Wiener Kirchen laden bei Hitze zum Verweilen ein

"Es wird nicht kontrolliert, ob man betet"

Alte Kirchen bleiben dank ihrer dicken Mauern im Sommer meist angenehm kühl. Die Erzdiözese Wien lädt zum Besuch ein und bietet in einigen Gotteshäusern extra Angebote wie Liegestühle, Bücher, Apps und Ausmalbilder für Kinder.

Autor/in:
Carsten Döpp
Stephansdom in Wien / © Annika Schmitz (KNA)
Stephansdom in Wien / © Annika Schmitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie bieten Plätze zum Verweilen in kühlen Wiener Kirchen an. Warum bleibt es in Kirchen trotz der großen Hitze draußen immer angenehm kühl? 

Nikolaus Haselsteiner (Projektleiter Offene Kirche der Erzdiözese Wien): Das gilt nicht für alle Kirchen, sondern nur für Altbau-Kirchen, die bis 1750 gebaut wurden. Ab 1800 begannen die Leute mit Ziegeln zu bauen, was praktisch und billig ist, aber sich wie ein Backofen aufheizt. Die guten alten Kirchen sind aus dicken Steinen gebaut und dort bleibt es drinnen lange kühl. 

Im Winter ist das eher unangenehm. Im Sommer ist es eine große Freude. Wir laden ein, in Kirchen zu kommen. Aber wenn man enttäuscht ist, dass die Kirche warm ist, dann war man in einem Neubau, das gilt auch für Gründerzeitbauten. 

Nikolaus Haselsteiner

"Es gibt auch Kinderspielecken, sodass die Oma lesen und das Enkelchen Bildchen ausmalen kann."

DOMRADIO.DE: Die Erzdiözese Wien lädt dazu ein, spirituelle Erfahrungen mit sommerlicher Erfrischung zu verbinden. Was heißt das konkret? 

Haselsteiner: Das kann sehr unterschiedlich sein. Wir haben zum Beispiel Liegestühle, auf die ein Teil von Psalm 62 aufgedruckt ist ("Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe", Anm. d. Red.), da kann man sich reinsetzen. In einigen Kirchen liegen Bücher aus, sodass man ein bisschen lesen kann. Es gibt auch Kinderspielecken, sodass die Oma lesen und das Enkelchen Bildchen ausmalen kann und sich beide an der kühlen Kirche erfreuen können. 

Impulse gibt es zum Beispiel über eine App zum Wiener Glaubensweg / © Erzdiözese Wien
Impulse gibt es zum Beispiel über eine App zum Wiener Glaubensweg / © Erzdiözese Wien

Ein anderes Angebot ist, dass man mit einer Kirchbesuch-App geistliche Impulse aufs Handy bekommen kann, zum Beispiel Lieder oder Gebete. In der Wiener Innenstadt gibt es, weil Heiliges Jahr ist, einen eigenen Pilgerweg zum Dom, den Glaubensweg. Dort kann man von Ordensleuten in den unterschiedlichen Ordenskirchen immer einen Impuls zu einem der Heiligen aus diesem Orden bekommen. 

DOMRADIO.DE: Welche sind die besonders coolen Kirchen in Wien? 

Haselsteiner: Obwohl er nicht besonders kühl ist, sollte man in den Stephansdom gehen. Dort sind viele Touristen, die Türe steht immer offen. Es gibt im Dom aber die Krypta und unten beträgt die Temperatur immer noch unter 20 Grad. Ansonsten sind es die Kirchen, die etwas abseits, aber trotzdem sehr schön sind. 

Nikolaus Haselsteiner

"Wenn man einfach nur einen Krimi lesen wollte, kann man vielleicht trotzdem ein bisschen was vom lieben Gott mitnehmen."

In Maria am Gestade ist es kühl und man ist recht allein mit dem heiligen Clemens Maria Hofbauer. Auch die Dominikanerkirche ist ein bisschen abseits gelegen, in der Annakirche kann es noch kühl sein. Wichtig ist, die Touristen-Hotspots ein bisschen zu meiden, wenn man es kühl haben will. In Wien sind die Kirchen immer offen.

In Maria am Gestade ist es im Sommer angenehm kühl  / © Mistervlad (shutterstock)
In Maria am Gestade ist es im Sommer angenehm kühl / © Mistervlad ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Merken Sie, dass die Menschen vermehrt in die Kirchen flüchten, wenn es so heiß ist draußen? 

Haselsteiner: Ja, durchaus. Wie das Amen im Gebet kommt jedes Jahr im Sommer mit der ersten Hitzewelle die erste Panikwelle in den Medien: "Um Himmels willen, es wird heiß" steht in der Zeitung auf der Titelseite. Dann sieht man schon Leute, die mit ihrem Buch kommen oder so und sich in die Kirche setzen. 

Letztes Jahr hat der Kardinal dezidiert gesagt: 'Kommen Sie und wenn Sie nicht beten, beten Sie nicht, sondern freuen Sie sich an der kühlen Kirche.' Es wird nicht kontrolliert, ob man betet, das kann man zum Glück auch nicht. Vielmehr es ist eine echte Einladung, einfach zu kommen. Der Raum ist so schön und wenn man einfach nur einen Krimi lesen will, kann man vielleicht trotzdem ein bisschen was vom lieben Gott mitnehmen. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Erzdiözese Wien

Das Erzbistum Wien ist die von der Katholikenzahl her mit Abstand größte Diözese Österreichs. Sie umfasst das Bundesland Wien und die östliche Hälfte von Niederösterreich. Aufgrund der besonderen Größe und der unterschiedlichen Struktur dieser Gebiete ist die Diözese in drei Regionen, die Vikariate unterteilt, für die jeweils ein Bischofsvikar als Stellvertreter des Bischofs verantwortlich ist: 

 Stephansdom in Wien
 / © Annika Schmitz (KNA)
Stephansdom in Wien / © Annika Schmitz ( KNA )
Quelle:
DR

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