Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße hat den Begriff "Migrationsturbo" im Kontext des Migrationsgipfels auf der Zugspitze kritisch hinterfragt.
"Wenn der Begriff so gemeint ist, dass wir jetzt eine schnelle Lösung bekommen und damit das Problem als gelöst betrachten, dann würde ich sagen: Widmet euch sorgsam den Herausforderungen und löst sie profund. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Freitag Vertreter einiger Nachbarländer sowie der EU zu einem Migrationsgipfel auf die Zugspitze eingeladen. Ein Sprecher des Ministers sagte im Vorfeld, Ziel sei "eine Agenda für den Migrationsturbo in Europa" vorzulegen.
Grundsätzlich sieht Heße die internationale Begegnung positiv: "Schritte, die das solidarische Miteinander unter den europäischen Staaten stärken, begrüße ich ausdrücklich. Aber bitte nicht mit populistischen Lösungen", so der Erzbischof.
Einigkeit bei Migrationsgipfel: Kurs muss härter werden
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) wertet den Migrationsgipfel unterdessen auf der Zugspitze als "sichtbares Signal der Einigkeit, Entschlossenheit und des gemeinsamen Engagements". Der Minister verband das Treffen mit europäischen Nachbarn am Freitag mit der Ankündigung eines Politikwechsels in der deutschen Migrationspolitik. "Wir wollten deutlich machen, dass Deutschland bei Migrationsthemen in Europa nicht mehr im Bremserhäuschen sitzt, sondern in der Lokomotive mit dabei ist", sagte er zum Abschluss.
Der Politikwechsel greife national, aber auch international, um illegale Migration zu reduzieren. Zugleich solle Europa auf Wunsch aller Teilnehmer des Treffens eine weltoffene Region bleiben, bekräftigte Dobrindt. "Aber wir wollen nicht, dass illegale Schlepper, Schleuser und kriminelle Banden darüber entscheiden, wer in unsere Region kommt."
Einige, nicht alle Nachbarn dabei
Zu dem Treffen waren die Innenministerinnen und Innenminister aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien sowie EU-Innenkommissar Magnus Brunner in Dobrindts Wahlkreis gereist.
Brunner bekräftigte, dass es nicht seien könnte, dass nur einer von vier, der sich illegal in Europa aufhalte, zurückgeführt werden könne.
"Uns treibt die Sorge um, dass die Überforderung unserer Länder durch illegale Migration auch zur Polarisierung unserer Gesellschaft beiträgt", führte Dobrindt weiter aus. Daher müssten die Sorgen der Gesellschaft gesehen und aufgenommen werden. Zugleich müssten Probleme gelöst statt vertagt werden. Letztlich gehe es dabei um Einigkeit und gegen Spaltung.
Harter Migrationskurs
Konkret sprechen sich die teilnehmenden Länder für ein härteres und schärferes Migrationssystem auf europäischer Ebene aus. Hierfür brauche es schnellere Asylverfahren. Zugleich sollten die Geschäftsmodelle von Schleppern, Schleusern und kriminellen Banden schneller bekämpft werden. Dazu müssten auch die Geldströme der Schleuser in den Blick genommen werden.
Weiter wollen die Länder die sogenannte Rückkehrverordnung schärfen.
Beispielsweise sollen "Retour-Hubs" in Drittstaaten entstehen. Dort könnten dann ausreisepflichtige Asylbewerber auch außerhalb der EU untergebracht werden. "Schutz durch die EU muss nicht zwingend Schutz in der EU heißen", sagte Dobrindt. Auch ein Streichen des Verbindungselements, wonach Migranten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben müssen, in den sie abgeschoben werden oder in den ihr Asylverfahren verlagert wird, kündigte Dobrindt als Maßnahme an.
Deutschland hatte am Freitag erstmals unter der schwarz-roten Bundesregierung Menschen nach Afghanistan abgeschoben. An Bord des Fluges von Leipzig nach Kabul waren laut Dobrindt 81 vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männern. "Abschiebungen nach Afghanistan müssen auch zukünftig gesichert stattfinden können. Es gibt kein Aufenthaltsrecht für schwere Straftäter in unserem Land", so der Innenminister.
Kritik der Kirchen
Kirchliche Verbände äußerten sich kritisch zur angekündigten Verschärfung der europäischen Migrationspolitik. Der katholische Caritasverband warnte vor weiteren Abschottungen. "Die Verhinderung von Migration durch immer neue Barrieren stärkt vor allem skrupellose Schleuser", erklärte der Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe, Oliver Müller. Statt neuer Zäune brauche es legale Zugangswege.
Dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt fehlte bei dem Gipfeltreffen nach eigenen Worten der "politische Weitblick". Anstatt das Asylsystem funktionaler zu machen, würden sich die anwesenden Staaten durch Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittländer ihrer Verantwortung entziehen wollen.