Integrationsbeauftragte kritisiert Kirchen für unkritische Haltung

"Jahrzehntelang nur konservative Muslimverbände gefördert"

Die Berliner Integrationsbeauftragte Güner Balci zählt zu den energischen Stimmen in der deutschen Integrationsdebatte. Sie warnt vor Duckmäusertum gegenüber jenen Muslimen, die der freien Gesellschaft den Kampf ansagen.

Muslimische Männer beten zum Ende des Ramadan in der Moschee von Rom / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Muslimische Männer beten zum Ende des Ramadan in der Moschee von Rom / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Die Berliner Integrationsbeauftragte Güner Balci kritisiert ein Einknicken deutscher Politiker vor dem strikt traditionellen Islam. "Religionskritik in Deutschland endet dort, wo es um den Islam geht. Das ist nicht hinnehmbar für eine aufgeklärte Gesellschaft", sagte sie der Zeitung "Die Welt" (Samstag online). Integrationspolitische Themen seien für Politikerkarrieren nicht Erfolg versprechend, nannte Balci als Grund für die Zurückhaltung. "Alles, was man in diesem Bereich als Politiker anfasst, erfordert Durchhaltevermögen, Mut und Fachkenntnis."

Aus Bequemlichkeit und Unwissenheit habe die deutsche Politik jahrzehntelang nur konservative Muslimverbände und ideologische Strukturen gefördert, "indem sie Vereine wie Ditib oder Milli Görüs und andere Ableger der Muslimbruderschaft zu absoluten Ansprechpartnern erklärt hat". Vertreter eines liberalen Islams würden dagegen ignoriert oder isoliert. "Oft geschieht dies mit Unterstützung der Kirchen in Deutschland", bemängelte Balci.

Keine Kompromisse bei Integration

Eine Mitschuld gibt die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln auch linken politischen Kreisen. Oft setzten sich etwa dieselben Personen für islamische Geschlechterapartheid ein, "die gendergerechte Toiletten und Frauenabteile fordern".

Balci, deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland kamen, fordert eine Integrationspolitik ohne falsche Kompromisse: "Jede Form von Integrationskurs und Sprachvermittlung muss den Leuten klarmachen: Du bist hier in Deutschland. Das ist keine kollektivistische Gesellschaft. Sondern eine, in der das Individuum im Zentrum steht - nicht Gott." Deutschland müsse Migranten vermitteln, dass hier jeder Einzelne die Freiheit habe, den eigenen Glauben oder die eigene Weltanschauung im Privaten zu leben. "Aber wir bieten nicht die Freiheit, den öffentlichen Raum mit reaktionären Machtbekundungen gegen westliche Werte zu okkupieren."

Islamischer Religionsunterricht

Islamischer Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wird in unterschiedlichen Modellen in neun  Bundesländern angeboten. Lediglich in den neuen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen gibt es keine Angebote für muslimische Kinder und Jugendliche. Etwa 69.000 Schülerinnen und Schüler besuchen in Deutschland islamischen Religionsunterricht (Stand Juli 2023).

Islamunterricht / © Marius Becker (dpa)
Islamunterricht / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
KNA