Theologin Vering hat im "Wort zum Sonntag" ihre Bestimmung gefunden

"Angreifbar, aber auch greifbar"

Johanna Vering spricht seit einem halben Jahr das "Wort zum Sonntag" und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in ihren Impulsen "radikal bei den Menschen zu sein". Mutig greift sie dabei auch heikle Themen auf, wie sie im Podcast erzählt.

Autor/in:
Verena Tröster
Johanna Vering / © Das Wort zum Sonntag (WDR/ARD-Foto)

Himmelklar: Das "Wort zum Sonntag" ist gefühlt die Krönung dessen, was Sie in der kirchlichen Verkündigung tun, oder?

Johanna Vering (Sprecherin bei "Das Wort zum Sonntag", zuständig für die Rundfunkarbeit im Bistum Münster, Theologin, Pastoralreferentin): Es ist etwas Neues und es ist etwas wirklich Tolles und Cooles für mich.

Ich habe so eine kleine Zusatzausbildung, so eine journalistische Ausbildung für Theolog:innen im ifp (Journalistenschule, d. Red.) in München gemacht. Damals hatten wir eine Woche zum Thema Verkündigung im Fernsehen. Da war Stephan Born da, der das auch evangelischerseits koordiniert und der Profi rund um das "Wort zum Sonntag" ist. Da habe ich nachher gesagt: "Herr Born, wenn beim 'Wort zum Sonntag' mal ein Platz frei ist, das will ich machen."

Von daher ist vielleicht Krönung für mich persönlich schon richtig im Sinne davon, dass ich da mal hinwollte. Jetzt hat das funktioniert und das ist richtig toll.

Himmelklar: War das also ein Traum, das irgendwann mal machen zu können?

Vering: Ja, das war so etwas wie ein Ziel. Diese Kameraarbeit in der einen Woche hat mir so Spaß gemacht. Und dann zu wissen: Wir haben da ein großes Format im Öffentlich-Rechtlichen, das wäre doch mal was, vielleicht klappt das.

Viele Jahre war das weg aus meinem Kopf. Und dann kam das Thema auf den Tisch und dann musste ich schon meinen Hut in den Ring schmeißen.

Himmelklar: 1,2 Millionen Menschen erreicht das Wort zum Sonntag. Mehr geht nicht, oder?

Vering: Wir haben ein paar Radio-Verkündigungen auf den großen öffentlich-rechtlichen Wellen, die auch solche Einschaltquoten haben. Das ist aber im Fernsehen das größte.

Himmelklar: Das heißt, dass Sie ab jetzt drei Jahre lang alle zwei Monate etwas liefern müssen. Was soll bei den Zuschauern im besten Fall ankommen?

Johanna Vering

"Es gibt diese Trias aus Trost, Ermutigung und Lebenshilfe. Nicht jede Verkündigung kann alle drei schaffen, aber eines davon muss gegeben sein."

Vering: Es kommt immer darauf an, was gerade in der Welt los ist und was in der Luft liegt. Es gibt diese Trias aus Trost, Ermutigung und Lebenshilfe. Nicht jede Verkündigung kann alle drei schaffen, aber eines davon muss gegeben sein.

Ich kann also durchaus ein heißes Eisen anpacken und ich kann auch sagen, wenn mir etwas stinkt, aber ich will unbedingt, dass am Ende ein positiver Ausblick steht oder ein Beispiel dafür, wie ich versuche, Dinge aus meiner christlichen Grundüberzeugung anzugehen.

Die Themen fliegen einem so zu oder es gibt auch was, das ich schon lange im Kopf habe und wovon ich denke: Das will ich unbedingt mal besprechen oder thematisieren und dann kommt das.

Himmelklar: Sie sind auch mit Andachten auf vielen anderen Wellen vertreten. Bei 1LIVE zum Beispiel habe ich eine Andacht von Ihnen mit dem Titel "Abortion Buddy" gehört. Da geht es um eine Initiative von Frauen, die Hilfe und Begleitung anbietet, wenn jemand sich gezwungen sieht abzutreiben. Mutig, so ein Thema im Rahmen von Kirche anzugehen. Fühlen Sie sich auch mutig in diesen Andachten auf dieser Plattform? 

Vering: Das ist eine gute Frage. Ich fühle mich manchmal ermutigt und dann packe ich solche Themen an. Ich habe ja immer redaktionelle Begleitung. Keiner meiner Beiträge geht einfach direkt aus meiner Feder auf Sendung, sondern da gibt es ja einen redaktionellen Prozess. Und da gibt es Absprachen sowohl mit kirchlichen Redakteur:innen als auch mit dem Sender, weil die natürlich auch gucken müssen, was über die Welle läuft. Gerade bei dem Beitrag hat es vorher intensive Absprachen gegeben. 

Johanna Vering

"Was mich zutiefst prägt, ist, dass Jesus radikal bei den Menschen war, radikal bei den Menschen und bei Gott."

Und was mich zutiefst prägt, ist, dass Jesus radikal bei den Menschen war, radikal bei den Menschen und bei Gott. Das ermutigt mich, auch solche Themen anzupacken. 

Himmelklar: Was für Reaktionen gab es darauf, wissen Sie das noch? 

Vering: Ja, klar. Ich habe den Beitrag angefangen mit: Achtung, ich habe ein schwieriges Thema, weil schon auch wichtig ist, das war auch dem Sender wichtig, dass Menschen, die in irgendeiner Weise betroffen sind von diesem Thema Abtreibung, Schwangerschaftsabbrüche, sich herausziehen können und das Radio abschalten können, wenn es nicht geht. 

Viele Christenmenschen oder Menschen, die im besten Sinne konservativ sind, für die das Thema keines ist, weil man es nicht darf, für die war das ein Schritt zu viel. Für viele kirchliche Menschen ist es auch dann zu viel. 

Und mein Ziel dieses Beitrags war nicht zu sagen: Leute, Abtreibungen sind doch kein Problem. Im Gegenteil, es war zu sagen: In manchen Situationen gibt es eine Notwendigkeit, eine Schwangerschaft zu beenden und dann Menschen nicht alleine zu lassen, sondern da zu sein in vermutlich der größten Krise ihres Lebens, das ist für mich Christentum par excellence. Da traue ich mich dann schon, über solche Dinge zu sprechen.

Himmelklar: Kann man da im Radio noch ein bisschen leichter an Grenzen gehen, als man das im Fernsehen zum Beispiel kann?

Vering: Ja, das ist so, aber das liegt an der Zielgruppe. Das liegt nicht an einer Ermutigung oder an einer Lust oder Interesse, Themen anzugehen, sondern da ist ganz klassisch, dass wir völlig unterschiedliche Zielgruppen im Blick haben bei den Verkündigungen. 

Natürlich zeige ich im Radio kein Gesicht, aber ich bringe meine Stimme und ich empfinde Radio manchmal als intimer als Fernsehen, weil natürlich Radio zum einen über die Geräte gehört wird, nach wie vor im Auto, aber ganz viel ja auch mit den Kopfhörern direkt aufs Ohr kommt. Und das ist wirklich eine Zweisamkeit, die da geschaffen wird. Und dann solche Themen anzusprechen oder überhaupt Themen, da muten wir den Menschen oder uns manchmal richtig was zu. Über Stimme kann das sehr intim sein. 

Im Fernsehen zeige ich mich natürlich noch mehr, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht und Person zeige und eben nicht nur meine Stimme. Ich würde aber nicht sagen, dass mich das vor Themen zurückschrecken lässt, sondern da geht es wirklich darum, welche Menschen zusehen und zuhören. 

Himmelklar: Muss man da auch ein bisschen ein dickes Fell haben. Man macht sich ja doch sehr angreifbar. 

Johanna Vering

"Für mich ist Verkündigung schon sich zeigen, nicht nur mit Stimme, sondern dann auch körperlich."

Vering: Ja, aber man macht sich auch greifbar und begreifbar. Also für mich ist Verkündigung schon sich zeigen, nicht nur mit Stimme, sondern dann auch körperlich. Das ist kein Problem, das wollte ich gerne, das kann ich. 

Himmelklar: "Menschenwürde" ist Ihr Thema, das merkt man. Sie stehen ein für  Menschen, die am Rand stehen, zum Beispiel auch für Transmenschen und für nicht-binäre Personen. Das sind immer wieder Themen, mit denen die Kirche ein Problem hat, oder? 

Vering: Ich würde sagen, das sind Themen, bei denen die Kirche nach und nach auf die Spur kommt, wie wichtig und wie relevant sie sind, und dass sich da in Einstellungen und Theologie Dinge verändern. 

Und dass ich als Theologin, die auch bei der Kirche angestellt ist, die Möglichkeit habe, meine Theologie zu sagen, das finde ich richtig gut. Ich könnte auch zurückgepfiffen werden. Und das ist bis jetzt nicht passiert. 

Das ist wirklich das, was mich trägt. Wenn wir nicht für die Menschenwürde eintreten und uns starkmachen, dann weiß ich nicht, wer sonst. Ich bin zutiefst getragen von dem Gedanken, dass wir gut sind und dass wir von Gott geliebt sind. Und es ist völlig wurscht, wie wir leben und wie wir lieben. Und ob wir uns in unserer primären, geschlechtlichen Ausgestaltung wohlfühlen oder ob wir die im Laufe des Lebens ändern, das ist sowas von irrelevant. 

Wichtig ist, dass es uns gut geht und dass wir miteinander gut auskommen. Das finde ich extrem wichtig. Das Thema, das stelle ich schon fest, zieht sich auch immer wieder durch. Gesellschaftliches Zusammenleben ist ein Thema, das mich unheimlich beschäftigt und das aber daraus resultiert: Wie gehen wir miteinander um und wie wollen wir leben?

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Himmelklar (DR)
Himmelklar / ( DR )
Quelle:
DR

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