischöfe auf, in der kirchlichen Schwangerenkonfliktberatung keine Beratungsscheine mehr auszustellen. Diese würden straffreie Abtreibungen ermöglichen und das Zeugnis der Kirche verdunkeln, sagte er.
Einige deutsche Bischöfe erwiderten, dass die Beratung mit Schein jährlich tausende Abtreibungen verhindere. Doch der Vatikan blieb bei seiner Haltung. Seit Beginn des neuen Jahrtausends stellen katholische Einrichtungen keine Beratungsscheine mehr aus.
Denn die katholische Kirche definiert den Beginn des Lebens mit der Befruchtung der Eizelle. Von diesem Moment an hat der Embryo dieselben unveräußerlichen Rechte und dieselbe Würde wie Erwachsene. Dazu zählt auch das Recht auf Leben.
"Ein unauflösliches Dilemma"
Aber der Hauptkonflikt bleibt: "Die Rechte der Mutter über ihren Körper stehen den Rechten des ungeborenen Lebens gegenüber", sagt Breyer. Wie damit umgehen, das sei eine sehr tiefgründige Frage. "Das ist ein unauflösliches Dilemma", meint Susanne Breyer.
Auch sie sei für Kinderschutz und den Schutz des ungeborenen Lebens, betont sie. Allerdings sei dieser Schutz ausbaufähig. Einerseits verbiete man Frauen abzutreiben, andererseits bleibe Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erlaubt. Obwohl man wisse, dass das dem Kind enorm schade.
Daher sei es bei der Frage des Schutzes des ungeborenen Lebens mit einer Abtreibungsdebatte nicht getan. Oft steckten heftige Einzelschicksale hinter der Frage nach der Möglichkeit, abzutreiben, sagt Breyer. Da gebe es keine generell richtige Antwort für alle. Stattdessen müsse man von Fall zu Fall differenzieren. Das müsse auch den Entscheidungsträgern in der Kirche klar werden, so Breyer.
Vertrauliche Geburt und Babyfenster
Wenn Frauen oder Paare ihr Kind nicht aufziehen können, aber auch nicht abtreiben möchten, gibt es bei esperanza Möglichkeiten. In einer vertraulichen Geburt kann eine schwangere Frau ihr Kind in einem medizinisch sicheren Umfeld anonym zur Welt bringen. Direkt danach wird das Kind zur Adoption freigegeben.
Für Eltern, die bereits ein Kind haben und damit nicht zurechtkommen, gibt es in Köln als letzten Ausweg das Mosesfenster. An diesem Babyfenster werden im Schnitt ein bis zwei Kinder pro Jahr abgegeben. In diesem Jahr hat so bereits ein Säugling den Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen und damit zu einer Adoptionsfamilie gefunden.
Bei esperanza haben sie ihren Spielraum gefunden. In Räumen, wie dem mit den vier senfgelben Sesseln. Durch die Beratungen, die sie anbieten, auch ohne Abtreibungsschein.
Denn auch wenn sie diesen nicht mehr ausstellen dürfen, ist Susanne Breyer von der Arbeit ihres Teams überzeugt: "Wir spüren, dass unsere Arbeit hilft, weil wir allein durch die Gespräche und unsere Angebote schon viele Sorgen nehmen können."
Sie sind selbst betroffen und machen sich Sorgen, ob Sie ein Leben mit Kind überhaupt bewältigen können? Die Beratungsstelle in Köln erreichen Sie telefonisch unter 0221-12695 1180 oder per Mail esperanza@skf-koeln.de. Mehr Infos finden Sie hier.