Menschenrechtler warnen vor Völkermord und Islamisierung in Syrien

"Syrien ist nie ein Land nur einer Religion gewesen"

In Syrien droht laut der Gesellschaft für bedrohte Völker eine gezielte Vernichtung religiöser Gruppen. Gefährdet sind etwa Drusen, Alawiten, Christen und andere nicht-sunnitische Gruppen. Es gibt bereits viele Tote.

Blick vom Dach der syrisch-katholischen Kirche Sankt Thomas über die Stadt am 3. März 2021 in Mossul / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Blick vom Dach der syrisch-katholischen Kirche Sankt Thomas über die Stadt am 3. März 2021 in Mossul / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

Satt Islamisten gelte es die Demokratiebewegung und Minderheiten zu unterstützen, sagte Kamal Sido, Nahost-Referent der Nichtregierungsorganisation, am Donnerstag vor Journalisten in Frankfurt. 

Er verwies auf die schwierige Situation für Drusen, Alawiten, Armenier und Kurden sowie Christen, Jesiden und weitere Gruppen. Bei Kämpfen wurden zuletzt mehrere Hundert Drusen getötet. Besonders umkämpft sind Gebiete um Suweida im Südwesten des Landes.

Die Stadtverwaltung von Jaramana wird von zahlreichen Drusen geleitet. / © Marion Sendker (DR)
Die Stadtverwaltung von Jaramana wird von zahlreichen Drusen geleitet. / © Marion Sendker ( DR )

"Was die Drusen in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, ist faktisch ein Genozid", erklärte Maher Tyfour, der selbst Druse ist. Diese führten nun einen Verteidigungskrieg. Tyfour sieht in den Auseinandersetzungen den Versuch, die drusische Bevölkerung in Syrien mit Waffengewalt zur Akzeptanz der Übergangsregierung in Damaskus zu bringen. 

Er berichtete von etwa 30 in Brand gesetzten Dörfern und von Leichen auf den Straßen. Suweida sei von allen Seiten belagert, es gebe keinen Strom für Trinkwassergewinnung und die Kommunikation.

Experten fürchten Völkermord in Syrien

Laut dem Vorstandssprecher der deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Valerio Krüger, droht aktuell in Syrien ein Völkermord an den Alawiten und Drusen sowie an den Christen im Land. 

"Syrien ist nie ein Land nur einer Religion gewesen. Die Bevölkerungsgruppen haben sich nie als Minderheiten gesehen, sondern als Syrerinnen und Syrer, die trotz unterschiedlicher Religionen miteinander leben." Nach Massakern an den Alawiten im Westen des Landes fänden nun Massaker an der drusischen Gemeinschaft statt.

Dort lebten auch christliche Gemeinschaften. Krüger warf der syrischen Übergangsregierung vor, Zwangsislamisierung und religiöse Gleichschaltung der Gesellschaft zu betreiben. Es gehe um das "Auslöschen von Menschen mit einer anderen Religion, wenn sie nicht konvertieren".

Schwierige Situation auch für Christen

"Für uns Christen ist Syrien unsere Urheimat, aber immer mehr Christen verlassen das Land" sagte der Vorsitzende der "Orientalischen Christen in Marburg", Ramzi Aljat. Sie hätten nur dann vor Ort eine Zukunft, wenn ein demokratisches System eingeführt würde, in dem eine Trennung zwischen Staat und Religion erfolge.

Dies sei unter der neuen Regierung nicht zu erwarten. Diese wollten Nicht-Sunniten zwingen, nach den Regeln radikaler Islamisten zu leben. Deutschland und Europa müssten dem rasch entgegentreten.

Christen in Syrien

Syrien gilt als Wiege des Christentums. Vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg waren laut Daten der Linzer "Initiative Christlicher Orient" etwa 7 Prozent der damals 21 Millionen Syrer christlich. Aktuelle Zahlen sind schwer zu ermitteln, auch weil mindestens 5,5 Millionen Syrerinnen und Syrer aus dem Land geflohen sind. Nach verschiedenen Schätzungen soll es noch maximal 500.000 Christen in Syrien geben. Rund drei Viertel der Syrer sind sunnitische Muslime, etwa 12 Prozent gehörten vor dem Krieg der Sekte der Alawiten an, darunter auch der nun gestürzte Assad-Clan. 

Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld (KNA)
Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld ( KNA )
Quelle:
KNA