Die synodale Umgestaltung der einst streng hierarchisch und pyramidal aufgebauten katholischen Kirche soll weiter vorangebracht werden - und sie bleibt kompliziert. Das geht aus einem Grundsätze-Papier hervor, das der Vatikan am Montag ohne weitere mündliche Erklärungen veröffentlichte.
Wie kompliziert das Vorhaben bleibt, macht schon der Titel deutlich: "Tracce per la fase attuativa del sinodo" heißt es im Italienischen Original. Noch nie zuvor ist ein Vatikandokument im literarischen Genre "Tracce" erschienen, und so variieren die Übersetzungen dieser neuen Gattung zwischen "pathways" im Englischen, "pistes" im Französischen und "Skizzen" im Deutschen.
Kernstück ist fünfstufiger Fahrplan
Als Synthese bietet sich der Begriff "Weg-Skzizze" an, der deutlich macht, dass das Synodensekretariat unter Kardinal Mario Grech zwar die Richtung und auch Wegmarken vorgeben will; das alles aber tut er so, dass er dabei nicht als dirigistisch wahrgenommen wird. Deshalb wurde offenbar auf gängige Begriffe aus der Synodensprache wie "Leitlinien", "Arbeitspapier" und ähnliches verzichtet.
Kernstück des Papiers ist ein fünfstufiger Fahrplan für die kommenden dreieinhalb Jahre, an dessen Ende eine "allgemeine kirchliche Versammlung" im Oktober 2028 stehen soll. Im Vergleich zu dem am 15. März noch von Papst Franziskus in der Gemelli-Klinik genehmigten Fahrplan wurden die Stationen leicht gestrafft und verändert.
"Beteiligung des Volkes Gottes"
So sollen die Kontinentalversammlungen zur Bewertung der bisher erreichten Umsetzungen nun bereits bis Ende März 2028 abgeschlossen sein und nicht erst Ende Juni 2028. Zudem verzichtet der neue, von Papst Leo abgesegnete Fahrplan auf die Veröffentlichung eines "Instrumentum Laboris" (Arbeitspapier) für die große Abschlussversammlung. Ein solches Papier sollte ursprünglich im Juni 2028 veröffentlicht werden.
Dass es nun ersatzlos entfällt, deutet darauf hin, dass der neue Papst die "allgemeine kirchliche Versammlung" schärfer von einer Versammlung der Bischofssynode unterscheiden will - denn der Begriff "Instrumentum Laboris" ist eigentlich für Synodenversammlungen reserviert. Offen ist jedoch weiterhin, ob der Papst der neuartigen Versammlung mehr oder weniger Kompetenzen einräumen will als einer Bischofssynode. Auch davon hängt die Beantwortung der Frage ab, ob es ihm gelingt, die von einigen Kardinälen geforderte Komplementarität zwischen der "Beteiligung des Volkes Gottes" (in
Kirchenversammlungen) und den Beratungs-Kompetenzen des Bischofskollegiums (in der Bischofssynode) überzeugend und effizient zu organisieren.
Synoden-Schlussdokument als Fixstern
Keinen Zweifel lässt das Papier hingegen an der überragenden Stellung des Schlussdokuments der Weltsynode vom 26. Oktober 2024. Es soll für die kommenden Jahre die unverrückbare Vorgabe für alle Beteiligten sein. Von Papst Franziskus als erstes Synodendokument der Moderne unmittelbar in Kraft gesetzt sei es Teil des kirchlichen Lehramts und gebe dem Volk Gottes von nun an die Richtung vor, heißt es in dem Text. An anderer Stelle wird es als die zeitgemäße Verlängerung des
60 Jahre zurückliegenden Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) beschrieben.
Entsprechend groß ist der Nachdruck, mit dem eine breitere und tiefere Rezeption des Schlussdokuments von 2024 eingefordert wird. Es soll auf verschiedenen Ebenen intensiv studiert werden: "Da das Schlussdokument ein reichhaltiger und organischer Text ist, wird es angebracht sein (auf lokaler, nationaler oder regionaler Ebene), Momente und/oder Instrumente der Bildung, der Begleitung und des Leseleitfadens vorzusehen, die es erlauben, die Inhalte vertieft zu erfassen und nicht nur eine erste Vorstellung von den behandelten Themen zu bekommen."
Widerstände mit Argumenten überwinden
Offenbar erhoffen sich die Verfasser davon auch einen Beitrag zur inhaltlichen Überwindung von Kritik und Widerständen gegen die synodale Umgestaltung der Kirche. Diese Widerstände werden in dem Text erstaunlich offen eingeräumt. An diesem Punkt trägt der Text vermutlich die Handschrift von Papst Leo XIV., der die Überwindung von Rissen und Spaltungen in der Kirche als die vordringlichste Aufgabe seines Pontifikats definiert hat. Er setzt mehr auf Argumente und weniger auf Provokationen als sein mitunter impulsiv und ungeduldig wirkender Vorgänger.
Wörtlich heißt es in dem Text: "Andere in der Kirche fragen sich noch, wie sie die Umsetzungsphase angehen sollen, oder befinden sich in den ersten Schritten. Wir ermutigen sie, mutig voranzugehen und Widerständen und Schwierigkeiten, seien sie praktischer oder inhaltlicher Art, mit Freiheit und Weite zu begegnen: auch sie haben einen wertvollen Beitrag zu leisten, und es wäre ein Verlust für die Kirche als Ganzes, wenn ihre Stimme verstummen würde." Noch an einer weiteren Stelle kommt der Leo-Stil zum Tragen, der darin besteht, Konflikte nicht "wegzubeißen", sondern sie offen zur Sprache zu bringen und Synthesen anzustreben. Damit knüpft er an eine konstruktive Konflikt-Kultur an, die auch schon im Schlussdokument von 2024 ansatzweise enthalten war.
"Raum für lokale Experimente"
Mit Bezug auf die im Schlussdokument erwähnten Spannungen zwischen unterschiedlichen Polen und Prinzipien in der Kirche heißt es nun: "Die Umsetzung des Schlussdokuments erfordert, dass man sich mit diesen Spannungen auseinandersetzt und sie unter den Umständen, in denen jede Ortskirche lebt, wahrnimmt. Der Weg nach vorn besteht nicht darin, eine unmögliche Regelung anzustreben, die die Spannungen zum Vorteil eines der beiden Pole aufhebt. Vielmehr wird es im Hier und Jetzt jeder Ortskirche notwendig sein, herauszufinden, welches der möglichen Gleichgewichte einen dynamischeren Dienst der Sendung ermöglicht. Höchstwahrscheinlich werden an verschiedenen Orten unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden. Deshalb eröffnet das Schlussdokument in vielen Bereichen Raum für lokale Experimente (...) Die einzelnen Kirchen sind aufgefordert, von ihnen Gebrauch zu machen."
Einen Beitrag hat der neue Papst auch dort beigesteuert, wo es um die "Studiengruppen" (Arbeitskreise) geht, die bestimmte "heiße" Themen außerhalb des großen synodalen Prozesses mit besonderer theologischer und kirchenrechtlicher Expertise diskutieren und voranbringen sollen. Leo XIV. habe zwei weitere Studiengruppen hinzugefügt, so der Text. Die eine soll die Konsequenzen des synodalen Stils für die Feier der Gottesdienste bedenken - die bislang in vielen Ländern sehr klerikerzentriert und wenig synodal ist.
Papst: Status von Beratungsorganen klären
In der anderen Kommission soll es um den Status von hochrangigen kirchlichen Beratungsgremien gehen, die zwar real existieren, deren theologische Grundlagen und kirchenrechtliche Befugnisse aber bislang weitgehend ungeklärt sind. Das betrifft vor allem die Bischofskonferenzen und die unter Franziskus neu entstandenen "kirchlichen Versammlungen", aber auch die neuerdings wieder in Mode kommenden National-Konzile.
Hier scheint Leo anders als sein Vorgänger Franziskus die Dinge nicht länger "jesuitisch" in der Schwebe halten, sondern eine verbindliche Klärung herbeiführen zu wollen. Da die Abschlussversammlung im Oktober 2028 selbst als eine "kirchliche Versammlung" (und nicht als "Bischofssynode") angekündigt wurde, ist eine solche Klärung spätestens bis dahin unbedingt notwendig.
Keine Aussagen zum Synodalen Weg der Deutschen
Vieles andere hingegen bleibt hinsichtlich der Verfahrensweise und der angestrebten Termine eher skizzenhaft - ganz wie es dem Titel des Papiers entspricht. Gänzlich offen ist auch die Frage, ob und inwieweit der sehr spezielle "Synodale Weg" in Deutschland mitsamt seinen Beratungs- und Entscheidungsstrukturen mit dieser vatikanischen synodalen Weg-Skizze kompatibel ist. Immerhin betont das Papier, dass die jeweiligen Ortskirchen und Bischofskonferenzen je nach ihrem kulturellen und religiösen Umfeld sehr unterschiedliche Schritte gehen können.
Ob diese "legitime Pluralität" auch das deutsche Modell eines nationalen Beratungs- und Entscheidungsgremiums mit paritätischer Laienbeteiligung umfasst, bleibt abzuwarten. Dass es mittelfristig in Richtung einer Konvergenz von Weltsynode und deutschem Synodalen Weg gehen könnte, deutete der deutsche Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing in einer ersten Stellungnahme an. Darin nannte er es "erfreulich, weil so auch Papst Leo XIV. den synodalen Prozess und das Voranschreiten auf diesem Weg bestätigt". Bätzing rief die Kirche in Deutschland auf allen Ebenen dazu auf, das Schlussdokument der Weltsynode von 2024 "zu lesen und zu leben".