DOMRADIO.DE: Als was für einen Papst werden Sie Franziskus in Erinnerung behalten?

Jutta Mader-Schömer (Vorsitzende des Netzwerks Diakonat der Frau): Ich habe ihn für seine pastorale und diakonale Ausrichtung sehr bewundert. Dass er wirklich nicht nur durch seinen Namen, sondern auch durch viele große und kleine Zeichen dieses Diakonische der Kirche so in den Vordergrund gestellt hat. Dass er zuerst auf Lampedusa war oder die Fußwaschungen bei Gefängnisinsassen. Das hat mich schon sehr beeindruckt. Und auch immer wieder, dass er mit kleinen Leuten gesprochen hat. Er hat Menschen unangekündigt zu Hause besucht hat. Er war daran interessiert, wie es den Menschen geht. Das hat mich immer sehr beeindruckt und das ist ein gutes Herangehen an dieses Amt.
DOMRADIO.DE: Sie selbst setzen sich seit Jahren für die Rechte von Frauen in der katholischen Kirche ein. Was ist Franziskus größter Verdienst in dieser Frage?
Mader-Schömer: Auch wenn es viele anders sehen - und das kann ich auch verstehen: Sein größter Verdienst war, dass er nicht Nein gesagt hat. Die Tür ist offen geblieben. Und, dass er das Papier der Weltsynode so ins Recht gesetzt hat, wie es beschlossen wurde. Immerhin gab es 75 Prozent Zustimmung. Dass die Frage offen bleibt, ob der Weihediakonat geöffnet wird und weiter besprochen werden muss, hatte ich anders befürchtet. Dass es kein Amt 'sui generis' (lat.: eigener Art, Anm. d. Red.) geben soll, sondern dass die Frage weiter besprochen wird.
Ich kann viele Frauen verstehen, denen es reicht und die einfach nicht mehr können und auch nicht mehr warten wollen. Er hat es aber offen gehalten und hat natürlich ein Zeichen gesetzt, in dem er auch Frauen bei den Weltsynoden stimmberechtigt zugelassen hat. Viele Ordensfrauen, aber eben auch ganz normale, weltliche Frauen mit Familie. Das war ein großes Zeichen der Verständigung untereinander, miteinander ins Gespräch zu kommen und eben auch diese andere Lebenswirklichkeit einzubringen Dass die geweihten Männer, die oft vielfach sehr weit weg sind von dem Alltag der Menschen, sich auch damit beschäftigen sollen. Das finde ich großartig.
DOMRADIO.DE: Das Stimmrecht für Frauen bei der Weltsynode ist sicher ein großes Zeichen. Außerdem hat er auch wichtige Leitungspositionen in seiner vatikanischen Regierung Frauen anvertraut. Inwiefern hat er da eine Tür aufgestoßen?
Mader-Schömer: Das habe ich selber gar nicht so stark empfunden, weil auch oft gesagt wird, Frauen würden in Leitungspositionen gebracht werden, damit sie die Weihe gar nicht mehr fordern. Aber Professor Hünermann im Vorstand fand es ganz toll, da er es politisch gesprochen für eine Verfassungsänderung in der Kirche hält. Ohne, dass Franziskus dafür ein Konzil braucht. Er hat Fakten geschaffen und das scheint kirchenpolitisch eine sehr wichtige Sache gewesen zu sein. Dafür spricht auch, dass er das zum Teil noch aus dem Krankenhaus heraus geregelt hat, als er merkte, dass seine Kräfte schwinden.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus ist also mehrere kleine, bis mittlere Schritte in Richtung Geschlechtergerechtigkeit gegangen. Einen so richtig großen Schritt hat er aber doch nicht getan. Warum wohl?
Mader-Schömer: Es gibt unterschiedliche Theorien. Wahrscheinlich war der Gegenwind in der Kurie so stark, dass er es nicht gewagt hat. Vielleicht hat er auch befürchtet, dass sich die Kirche daraufhin spaltet und dass er nicht als der spaltende Papst in Erinnerung bleiben wollte, sondern er ist ein Brückenbauer. Das hätte das vielleicht überschatten können. Ich weiß es nicht, ich kenne ihn und seine Motivation schließlich nicht. Aber ich glaube, dass die Beharrungskräfte sehr stark waren.
Das weltkirchliche Argument, das er immer wieder vorgebracht hat, hat sich im Laufe seines Pontifikats, auch noch einmal verändert. Die Erfahrungen, die wir machen, sind andere. Die Frage ist auch: Was erfährt er und was wird ihm zugetragen? Vielleicht hat er diesen letzten großen Schritt gescheut, weil es ihm um anderes ging. Ich weiß es nicht, es ist schwer zu erkunden.
DOMRADIO.DE: Wie also würden Sie die Bilanz seines Pontifikats aus Frauensicht zusammenfassen?
Mader-Schömer: Es gab positive Anzeichen. Er hat Dinge in Gang gesetzt, die nicht mehr zurückzunehmen sind durch die Synode, durch das Stimmrecht für Frauen, durch die Besetzung der Dikasterien. Den nächsten Schritt, wirklich die Ämter zu öffnen, das wird sein Nachfolger oder sein Nach-Nachfolger erst hinbekommen. Je nachdem, wie das Konklave ausgeht. Da bin ich sehr gespannt.
Dieses Interview führte Hilde Regeniter.