"Der Unvollendete" – so hat der deutsch-italienische Journalist Marco Politi sein jüngst erschienenes Buch über Papst Franziskus genannt. Es wurde anderthalb Monate vor dem Tod des Kirchenoberhaupts am Ostermontag veröffentlicht. Bereits damals war mit Blick auf das Pontifikat von Franziskus klar, dass der Papst aus Argentinien einige von ihm angestoßene Projekte nicht zu Ende führen oder geplante Termine nicht wahrnehmen kann.
Nach dem Tod des Pontifex zeigt sich nun, dass es neben vielen an ein gutes Ende gebrachten Vorhaben wie der Kurienreform oder der Internationalisierung des Kardinalskollegiums, auch einige Punkte gibt die offengeblieben sind. Franziskus Pontifikat ist also an wenigen Stellen ein "unvollendetes" geblieben.
Franziskus war ein reisefreudiger Papst. Während seiner Amtszeit haben ihn insgesamt 49 apostolische Reisen in zahlreiche Länder und auf fast alle Kontinente der Erde geführt. Auch innerhalb von Italien reiste das Kirchenoberhaupt oft. Geplant hatte der Papst eine Reise zum 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nizäa (325) in die Türkei, wahrscheinlich Ende Mai.
Heiliges Jahr wird 2026 beendet
Auch das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, wollte an dem Gedenken an das bedeutende Konzil teilnehmen. Doch zu diesem ökumenischen Gipfeltreffen im Mai wird es nun nicht kommen. Denn es gilt als unwahrscheinlich, dass der noch zu wählende neue Papst so kurz nach dem Konklave bereits eine Reise antreten wird.
Ein wenig anders verhält es sich mit dem aktuellen Heiligen Jahr. Papst Franziskus hat es am vergangenen Weihnachtsfest feierlich mit dem Aufstoßen der Heiligen Pforte am Petersdom eröffnet. Er hat sicher auch gehofft, das Heilige Jahr wie geplant am Hochfest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar 2026 zu beschließen.
Es kann als sicher gelten, dass Franziskus‘ Nachfolger auf dem Heiligen Stuhl diese Aufgabe übernehmen wird. Da es sich um ein reguläres Heiliges Jahr handelt, das alle 25 Jahre begangen wird, dürfte kein Grund vorliegen, weshalb der neue Papst das aktuelle Heilige Jahr vorzeitig beenden oder verlängern sollte.
Heiligsprechung von Cyber-Apostel verschoben
Die von Franziskus und dem zuständigen Vatikan-Dikasterium geplanten Selig- und Heiligsprechungen werden hingegen verschoben. Bereits am Todestag des Papstes teilte der Vatikan mit, dass die für den letzten Sonntag im April geplante Kanonisierung des als "Cyber-Apostel" bekannten Jugendlichen Carlo Acutis ausgesetzt wurde.
Am Dienstag beschlossen die Kardinäle in ihrer Generalkongregation, die während der Zeit der Sedisvakanz täglich stattfindet, dass auch die vorgesehenen Seligsprechungen nicht vollzogen werden. Ob und wann es neue Heilige und Selige gibt, hängt bald von der Entscheidung des künftigen Papstes ab.
Im März hatte Papst Franziskus für viele überraschend eine weitere Phase des von ihm 2021 eröffneten weltweiten synodalen Prozesses angekündigt. Eigentlich war dieser Prozess im vergangenen Jahr mit einer zweiten Vollversammlung der Weltsynode beendet worden. Doch Franziskus wollte sein Herzensanliegen der Synodalität anscheinend weiter vorantreiben und kündigte für Oktober 2028 eine Kirchenversammlung im Vatikan an. Regionale und kontinentale Schritte sollen diese neue Art der synodalen Zusammenkunft von Klerikern und Laien vorbereiten.
Gebetsmeinungen bleiben bestehen
Der noch zu wählende neue Papst könnte diese Pläne von Franziskus zwar vom Tisch fegen. Doch es darf mit Fug und Recht als unwahrscheinlich gelten, dass der Nachfolger des verstobenen Pontifex das in der Kirche derart wichtig gewordene Thema Synodalität von der Tagesordnung nehmen kann, ohne mit vehementen Protesten der Gläubigen rechnen zu müssen.
Ein weiteres Vermächtnis von Franziskus sind seine monatlichen Gebetsintentionen, die bereits für die Jahre 2025 und 2026 feststehen. So hat der Papst für den Monat Mai den Gläubigen aufgetragen, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen im Gebet zu bitten. Auf Nachfrage von DOMRADIO.DE erklärte der internationale Direktor des Gebetsnetzwerks des Papstes, der chilenische Jesuit Pater Cristóbal Fones, dass die veröffentlichten Gebetsmeinungen bestehen bleiben und nicht geändert werden.
"Es ist wichtig zu verstehen, dass es die Gebetsintentionen des Papstes sind und nicht die Gebetsintentionen von Papst Franziskus", so Fones. Sie seien also nicht so sehr an einen Pontifex im Besonderen gebunden, sondern hätten eine enge Verbindung zum universellen Petrusamt.
"Auch wenn ich bezweifle, dass er das tun möchte"
"So ist es schon seit 1879", erklärte der in Rom lebende Jesuit mit Blick auf die Ursprünge des Gebetsapostolats des Papstes. Nichtsdestotrotz könnte das neue Kirchenoberhaupt die konkreten Gebetsmeinungen etwa für das Jahr 2026 anpassen und Veränderungen vornehmen. "Auch wenn ich bezweifle, dass er das tun möchte", sagte Fones.
Es gibt also einige offengebliebene Punkte des Pontifikats von Franziskus, die in der Amtszeit seines Nachfolgers noch zu einem guten Ende gebracht werden können. Dass die Päpste auf dem Werk ihrer Vorgänger aufbauen, ist letztlich auch keine neue Erkenntnis.
So veröffentliche Franziskus seine erste Enzyklika "Lumen fidei" im Juni 2013 wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst – und griff dazu auf ein unvollendet gebliebenes Schreiben von Benedikt XVI. über den Glauben zurück. Die erste Enzyklika, die sozusagen von zwei Päpsten geschrieben wurde, hatte das Licht der Welt erblickt.