DOMRADIO.DE: Im Februar waren sie einer der letzten offiziellen Besucher beim Papst, kurz bevor er wegen seiner Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Nachricht von Franziskus Tod gehört haben?
Alexander Schweitzer (Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz): Ich war zunächst schockiert, wie wahrscheinlich viele Menschen in Deutschland und auf der Welt. Mein Blick und meine Erinnerung gingen zurück an die Privataudienz und die Begegnung, die ich Anfang Februar mit ihm haben durfte. Insofern war das gestern ein trauriger Tag, nicht nur für die katholischen Menschen in Deutschland und auf der Welt, sondern auch für mich persönlich.
DOMRADIO.DE: Welche Erinnerungen haben Sie an ihn als Mensch?
Schweitzer: Das sind ausschließlich Erinnerungen, die ich aus dieser Begegnung mit ihm ziehen konnte. Das war beeindruckend. Er ist mir auch so begegnet, wie er auch beschrieben wurde. Charismatisch, aber wirklich unprätentiös. Sehr sympathisch, mit einem spitzbübischen Humor. Er hat mir eine Gesamtausgabe seiner Veröffentlichungen in deutscher Sprache geschenkt. Er hat mich angelacht und gesagt, wenn ich sie nicht lesen möchte, könne ich sie auch unter den Schreibtisch schieben, wenn er wackelt. Das war etwas, das mich komplett überrascht hat. Dass das Oberhaupt der katholischen Kirche eine solche sympathische Art hat.
Viele Menschen haben das an ihm gespürt, auch wenn sie es nicht persönlich erleben konnten. Deshalb gibt es so viele Sympathiebekundungen aus der ganzen Welt. Er war wirklich ein besonderer Papst, in seiner Amtsführung und in seiner Art zu sprechen und Menschen zu begegnen. So ist es mir auch gegangen. Diese Begegnung war geprägt von einem sehr intensiven Dialog, ging auch ein wenig länger als geplant. Ich habe es als große Ehre in meinem Leben empfunden, dass ich ihm begegnen durfte.
DOMRADIO.DE: Sie sind selbst bekennender Katholik. Was bedeutet es Ihnen, dass der Papst gerade an Ostern gestorben ist?
Schweitzer: Es ist schon bemerkenswert, dass er offensichtlich noch mit seiner letzten Kraft den Ostersonntag zelebriert hat. Er hat doch große, gewisse Teile des Segnungsgrußes 'Urbi Et Orbi' persönlich vorgenommen und offensichtlich - vielleicht ohne es zu wissen oder zu ahnen, damit Abschied genommen. Das ist schon eine besondere Bewandtnis. Es ist ein trauriger Tag. Auch wenn es nicht am Ostermontag, sondern später stattgefunden hätte, dass wir von seinem Ableben erfahren. Es hätte sicher nichts verändert. Es ist wirklich ein Einschnitt, dass er von uns gegangen ist. Auch für die katholische Kirche.
DOMRADIO.DE: Sie haben sein Pontifikat außergewöhnlich genannt. Was genau hat es in Ihren Augen so außergewöhnlich gemacht?
Schweitzer: Er schien jemand zu sein, der aus der deutschen, politischen oder katholischen Sicht schwierig in Schubladen zu packen war. Ich bin mir nicht sicher, ob er in meinen Kategorien ein moderner Papst war. Sicherlich hat er eine große persönliche Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen gehabt. Er war sicherlich ein Papst, der eine der wichtigen Aufgaben der Kirche, Nächstenliebe zu praktizieren, vorzuleben und für die Schwachen da zu sein und auf sie hinzuweisen, sehr gelebt hat.
Ich glaube, das zieht sich durch seine Biografie. Er ist das auch immer als Papst geblieben. Er hat es seinem Umfeld nicht immer leicht gemacht, weil er so ungewöhnlich agiert hat. Aber vielleicht hat die katholische Kirche zu diesem Zeitpunkt genau einen solchen Papst gebraucht. Man darf gespannt sein, wie es nun weitergeht. Aber vieles von dem, was er als Oberhaupt der katholischen Kirche gelebt hat, halte ich für vorbildlich.
DOMRADIO.DE: Was erhofften Sie sich von einem neuen Papst?
Schweitzer: Ich bin da sehr zurückhaltend, Hinweise zu geben. Ich wünsche mir als Katholik, dass wir einen aufgeschlossenen Papst bekommen. Einen Papst, der den Einzelnen nicht aus dem Blick verliert, der die Welt insgesamt sieht, so wie es der verstorbene Papst Franziskus verstanden hat. Ich wünsch mir einen Papst, der sich nicht zurückzieht, sondern auch offensiv Debatten annimmt und sie führt. Ich glaube, es ist das, was viele Menschen von ihrer Kirche erwarten.
Ich wünsche mir auch einen Papst, der die Unterschiedlichkeit der katholischen Kirche wahrnimmt und weiß, dass wir in Deutschland die Debatten anders führen, als sie auf dem afrikanischen Kontinent geführt werden. Wir gemeinsam sind aber Weltkirche. Einen Papst zu haben, der das alles versteht und zusammenführt ist eine besondere Aufgabe. Es ist aber auch ein besonderes Amt.
Dieses Interview führte Ina Rottscheidt.