Kardinal Pizzaballa kritisiert Israels Vorgehen im Gazastreifen

"Unsinn" stoppen

Am Wochenende seien er und sein griechisch-orthodoxer Amtsbruder "mit gebrochenem Herzen" aus Gaza zurückgekehrt, so Kardinal Pizzaballa. Die zwei Patriarchen teilten nun ihre Eindrücke mit der Presse. Vor allem Hunger präge das Bild.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, bei einer Messe am 1. Oktober 2023 in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, bei einer Messe am 1. Oktober 2023 in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Hunger und Mangelernährung sind nach Worten des Lateinischen Patriarchen, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, im Gazastreifen allgegenwärtig. Der Hunger sei einer der stärksten und schwierigsten Eindrücke ihres Besuchs vor Ort, so Pizzaballa und sein griechisch-orthodoxer Amtsbruder, Patriarch Theophilos III. bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Jerusalem. Am Wochenende hatten sie gemeinsam das Kriegsgebiet besucht.

"Schweigen angesichts des Leidens ist Verrat am Gewissen", wandte sich Theophilos II. an die internationale Gemeinschaft. In Gaza seien sie "einem Volk begegnet, das unter der Last des Krieges zusammengebrochen ist, aber dennoch das Bild Gottes in sich trägt". Auch Pizzaballa sprach von "der Würde des menschlichen Geistes, der sich nicht auslöschen lässt", inmitten der Zerstörung.

Überall hungernde Menschen

Hungernde Menschen am Straßenrand, "ältere Menschen, Frauen, junge Männer" und Menschen, die in der Sonne in langen Schlangen warteten, in der Hoffnung auf etwas zu Essen: So beschrieben die beiden Kirchenführer die Realität, derer sie Zeugen geworden seien. "Man muss den Hunger sehen. Überall, wo man hinschaut, wird man angesprochen, Menschen, Kinder bitten um Brot", so Pizzaballa. Dieses sei jedoch wie alles andere in Gaza schwer zu erhalten und die Preise seien astronomisch.

Damit werde humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen eine Frage von Leben und Tod. "Sie zu verweigern ist keine Verzögerung, sondern ein Urteil", so der italienische Franziskaner, der angesichts der Lage von einer "moralisch inakzeptablen und nicht zu rechtfertigenden" Demütigung sprach.

Patriarch kritisiert Medienberichte

Pizzaballa kritisierte fehlerhafte Medienberichte, die Patriarchen seien mit 500 Tonnen Hilfsgütern nach Gaza eingereist. "Als leider berichtet wurde, dass wir mit Lebensmitteln ankommen würden, kamen viele Menschen zu den Kirchen, um zu sehen, wo die Lebensmittel sind." Tatsächlich hätten sie 2kein einziges Gramm Vorräte mitgebracht", so Pizzaballa. Zwar habe man die Genehmigung zur Einfuhr von 500 Tonnen Hilfsgüter erhalten. Es sei jedoch technisch unmöglich, einen solchen Transport innerhalb weniger Stunden zu organisieren. Gegenwärtig werde "an der Umsetzung der Genehmigung" gearbeitet.

Der jordanische Prinz Hassan bin Talal lobte unterdessen das Engagement der Kirche in Gaza, die den Menschen vor Ort, Christen wie Muslimen, bedeutende humanitäre Hilfe und Unterstützung geleistet habe. In einer Botschaft an Pizzaballa sprach er der katholischen Kirche sein Beileid für die Opfer des israelischen Beschusses auf die katholische Kirche von Gaza aus. Die anhaltenden Angriffe auf Gotteshäuser und friedliche Gläubige seien "schwere Verbrechen, die für jedes menschliche Gewissen inakzeptabel sind".

Ende des Krieges - "Unsinn" stoppen

Wie die Zukunft für die Christen in Gaza aussehen könne, sei noch zu früh zu beurteilen, sagte Pizzaballa. Gegenwärtig reagiere man auf Notfälle. Oberste Priorität, wiederholte der Patriarch mehrere Male, sei ein Ende des Kriegs und der Zerstörung. Entsprechend gelte ihr Aufruf an alle politischen Führer, proaktiv eine Rolle einzunehmen, um "diesen Unsinn" zu stoppen.

Bereits am Montag äußerte sich Pizzaballa im Interview des Portals Vatican News. Dort bezeichnete der Kardinal das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen als "nicht mehr zu rechtfertigen". "Wir haben die moralische Pflicht, mit absoluter Klarheit und Offenheit die Politik dieser Regierung im Gazastreifen zu kritisieren", sagte er  Der ranghöchste katholische Geistliche im Heiligen Land war nach dem am Donnerstag erfolgten tödlichen Beschuss der katholischen Pfarrei im Gazastreifen dorthin gereist und hatte inmitten anhaltender Bombardements dort Gottesdienst gefeiert. 

Im Interview mit Vatican News berichtete er nun von einer Million Obdachloser im Gazastreifen und von verletzten und erblindeten Kindern infolge der israelischen Luftangriffe. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung seien die Menschen auf dem Gelände der Pfarrei noch "sehr geschützt", doch litten auch sie Mangel und Not. 

Hinweis: Der Artikel wurde am 22. Juli 2025 um 15:50 Uhr aktualisiert.

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA