DOMRADIO.DE: Die Zwölf-Apostel-Linde, die in Gehrden im Kreis Höxter steht, ist eine uralte Winterlinde. Was macht diese Linde aus?
Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Die Zwölf-Apostel-Linde trägt diesen Namen, weil sie nicht einen ernstlichen Stamm bildet, sondern direkt über dem Boden sprossen einst direkt zwölf Äste, nämlich für die Zwölf Apostel aus dem Boden.
Es ist also kein normaler langer Stamm, es kommen zwölf Stämme aus dem Boden. Und das hat die Bewohner natürlich an die zwölf Apostel erinnert und so haben sie ihr den Namen gegeben.
DOMRADIO.DE: Heute hat dieser Baum aber gar nicht mehr zwölf Stämme, sondern nur noch elf.
Peters-Reimann: Das kann passieren, ein bisschen Schwund ist immer. Die Geschichte dazu, warum jetzt da nur noch elf statt zwölf Apostel wachsen, geht so: In den 1930er-Jahren gab es ein heftiges Gewitter. Und zwar an einem ganz besonderen Tag, nämlich am Karfreitag. Zur Todesstunde Jesu brach dieses Gewitter los und im Zuge dieses Gewitters ist dann einer der zwölf Äste abgebrochen.
Laut Kloster-Tradition und des Dorfes hat man diesen abgebrochenen Ast mit dem Apostel Judas assoziiert und den nannte man dann praktisch den abtrünnigen Judas. Da sind also nur noch elf Apostel übrig geblieben nach dem Gewitter an diesem Karfreitag.
DOMRADIO.DE: Wie alt ist eigentlich diese besondere Linde, über die wir sprechen?
Peters-Reimann: Das ist gar nicht so leicht. Normalerweise kann man Bäume ganz gut vom Alter her bestimmen, indem man einen Querschnitt in den Stamm klein und dünn hereinbohrt und dann die Jahresringe zählt. Das geht natürlich nicht, wenn ich einen zwölfteiligen Stamm habe.
Die Fachleute schätzen aber so zwischen 400 und 800 Jahre, also dass der Baum vielleicht sogar schon zur Klostergründung im Jahr 1142 gestanden haben könnte.
DOMRADIO.DE: Ist die Linde fit, kann sie ganz alleine dort stehen?
Peters-Reimann: Die ist fit, sie wird natürlich auch sehr gut gepflegt, weil sie auch in der Umgebung sehr bekannt und sehr geliebt ist. Dann gibt es Baumpfleger, die gucken, dass es der Linde gut geht.
Man hat praktisch an der Bruchstelle, wo der eine Apostel abgängig war, so eine Art Korsett gemacht, damit die Linde nicht weiter auseinanderbricht. Wenn man an der Stelle hereinschaut, dann kann man sehen, dass elf Stämme verblieben sind und dass der Rest innen hohl ist.
DOMRADIO.DE: Aber wenn er innen hohl ist, wie kann er stehen bleiben?
Peters-Reimann: Die sind relativ stabil. Die wachsen ja schon seit 400 bis 800 Jahren aus dem Boden und werden gut gepflegt. Dann kann auch eine Linde sehr alt werden. Einst gab es um diesen Stamm herum eine alte Wendeltreppe. Die hat man im Zuge der Baumpflegearbeiten abgenommen.
Diese Wendeltreppe führte rund um den Stamm herum und dann kam man in den Baum hinein, sozusagen auf eine Holzplattform. In der Mitte war eine Art inneres Baumhaus, das einst den Nonnen des Klosters als Meditations- und Gebetsort diente. Ganz was Schönes, ein ganz besonderer Meditationsort, würde ich mal sagen. Kaum einer hat einen solch schönen Meditationsplatz.
DOMRADIO.DE: Gibt es solche Apostel-Linden auch noch an anderen Orten oder ist dieser Baum im Kreis Höxter der einzige?
Peters-Reimann: Nein, es gibt jede Menge Apostel-Linden. Auch in Deutschland haben wir noch einige. Manche hat man auch technisch hergestellt. Man hat dann direkt über dem Boden den Stamm gekappt. Dann treibt ein gesunder und starker, natürlicher Baum aus.
Und dann hat man zwölf von den Austrieben stehen lassen und künstliche Zwölf-Apostel-Linden geschaffen. Das geht auch.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.