Das katholische Hilfswerk missio München schaut mit Sorge nach Ostafrika. Dort zeigten der Stopp der US-Entwicklungshilfe
sowie die angekündigten Budgetkürzungen bei den Vereinten Nationen gravierende Folgen für die Aufnahme von Flüchtlingen, wie das Hilfswerk am Dienstag anlässlich des Weltflüchtlingstags (20. Juni) mitteilte.
"Es kann nicht sein, dass wir Länder wie Uganda oder Kenia mit dieser gewaltigen Aufgabe quasi alleine lassen", sagte missio-Präsident Wolfgang Huber. Eine solche Haltung widerspreche jeder Form von christlicher Nächstenliebe, "auf die sich auch ein Land wie die USA gerne beruft".
Besonders gefordert sei jetzt das weltweite Netzwerk der katholischen Kirche, erklärte Huber. "Oft erweist es sich als deutlich tragfähiger und verlässlicher, da hier die menschliche Würde im Mittelpunkt steht und nicht nur ökonomische und machtpolitische Interessen." Besonders dramatisch ist demnach derzeit die Lage im Osten der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Uganda. Dort hätten die Rebellen der Gruppe M23 die Provinzhauptstädte Goma und Bukavu erobert und tausende Menschen in die Flucht getrieben.
Flüchtlingsdienst der Jesuiten
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind Hunderttausende innerhalb des Landes auf der Flucht, rund 114.000 Menschen sind ins Nachbarland Uganda geflohen. In der Hauptstadt Kampala fänden viele Schutz beim "Jesuit Refugee Service" (JRS), dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten. "Die Menschen können sich in Kampala nicht offiziell als Flüchtlinge registrieren lassen", erklärte JRS-Landesdirektorin Christina Zetlmeisl. Dennoch werde versucht, jenen zu helfen, die unter einer lebensbedrohenden Situation litten.

Doch mangelnde Unterstützung aus dem Ausland erschwere diese Arbeit, so Zetlmeisl. Seitdem viele fest eingeplante Hilfsgelder aus den USA ausblieben, müssten Hilfsorganisationen viele Programme zurückfahren. Das sei etwa im Norden von Uganda der Fall, wo Hunderttausende in Flüchtlingssiedlungen lebten, die vor den Konflikten im Sudan und Südsudan geflohen seien. In vielen Schulen in den Flüchtlingssiedlungen könnten die Lehrer nicht mehr bezahlt werden. Damit verschlechtere sich die Qualität der Schulausbildung.
Hinzu komme, dass auch die Budgets der Vereinten Nationen drastisch zusammengestrichen worden seien, erläuterte Zetlmeisl. "Essensrationen über das Welternährungsprogramm werden gekürzt oder sogar gestoppt." Die Rationen würden immer weniger. Neben der dringendsten Nothilfe würden die Menschen nun nach Alternativen suchen, um die ausbleibende Unterstützung zu kompensieren. Ein Augenmerk liege auf der Landwirtschaft, um Mais, Bohnen und anderes anzubauen.
Schwierige Lage für Kinder und Familien
Das Kinderhilfswerk World Vision machte auf die prekäre Lage geflüchteter Familien weltweit aufmerksam. "Wir sind nicht nur Zeugen einer Hungerkrise - wir sind Zeugen einer systematischen Demontage der Kindheit", sagte Amanda Rives, Direktorin für Katastrophenhilfe bei World Vision International. In vielen Krisenländern seien Eltern gezwungen, die Ausbildung des Nachwuchses dem Kampf ums tägliche Überleben zu opfern. "Wir sehen, wie Kinder aus den Klassenzimmern in gefährliche Arbeit, frühe Heirat und Ausbeutung gedrängt werden, nur weil sie nicht genug zu essen haben."

Eine aktuelle Auswertung des Hilfswerks trägt Daten aus 13 Krisenstaaten zusammen, darunter Syrien, Bangladesch, Myanmar und mehrere afrikanische Länder. Die Ergebnisse weisen den Angaben zufolge auf einen gefährlichen Anstieg von Hunger, Kinderarbeit, Zwangsheirat, Schulabbruch und Kinderhandel hin. In einer Befragung geflüchteter Familien habe sich gezeigt, dass 58 Prozent unter bedrohlichem Hunger litten. Besonders schlimm sei die Lage im Südsudan, wo 97 Prozent von entsprechenden Entbehrungen berichtet hätten.
Gefahr besonders für Frauen
Die Frauenrechtsorganisation Solwodi kritisierte Abweisungen an Staatsgrenzen, etwa zwischen den USA und Mexiko, aber auch an den deutschen Außengrenzen. Dass immer mehr Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft würden, könne besonders für Frauen gefährlich werden, da sie in einigen Ländern geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt ausgesetzt seien.
Frauen seien durch Gewalt und Ausbeutung auf der Flucht oft besonders traumatisiert. Dadurch könnten sie ihre Fluchtgeschichte oft nicht zusammenhängend schildern. In Schnellverfahren etwa an den EU-Außengrenzen könnte das dazu führen, dass ihre Erfahrungen angezweifelt und Asylanträge abgelehnt würden, warnte die Solwodi-Vorsitzende Maria Decker. Als Folge würden besonders schutzbedürftige Frauen keinen Schutzstatus erhalten.
Forderung nach Investition in Integration
Das Deutsche Rote Kreuz fordert zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni von der Bundesregierung "nachhaltige und auskömmliche Investitionen in die Integration". "Notwendig wäre eine Investition deutlich über den 81,5 Millionen Euro der letzten Jahre, auch damit mehr Menschen von dieser integrationsfördernden Beratung profitieren können", sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). "Das Mindeste wäre, dass hier Kostensteigerungen zum Beispiel beim Personal gegenfinanziert werden."

Dass wichtige Programme in der Regel nur für ein Jahr finanziert würden, sei nicht tragfähig und erschwere unter anderem die Personalsuche, sagte Hasselfeldt weiter. Die Migrationsberatung benötige "Planbarkeit und eine ausreichende Ausstattung mit Mitteln". Die DRK-Chefin betonte, Migration sei eine bleibende Herausforderung, der mit dauerhaftem Engagement begegnet werden müsse. Das Deutsche Rote Kreuz bietet nach eigenen Angaben seit 28 Jahren eine Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer an.
Verdoppelte Zahl von Vertriebenen
"Die Zahl der Vertriebenen hat sich in den letzten zehn Jahren weltweit fast verdoppelt", erklärte UNHCR-Repräsentantin Katharina Thote am Donnerstag in Berlin. Obwohl die Preise kräftig gestiegen seien, habe das Flüchtlingshilfswerk in diesem Jahr vermutlich nur so viel Geld zur Verfügung wie 2015.
Das habe dramatische Folgen für viele Menschen: "Schwangere Frauen können oft nicht mehr angemessen versorgt werden und Kindern fehlen wichtige Medikamente", mahnte Thote. In einigen Aufnahmeländern müsse UNHCR die Gesundheitsversorgung selbst für die bedürftigsten Flüchtlinge streichen. Viele Familien äßen nur noch eine einfache Mahlzeit am Tag und Schulen für Flüchtlingskinder müssten schließen. "Das raubt diesen Mädchen und Jungen gleichsam die Zukunft", sagte die UNHCR-Repräsentantin.
"Es sind zum größten Teil die ökonomisch schwächeren Länder dieser Welt, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen", betonte die UNHCR-Vertreterin. 73 Prozent der Flüchtlinge lebten in Ländern mit geringer oder mittlerer Wirtschaftskraft. Das seien Länder, "die selbst schon genug Probleme haben und dennoch so vielen Menschen Schutz geben".