Religionswissenschaftlerin sucht Perspektiven für das Diakonat

Diakonie und Diakonat bei Franziskus

Wie wird zur Frage eines möglichen Frauendiakonats nach Papst Franziskus entschieden, welche anderen Perspektiven könnte es geben? Religionswissenschaftlerin Barbara Hallensleben sucht mögliche Anknüpfungspunkte in Franziskus' Denken.

Autor/in:
Barbara Hallensleben
Eine Diakonstola / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Diakonstola / © Harald Oppitz ( KNA )

Als ich mich auf die Arbeit in der Päpstlichen Kommission zur Prüfung der Zulassung von Frauen zum Diakonat vorbereitete, entdeckte ich das italienische Buch von Enzo Petrolino über "Diakonat in der Sicht von Papst Franziskus“ und begann es zu übersetzen.* Der Autor ist ständiger Diakon und Vorsitzender der Diakonatsgemeinschaft in Italien.

Petrolino hat eine großartige Sammlung aller relevanten Äußerungen der Päpste seit dem Zweiten Vaticanum zusammengestellt und auch die Aussagen von Kardinal Bergoglio als Erzbischof von Buenos Aires berücksichtigt. Das italienische Originalwerk wurde 2017 publiziert. Ich habe es durch neuere Texte, Kommentare und ein Quellenverzeichnis ergänzt und aktualisiert. Als am Ostermontag morgen die Nachricht vom Heimgang von Papst Franziskus kam, schrieb ich gerade die letzten Sätze meines Vorworts - ein bewegender Moment.

Die Arbeit mit dem Buch begann mit einer Enttäuschung, die sich zu einer entscheidenden Einsicht wandelte: Die ausdrücklichen Aussagen von Papst Franziskus zum Diakonat, gar zum Frauendiakonat, sind spärlich und theologisch unergiebig. Die Position des Papstes beruht auf zwei sehr einfachen Säulen: 1) Frauen können nach lehramtlicher Tradition nicht zur sakramentalen Weihe zugelassen werden. 2) Aus einer eher zufälligen Begegnung mit einem syrischen Priester hat Franziskus gelernt, dass die frühchristliche Tradition von diakonalen Diensten von Frauen keinesfalls eindeutig auf einer Teilhabe am sakramentalen Ordo beruhe.

Aus diesen Annahmen resultiert das entschiedene "Nein“ zum Frauendiakonat in einem Fernsehinterview am 23. Mai 2025: "Wenn es um geweihte Diakone geht, dann nein.“ Doch Franziskus setzte fort: "Aber Frauen haben schon immer, würde ich sagen, Aufgaben einer Diakonin übernommen, ohne Diakonin zu sein. Frauen sind großartig im Dienst als Frauen, aber nicht im Dienst mit Weihe“. Unabhängig davon, wie man zu dieser Aussage steht, bin ich sicher: Papst Franziskus hätte daran während seines Pontifikats nichts geändert. Gibt es also zukunftsweisende Anknüpfungspunkte in seinem Denken?

1) Diakonie als christliche Lebensform

Als Papst Franziskus 2023 das Vikariat von Rom, seiner Diözese, neu ordnete, erklärte er in einer ganz unjuridischen Weise Diakonie zur Grundgestalt aller Dienste - vom Kardinalvikar bis zum Reinigungspersonal: "Ungeachtet der Unterscheidung der Aufgaben und der Verantwortung, die jedem zukommt, sollen alle, die unter irgendeinem Titel in den Amtseinrichtungen des Vikariats der Stadt Rom tätig sind und nach Frömmigkeit, Befähigung, Eifer und pastoraler Erfahrung ausgewählt werden, ihre wertvolle Mitarbeit im Geiste des Dienens leisten und sich an der Diakonie Christi orientieren, der gekommen ist, um zu dienen und nicht, um sich dienen zu lassen (Mt 20,28; Mk 10,45).“

Diese Anordnung für seine Diözese steht exemplarisch für seinen Wunsch an die gesamte Kirche: Diakonie ist für Franziskus nicht ein Sektor kirchlicher Sozialarbeit, sondern die christliche Lebensform in der Nachfolge Christi, zu dessen bevorzugten Titeln im Neuen Testament diakonos (Diener) und doulos (Knecht, Sklave) gehört. Die besondere Zuwendung zu denjenigen, die es am nötigsten haben, ist nur die innere Konsequenz der unspektakulären, alltäglichen Gleichförmigkeit mit der göttlichen Zuwendung, die auf das Heil aller Menschen, ja der ganzen Schöpfung zielt.

Die erste wegweisende Rezeption des II. Vaticanums war die Diakonie in der lateinamerikanischen Gestalt der "Option für die Armen“, verbunden mit der Errichtung von kleinen christlichen Gemeinschaften, in denen der Glaube im Alltag geteilt wird. Warum auch immer dieser Aufbruch seine ursprüngliche Strahlkraft verloren hat - der Papst hat ihn nicht vergessen. Mag auch die Form kirchlicher Erneuerung "Synodalität“ heißen, ihr Inhalt ist die Diakonie!

2) Diakonat als Grundform des Ordo

Im Diakonat kristallisiert sich die große Verwirrung, die das Zweite Vatikanische Konzil in Bezug auf das sakramentale Dienstamt hinterlassen hat. In Verbindung mit der Neuerrichtung des ständigen Diakonats hat das Konzil entschieden, im dreifachen Weihesakrament eine Differenzierung einzuführen: Priester und Bischöfe werden geweiht "ad sacerdotium“, Diakone "ad ministerium“ (LG 29). Doch was nun?

Sind Bischöfe und Priester jetzt keine "Diener“ mehr? Da "sacerdotium“ auf Deutsch als "Priestertum“ übersetzt wird, im Lateinischen aber Priester (eigentlich Presbyter!) und Bischöfe umfasst, kommt es zu sinnentstellenden Fehlern sogar im Katechismus der Katholischen Kirche. Wenn Diakone Christus nicht als "Haupt der Kirche“ repräsentieren, was spricht dann noch gegen die Diakonatsweihe von Frauen? Wie aber soll die Einheit, ja der Sinn des Weihesakraments festgehalten werden, wenn gerade im Diakonat keine Differenz mehr besteht zwischen der Christusrepräsentanz aller Getauften und den sakramental Geweihten?

Für Papst Franziskus sind die Prioritäten klar: Der Diakonat (als Grundform des Weihesakraments) steht im Dienst der Diakonie (als Berufung des ganzen Gottesvolkes). Er widerspricht entschieden der unglücklichen Sprachentwicklung, die neben den "ständigen Diakonen“ nun "vorübergehende Diakone“ auf dem Weg zum Priestertum kennt: Ihr bleibt Diakone, insistierte er gegenüber Presbytern und Bischöfen, ihr steigt die Stufen des Altares nicht hinauf, sondern hinab, betonte er und trug als Papst bei der Fußwaschung jeweils die Diakonatsstola.

Dem Diakon ist gerade nicht exklusiv die Sozialarbeit anvertraut, sondern er reproduziert gleichsam in der Form des "reinen Dienens“ alle Dimensionen kirchlicher Sendung: Den Diakonen ist die "Diakonie der Liturgie, der Predigt und der (Nächsten)Liebe“ anvertraut (LG 29). Stephanus und Philippus zeichnen sich in der Apostelgeschichte gerade durch ihren "Dienst am Wort“ und nicht nur "an den Tischen“ aus!

Höchst aufschlussreich ist nicht zuletzt das statistische Material, das Petrolino in seinem Buch bietet: Entgegen den Erwartungen des Zweiten Vatikanischen Konzils arbeiten heute 98 Prozent (!) aller ständigen Diakone in Westeuropa und Nordamerika. Dort leben aber zusammen nur 15 Prozent der Weltbevölkerung. Die Rezeption des Diakonats in anderen Kontinenten war und ist äußerst gering. Das liegt nicht an mangelnder Bereitschaft zum Dienen, ganz im Gegenteil.

Der Konzilsimpuls wurde in anderen Kontinenten, die sich schon rein finanziell keine hohe Zahl an Hauptamtlichen leisten können, durch den gezielten Einsatz und eine gute Schulung von Laien verwirklicht. Vor diesem Horizont versteht man die Warnung des Papstes vor einer Klerikalisierung. Er will nicht den Klerus ausbauen, sondern ihn eher "entmachten“ zugunsten der "Ermächtigung“ des Volkes Gottes.

In dieser Hinsicht ist der sogenannte Westen hinter allen übrigen Erdteilen zurückgeblieben. Der Papst sieht den natürlichen Ort der Diakonie darüber hinaus in der Belebung der "Communio“ der Kirche. So
hatte es auch die Italienische Bischofskonferenz 1971 erhofft: Die ständigen Diakone sollten "eine tiefere gemeinschaftliche Gestalt“ der Pfarreien fördern, damit sie "einen stärkeren Schwung für die feinmaschige Evangelisierung erlangen, die sich an alle richtet“.

3) Und was wird aus dem Frauendiakonat?

Der Papst und all diejenigen, die in der Weihe von Frauen vorrangig einen Fortschritt der Geschlechtergerechtigkeit sehen und fördern wollen, haben etwas gemeinsam: Beide gehen entschieden von der Einheit des Weihesakraments aus. Der Papst folgert, dass Frauen die Weihe nicht empfangen können. Die Kämpfer und Kämpferinnen für Gleichstellung sind ohnehin nicht zufrieden mit der bloßen Diakonatsweihe, weil sie darin - wie die traditionalistische Theologie - nur eine "niedere Weihestufe“ sehen.

Im Geist von Papst Franziskus können im Grunde aber nur die Früchte überzeugen. Hier gibt es keine Hindernisse, gerade weil sich Diakonie und Diakonat als Lebensformen bis zur Unkenntlichkeit ihrer Differenz einander annähern. Oder sollte etwa die Differenz am Ende in der Anstellung mit Besoldungsklasse und Rentenanspruch liegen? Der Akt der Liebe trägt seine Wirksamkeit, die Gegenwart des Gottes der Liebe und seine Freude in sich. Aus der vermehrten Liebe werden die Charismen und Dienste hervorgehen, die in der Kirche benötigt werden, um zu blühen und zu gedeihen "alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), bis die ganze Welt und alle Geschöpfe durch die Botschaft des Evangeliums erreicht sind (Mk 16,15).

Diesen Weg der Charismen übrigens hat Papst Franziskus einer noch unausgeschöpften Kreativität der Kirche anvertraut und damit auch die Ortskirchen ermutigt, nicht nur individuelle Berufungen zu fördern,
sondern gleichsam zeitgemäße Berufungswege und -gestalten hervorzubringen: Die „eingerichteten Dienste“ gründen nach Papst Franziskus in Taufe und Firmung und werden öffentlich und mit einer
gewissen Dauerhaftigkeit in einem liturgischen Akt durch den Ortsbischof übertragen. Sie stehen Männern und Frauen offen.

Verbunden mit einer ekklesiologisch-liturgischen Grundlegung hat Papst Franziskus selbst Akolythat, Lektorat und den Auftrag der Katechese für Männer und Frauen als kirchlichen Dienst errichtet.
Nichts spricht hier gegen diakonal konzipierte Dienste - für Männer und Frauen. Auch darüber hinaus sind der Phantasie des sensus fidelium keine Grenzen gesetzt: Weshalb verteilen sich die 98 Prozent
der weltweit tätigen Diakone nicht gemäß den Nöten der Weltkirche die Regionen der Bedürftigkeit? 

Weshalb setzt der Klerus nicht ein Zeichen durch die Verlängerung der Diakonatszeit auf beispielsweise fünf Jahre, mit anschließender Prüfung der Berufung zum diakonalen oder presbyteralen Dienst (auf
bleibend diakonaler Grundlage)? Diakone mit Zivilberuf könnten entschieden bevorzugt werden, um besser sichtbar zu machen, wie das Evangelium das alltägliche Leben durchdringt. Schließlich sollte die
(auch bei Papst Franziskus dominierende) Verknüpfung von ständigem Diakonat und Ehe aufgehoben werden, als handele es sich beim Diakonat nur um ein Schlupfloch zur Umgehung des Zölibats.

Nicht zuletzt könnte die Affinität der Diakonie zum gottgeweihten Leben und umgekehrt die Nähe des gottgeweihten Lebens zur Diakonie neu entdeckt werden. So stellt Papst Franziskus neben den Diakonen
Stephanus und Franz von Assisi gerade die hl. Therese von Lisieux den Diakonen als Modell vor Augen, insofern sie sagt: "Die selbstlose Liebe gab mir den Schlüssel zu meiner Berufung. Ich begriff, die
Kirche hat ein Herz, und dieses Herz brennt vor Liebe. Ich begriff, allein die Liebe lässt die Glieder der Kirche wirken ... Da rief ich in meiner überschäumenden Freude aus: O Jesus, meine Liebe ...
Endlich habe ich meine Berufung gefunden. Meine Berufung ist die Liebe! ... Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein ... so werde ich alles sein“.

*) Die Autorin ist Professorin für Glaubens- und
Religionswissenschaft, Philosophie an der Universität
Freiburg/Schweiz

Quelle:
KNA