DOMRADIO.DE: Am nächsten Sonntag wird Papst Leo XIV. feierlich ins Amt eingeführt. Wer wird aus dem politischen Berlin auf dem Petersplatz sein?
Alexander Riedel (Hauptstadtkorrespondent der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA): Es werden Staats- und Regierungschefs aus aller Welt erwartet, auch aus Deutschland. Noch ist allerdings nichts offiziell, aber es gibt Anzeichen, dass der neue Bundeskanzler Merz zur Amtseinführung von Papst Leo XIV. reisen wird. Merz war als Kanzler in spe Ende April nicht bei der Beisetzung von Papst Franziskus dabei. Das hat durchaus für Aufsehen gesorgt: nicht nur, weil Merz Katholik ist, sondern auch, weil solche Anlässe immer Gelegenheiten sind, um mit anderen Staats- und Regierungschefs am Rande Gespräche zu führen. Man erinnere sich an das Gespräch von US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj am Rande der Beisetzung.
Trump könnte wiederkommen zur Amtseinführung, schließlich wird erstmals ein US-Amerikaner feierlich in das höchste Amt der katholischen Kirche eingeführt. Das könnte für Merz eine Gelegenheit sein, ihn persönlich zu treffen. Zusätzlich könnte er, wenn er nach Rom und zum Petersplatz reisen sollte, damit zeigen, dass das C im Namen der CDU, also christlich, für ihn noch eine Bedeutung hat.
DOMRADIO.DE: Wird die Papstwahl in der deutschen Hauptstadt wahrgenommen?
Riedel: Wahrgenommen auf jeden Fall. Gestern hat zum Beispiel Erzbischof Heiner Koch in Berlin zu einem Dankgottesdienst für die Wahl in die Sankt-Hedwigs-Kathedrale eingeladen. Außerdem gab es einige Gratulationen aus dem politischen Berlin. Nicht nur die, die man protokollarisch erwartet von Bundeskanzler und Bundespräsident, sondern auch zum Beispiel vom neuen Außenminister Johann Wadephul oder der Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan. Auch das Bundesinnenministerium zum hat in Sozialen Medien zur Wahl gratuliert.
Das mag damit zusammenhängen, dass in der neuen Bundesregierung mehr Katholikinnen und Katholiken am Kabinettstisch sitzen, als das unter der Ampelregierung der Fall war. Inklusive Merz haben in der vergangenen Woche 14 Regierungsmitglieder vor dem Bundestag ihren Eid mit der bekannten Formel "So wahr mir Gott helfe" geschworen. Neun Katholiken gibt es in der Regierung.
DOMRADIO.DE: Nach der turbulenten Kanzlerwahl kommt der Bundestag diese Woche zur ersten vollen Sitzungswoche mit neuer Bundesregierung zusammen. Was ist zu erwarten?
Riedel: Die Abgeordneten sind in den Startlöchern, sie wollen mit der parlamentarischen Arbeit loslegen. Diese Woche wird der Bundestag voraussichtlich auch endlich die Ausschüsse einsetzen, die für die Arbeit sehr wichtig sind. Das hatte die Opposition zuletzt schon vehement eingefordert.
Zunächst wird am Mittwoch aber der neue Kanzler eine Regierungserklärung halten und dazu gibt es im Plenum die erste Aussprache. Für die Oppositionsführer ist das die erste Gelegenheit, vom Redepult aus im Bundestag ihre Kritik zu formulieren am Regierungsprogramm von CDU, CSU und SPD. Nach dieser Regierungserklärung des Kanzlers werden alle Bundesministerinnen und Bundesminister einzeln ihre Pläne vor den Abgeordneten vorstellen. Mit jeweiliger Aussprache dauert das bis Freitag.
DOMRADIO.DE: In den ersten Tagen war der neue Kanzler Merz schon viel unterwegs: Paris, Warschau, Brüssel, Kiew. Steht außer der möglichen Reise nach Rom schon etwas auf seinem Programm?
Riedel: Ende der Woche ist ein Spitzentreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft geplant, ein eintägiger Gipfel in der albanischen Hauptstadt Tirana. Das ist eine relativ junge Plattform für alle europäischen Länder, die die Werte der EU teilen. Die EU ist auch mit dabei. Da könnte Merz eventuell hinreisen, solange nichts dazwischenkommt. Mit der Ukraine weiß man nie so genau.
Offiziell werden seine Termine, die bislang feststehen, am Montag bekannt gegeben. In der Bundespressekonferenz vor der berühmten blauen Wand hier in Berlin gibt es die erste Regierungspressekonferenz der neuen Regierung. Der neue Regierungssprecher Stefan Kornelius wird dabei sein, er war bisher Leiter des Politikressorts der Süddeutschen Zeitung.
Er wird erstmals uns Hauptstadtjournalisten Rede und Antwort stehen und die Termine des Kanzlers bekannt geben. Was weitere Reisen angeht: Merz hat schon mit Trump telefoniert. Eventuell steht auch bald eine Reise in die USA an: Er will eigentlich noch vor dem G7-Gipfel Mitte Juni in Kanada dorthin reisen.
DOMRADIO.DE: Zeichnet sich schon ab, welche Themen die Regierung als erstes angehen wird?
Riedel: Vergangene Woche hat Innenminister Dobrindt schon die Grenzkontrollen verschärft. Migrationspolitik ist sicherlich ein großes Thema. Das stand zusammen mit Impulsen für die Wirtschaft immer ganz oben auf der Prioritätenliste der neuen Regierung. Ein anderes wichtiges Thema ist sicher die Aufstellung eines Haushalts für dieses Jahr. Wegen des Ampelbruchs haben wir immer noch eine vorläufige Haushaltsführung. Das heißt, es gibt keine neuen Projekte, die finanziert werden.
Bundesfinanzminister und Vizekanzler Klingbeil von der SPD hat schon angekündigt, vor der Sommerpause den Haushaltsentwurf vorlegen zu wollen. Bis der beschlossen wird vom Bundestag, dauert es allerdings noch.
Ein anderes Thema ist sicherlich auch ein mögliches AfD-Verbotsverfahren. Am Wochenende gab es die Demonstrationen in vielen Städten. Die Bundesregierung könnte ein solches Verfahren beantragen. Die Demos zeigen, dass der öffentliche Druck da ist. Allerdings gibt es momentan noch juristischen Streit um die Einstufung des Bundesverfassungsschutzes der AfD als gesichert rechtsextrem. Insofern schätze ich, dass die Regierung erst mal abwarten wird, was die Gerichte entscheiden, bevor es zu einem Verbotsverfahren kommt.
Das Interview führte Carsten Döpp.