Starkoch Franz schildert Alltag seiner Familie unter Raketen in Israel

"Meine Kinder haben offen Angst"

In Israel ist er für seine koscheren Rezepte berühmt. Der aus Erftstadt stammende Tom Franz lebt seit Jahren in dem Land. Jetzt sitzt er ohne Familie in Deutschland wegen der iranischen Raketen fest. Wie erlebt er die Situation?

Autor/in:
Dagmar Peters
Das israelische Luftabwehrsystem Iron Dome feuert, um Raketen über Tel Aviv abzufangen. / © Ohad Zwigenberg/AP (dpa)
Das israelische Luftabwehrsystem Iron Dome feuert, um Raketen über Tel Aviv abzufangen. / © Ohad Zwigenberg/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Deine Frau ist natürlich nicht begeistert, dass du gerade jetzt in Deutschland bist – und nicht bei ihr und den Kindern. Ihr steht aber in Kontakt. Was macht das mit dir, wenn du in Sicherheit bist und deine Familie sich zum Beispiel im Schutzraum aufhalten muss?

Tom Franz (DR)
Tom Franz / ( DR )

Tom Franz (Rechtsanwalt, Buchautor und Sieger der israelischen Kochshow "Masterchef"): Natürlich wäre ich lieber in Israel bei meiner Familie. Denn die Lage ist zum ersten Mal wirklich gefährlich. Der Krieg, der schon seit über eineinhalb Jahren andauert, hat unser Leben stark geprägt. Aber jetzt ist es eine andere Liga von Bedrohung, die man täglich spürt: Bombenalarm, Menschen fliehen in Schutzräume, Häuser werden zerstört, Menschen getötet und verletzt. Zu wissen, dass meine Kinder Angst haben und meine Frau unter Stress steht, ist für mich sehr belastend.

DOMRADIO.DE: Du bist mit deiner Frau in Kontakt. Wie nimmt sie die Lage wahr und wie ist ihr Alltag mit den Kindern?

Franz: Ich glaube, unsere Wahrnehmung ist sehr ähnlich, weil wir die gleichen Informationsquellen nutzen. Ich bekomme zeitgleich dieselben Alarme auf mein Handy wie meine Frau. Ich weiß genau, wann sie im Schutzraum ist. Aber natürlich ist es etwas anderes, wenn man wie sie vor Ort ist – mit fünf Kindern zwischen vier und 13 Jahren. Die Kinder haben offen Angst. Sie sind nicht alt genug, um damit einfach klarzukommen. Auch Erwachsene können das kaum. Die Angst zeigt sich dann auch im Verhalten: Sie werden unruhig, sind nervös und streiten öfter. Das macht es für meine Frau schwer.

DOMRADIO.DE: Wenn die Familie in den Schutzraum geht – verstehen die Kleineren überhaupt, dass das gefährlich ist?

Tom Franz

"Ganz Israel weiß um seinen Status im Nahen Osten und ist darauf vorbereitet. Es ist nichts Neues, dass man ständig mit Angriffen rechnen muss."

Franz: Ja, das verstehen sie. Es klingt seltsam, aber wir sind den Krieg ja schon gewohnt – leider. Seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober hat sich die Bedrohung nochmals verschärft. Ich lebe seit 20 Jahren in Israel und habe immer wieder erlebt, dass auch Tel Aviv, wo ich damals lebte, oder Ra’anana, wo ich jetzt lebe, beschossen werden. Ich habe das mit Kleinkindern erlebt – im Auto, auf der Straße, im Park. Dann legt man sich einfach auf den Boden und sieht am Himmel die Rakete, die abgeschossen wird. Es gibt einen Knall, Bruchstücke fallen herunter. Jetzt sind es nicht mehr nur Bruchstücke, sondern große Raketen mit bis zu einer Tonne Sprengstoff.

DOMRADIO.DE: Werden die Schutzmaßnahmen aktuell verstärkt?

Franz: Ganz Israel weiß um seinen Status im Nahen Osten und ist darauf vorbereitet. Es ist nichts Neues, dass man ständig mit Angriffen rechnen muss. Die Häuser sind alle so gebaut, dass es einen Schutzraum gibt – oft ein ganzes Stockwerk, je nach Größe des Gebäudes. Wenn meine Familie und ich in unseren Schutzraum gehen, dann gehen wir tatsächlich in eines unserer Kinderzimmer. Wir müssen nicht mal das Haus verlassen. 

Wenn jetzt die Rede von höheren Schutzvorkehrungen ist, geht es darum, dass die Menschen diszipliniert und schnell reagieren, wenn Alarm geschlagen wird. Früher, zum Beispiel in Tel Aviv, blieben manche einfach im Café sitzen – mit dem Gedanken: Es wird schon nichts passieren. Heute ist das anders.

DOMRADIO.DE: Der Ausnahmezustand ist also Alltag geworden. Ändert das auch den Schabbat?

Franz: Ja, das ist spürbar. Der Schabbat beginnt etwas vor Sonnenuntergang am Freitagabend und endet, wenn man drei Sterne am Himmel sieht – also nach rund 25 Stunden. In meinem Fall ging der letzte sogar 27 Stunden, weil es hier in Deutschland so lange hell war. Ich habe darauf gewartet, endlich mein Handy wieder einschalten und mit meiner Frau sprechen zu können.

DOMRADIO.DE: Das Handy 25 Stunden auszuschalten – ist das nicht schwer, gerade in der aktuellen Situation?

Franz: Es ist eine wunderbare Sache, das Handy einmal in der Woche auszuschalten. Man schaut dann nicht ständig drauf, ist nicht abgelenkt – das ist sehr gesund. Für Notfälle gibt es religiöse Radiosender, die während des Schabbats still bleiben, aber bei Alarm wichtige Informationen senden. Zum Beispiel, wo gerade Alarm ist und wie man sich verhalten soll.

Tom Franz

"Die meisten, die hier in jüdischen Gemeinden leben, tragen ihre religiösen Symbole nicht offen."

DOMRADIO.DE: Hast du schon mal darüber nachgedacht, mit deiner Familie nach Deutschland zu kommen?

Franz: Nach dem 7. Oktober gab es Momente, in denen wir uns sehr unwohl fühlten, weil wir nicht wussten, wohin sich die Lage entwickelt. Da haben wir schon drüber nachgedacht. Aber wirklich wegzugehen, darüber habe ich nicht nachgedacht. Irgendwie fühlt es sich nach weglaufen und nicht gut an. Das war für mich bisher keine Option.

Ich frage mich auch, ob ich in Deutschland als Jude so religiös leben kann wie in Israel. Und wo? Ich trage hier in Deutschland eine Baseball-Kappe, um meine Kippa zu verbergen. Die trage ich in Israel nicht. Und die Schaufäden habe ich in die Hose gesteckt, damit ich nicht angefeindet werde.

DOMRADIO.DE: Also ist es schwierig, die Religion in Deutschland öffentlich zu zeigen?

Franz: Die meisten, die hier in jüdischen Gemeinden leben, tragen ihre religiösen Symbole nicht offen – außer die, die es nicht verbergen können, wie ultraorthodoxe Juden. Die sind durch ihre Kleidung sofort erkennbar. Alle anderen verzichten meist darauf.

DOMRADIO.DE: In Israel dagegen kannst du deine Religion leben. Dort gibt es aber die Raketen. Wann wäre für dich der Punkt erreicht, an dem du mit der Familie gehst?

Franz: Dafür müsste es noch viel härter kommen. Ich glaube, wir bleiben. Aber es gab eine gewisse Abwanderung in letzter Zeit. Wer nicht religiös ist und keine spirituelle Verbindung zu Israel hat, tut sich schwer zu verstehen, warum man bleiben sollte.

DOMRADIO.DE: Du bist Koch und hast ein neues Buch mitgebracht. Was bietet es?

Franz: Ich habe mir mit dem Kochbuch einen Wunsch erfüllt. Das Buch dreht sich um das israelische Frühstück. Das ist eine Liga für sich. Das sind alles wunderbare Gerichte, die auf dem Frühstückstisch gehören oder gehören können. Diese Gerichte sind vielseitig – sie passen zum Frühstück, zum Brunch oder zum Abendessen. Sie sind zeitlos.

Tom Franz

"Ich würde es nicht als Fest sitzen bezeichnen, wenn ich wüsste, wann ich zurückkann."

Vielleicht kann man auch sagen, dass das Essen ist, was man gut morgens essen kann. Anders als zum Beispiel Cornflakes oder Müsli. Da würde ich sagen, dass das nur morgens geht. Es ist mein drittes Kochbuch. Aller guten Dinge sind drei, das ist das Dritte und für mich das Beste. Kulinarisch ist es stark, auch mit den Bildern.

DOMRADIO.DE: Wahrscheinlich gibt es auch ein Festessen, wenn du wieder bei deiner Familie bist. Hast du schon eine Ahnung, wie lange du noch in Deutschland festsitzt?

Franz: Ich würde es nicht als Festsitzen bezeichnen, wenn ich wüsste, wann ich zurück kann. Selbst die halbstaatliche Fluggesellschaft El Al fliegt gerade nicht. Mein Flug wurde gestrichen. So wie ich sitzen viele im Ausland fest – manche auf Flughäfen oder in Hotels. Ich habe Glück: Ich bin bei meinem Vater. Ich hoffe, dass es bald wieder Flüge von der El AL gibt und dann hoffe ich, dass ich ein Flugticket bekomme. Ansonsten schaue ich nach Alternativen. Zum Beispiel über Zypern, den Sinai oder wie auch immer. Es bleibt spannend.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Eskalation zwischen Israel und Iran

Im Streit über das iranische Atomprogramm hofften viele auf eine diplomatische Lösung. Nun greift Israel an, der Iran schlägt zurück.

Das israelische Luftabwehrsystem "Iron Dome" feuert, um vom Iran abgefeuerte Raketen in der Nacht zum 14. April 2024 abzufangen. / © Tomer Neuberg/AP (dpa)
Das israelische Luftabwehrsystem "Iron Dome" feuert, um vom Iran abgefeuerte Raketen in der Nacht zum 14. April 2024 abzufangen. / © Tomer Neuberg/AP ( dpa )
Quelle:
DR

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