Spekulationen um Inschrift auf Franziskus‘ Grabplatte

Rätselraten um das "Franziskus-A"

Seit Tagen wird über die Grabinschrift des verstorbenen Papstes diskutiert. Ist die unregelmäßige Anordnung der Buchstaben auf eine Schludrigkeit der Steinmetze zurückzuführen oder ist es eine verborgene Botschaft von Franziskus?

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Eine weiße Rose liegt auf dem Grab von Papst Franziskus' in der Basilika Santa Maria Maggiore / © Vatican Media (dpa)
Eine weiße Rose liegt auf dem Grab von Papst Franziskus' in der Basilika Santa Maria Maggiore / © Vatican Media ( dpa )

Seit dem Begräbnis von Papst Franziskus bilden sich lange Schlangen auf dem Esquilin, einem der sieben römischen Hügel. In Massen kommen die Menschen zur Basilika Santa Maria Maggiore, um dort Abschied von ihrem Pontifex zu nehmen. Franziskus‘ letzte Ruhestätte entspricht ganz den Wünschen, die er zu Lebzeiten geäußert hatte. Sie steht in einer einfachen Nische im Boden der Basilika, auf der Grabplatte aus ligurischem Marmor steht schlicht sein Name "FRANCISCVS", bei dem wie im traditionellen Lateinischen ein "V" als "U" gelesen wird. 

Besucher auf dem Weg zum Grab von Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Besucher auf dem Weg zum Grab von Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Doch genau diese Inschrift sorgt seit Tagen für Diskussionen und Spekulationen bei den Besuchenden und in der Netzgemeinde, denn die Buchstaben sind ungleichmäßig positioniert. Der Buchstabe "A" ist weiter entfernt von seinen Nachbarbuchstaben als die anderen, der Abstand zum "R" und "N" scheint zu groß geraten.

Dilettant am Werk?

Das italienische Wochenmagazin "L’Espresso" hatte als erstes darauf hingewiesen und von einem "unglaublichen Grafik-Fehler" geschrieben. Dem Artikel zufolge müsse das beim sogenannten "Kerning" passiert sein. Dabei handelt es sich um die manuelle Anpassung des Abstands zwischen einzelnen Buchstaben oder Zeichen eines Texts oder Logos, weil nicht alle Zeichen die gleiche Form und Größe haben. Zur besseren Lesbarkeit werden gewisse Buchstabenpaare näher zusammengerückt, etwa bei der Kombination "AV". Aber bei der Inschrift für Franziskus hätten die Steinmetze "deutlich übertrieben", ist dort zu lesen. 

"Hier war ein absoluter Dilettant am Werk", zitiert der Schweizer "Tages-Anzeiger" den Zürcher Bildhauer Marcello Fenaroli. Nicht einmal einem Auszubildenden im ersten Lehrjahr würde so ein Missgeschick unterlaufen, sagte er. Von "typografischen Kriegsverbrechen" ist in den Sozialen Medien die Rede. "Der Papst hätte etwas Besseres verdient", schreibt ein User bei X. 

Hätte Papst Franziskus, der zu Lebzeiten nie Wert auf Äußerlichkeiten gelegt hatte, das überhaupt interessiert? "Ich denke, da muss man sich mit den Interpretationen ein bisschen zurückhalten, aber ich glaube, es war Schludrigkeit", mutmaßt der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger im DOMRADIO.DE-Interview. 

Geheime Botschaft?

Aber wie wahrscheinlich ist es, dass bei einer der wichtigsten Begräbniszeremonien des Jahrzehnts, die bis ins letzte Detail durchkomponiert und lange vorbereitet war, so ein Fehler passiert? Der Vatikan äußerte sich bislang nicht zu der Inschrift, auch der Name des Steinmetzes wird nicht veröffentlicht. 

Eine weiße Rose liegt am Grab des verstorbenen Papst Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore. / © Christoph Reichwein (dpa)
Eine weiße Rose liegt am Grab des verstorbenen Papst Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore. / © Christoph Reichwein ( dpa )

Vielleicht wollte Franziskus den Menschen eine letzte verborgene Botschaft mitgeben? "Es stößt auf jeden Fall eine Debatte an", schreibt die italienische Tageszeitung "il Giornale". In der kollektiven Vorstellung muss der Grabstein für den Papst perfekt sein, aber "der Einzige, der perfekt ist, ist Gott", ist dort zu lesen.

"A" wie "Amore"? 

Die katholische Tageszeitung "Avvenire" deutet die unregelmäßige Inschrift sogar als einen letzten Akt des päpstlichen Trotzes. Franziskus habe stets eine Vorliebe für das Unperfekte, Fehlerhafte gehabt, Perfektionismus sei ihm zuwider gewesen, steht dort. Dass der Buchstabe "A" freier steht, könne kein Zufall sein: "Vielleicht wollte er uns eine letzte "Unvollkommenheit" seines Papsttums hinterlassen", mutmaßt der Autor Paolo Iabichino. 

Zu Lebzeiten war Franziskus in ausgelatschten Schuhen herumgelaufen. Mehr als einmal hatte er der Welt gezeigt, wie wenig ihn das vatikanische Protokoll interessierte. Die Menschen am Rande der Gesellschaft interessierten ihn umso mehr. "In dieser Geschichte geht es um die Liebe zur Gleichheit, nicht um die Liebe zur Grafik", schreibt Iabichino. Steht das "A" frei, weil es auch der Anfangsbuchstabe von "Amore" ist? Der Autor kann dieser Interpretation etwas abgewinnen: "Um uns daran zu erinnern, dass nur die Liebe unserem Dasein auf der Welt einen Sinn geben kann."

Keine neue Diskussion

Tatsächlich gab es diese Diskussion auch schon um Inschrift auf der Grabplatte von Papst Benedikt XVI. "BENEDICTUS" steht dort, das "I" zwischen dem "D" und dem "C" wirkt etwas eingequetscht. "Möchte Benedikt in die Geschichte Roms eingehen mit der schlechtesten Typographie aller Päpste?", spottete damals die Netzgemeinde. "Fett, gedrängt und unbeholfen", kommentierte ein Typographie-Experte auf der Seite "kath.ch". Die offenen Fragen wurden von Seiten des Vatikans nie beantwortet. 

Das Grab vom emeritierten Papst Benedikt XVI. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Das Grab vom emeritierten Papst Benedikt XVI. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Papst Franziskus, davon ist auszugehen, dürfte an der aktuellen Debatte jedenfalls seine Freude gehabt haben. Zeit seines Lebens hatte er sich gerne mit Spaßmachern wie Roberto Benigni umgeben, mit Zirkusclowns und Komikern. Und so manche seiner Botschaften hinterließ bei den Gläubigen Fragezeichen. "Avvenire" schreibt: "Betrachten Sie es als ein Osterei des Heiligen Geistes."

Franziskus und die Papstgräber in Santa Maria Maggiore

Papst Franziskus ist nicht wie seine Vorgänger im Petersdom beigesetzt worden, sondern in der römischen Papstbasilika Santa Maria Maggiore. In der seit der Spätantike bestehenden Marienkirche sind bereits sechs Päpste der Kirchengeschichte bestattet; darunter auch der erste Papst aus dem Franziskanerorden, Nikolaus IV. (1288-1292).

Kardinal Kevin Joseph Farrell (m.), Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche, drückt einen Siegel auf den Sarg mit dem Leichnam von Papst Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore, am 26. April 2025 in Rom / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Kevin Joseph Farrell (m.), Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche, drückt einen Siegel auf den Sarg mit dem Leichnam von Papst Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore, am 26. April 2025 in Rom / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR

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