DOMRADIO.DE: Sie hatten an diesem Ostermontag das Pontifikalamt im Kölner Dom begonnen und mussten es unterbrechen, um die Gläubigen über den Tod von Papst Franziskus zu informieren. Wie ist das gelaufen?
Weihbischof Ansgar Puff: Wir hatten den Gottesdienst normal begonnen. Der Chor sang das Kyrie und dann kam der mitkonzelebrierende Dompropst zu mir. Er sagte, der Papst ist gestorben, wir müssen das jetzt im Gottesdienst sagen.
Mir schoss alles Mögliche durch den Kopf. Um ehrlich zu sein, habe ich auch einen kleinen Moment gedacht: was ist, wenn es gar nicht stimmt und man es dann sagt. Aber es war ziemlich klar, dass es so ist.
Ich habe kurz überlegt, was man sagen kann. Zwischen Kyrie und Gloria habe ich die Nachricht weitergegeben, also zwischen dem Erbarmen Gottes und dem Halleluja für die Auferstehung. Das war ein sehr bewegender Moment.
DOMRADIO.DE: Was haben Sie dabei empfunden? Konnten Sie etwas fühlen oder waren Sie in diesem Moment gefangen?
Puff: Erst war ich im Moment gefangen: Wie sagst du das jetzt? Was ist jetzt angemessen? Aber im Lauf des Gottesdienstes habe ich an die vielen Begegnungen gedacht, die ich mit Papst Franziskus erlebt habe und was er mir bedeutet.
Das war eine seltsame Mischung zwischen Traurigkeit, dass er dann nicht mehr bei uns ist, und auch Freude über seine Auferstehung, so sag ich es jetzt mal, weil jeder gesehen hat, dass er in der letzten Zeit durch seine Krankheit sehr gelitten hat.
DOMRADIO.DE: Sie haben den Gottesdienst unterbrochen und passende Worte gefunden. Dass es dem Papst nicht gut geht, war bekannt. Hatten Sie die Worte deswegen vorher schon im Kopf formuliert?
Puff: Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass er heute sterben würde. Ich war mir sicher, dass er sich wieder ein bisschen belebt hat. Bei seinem Auftreten gestern in der Öffentlichkeit sah man, dass er schwach war, aber das hat mir gezeigt: Er ist wieder da.
Ich glaube, das war auch das Signal, was er senden wollte. Ich bin wieder da. Ich hatte nicht damit gerechnet. Ich habe gedacht, es wird mit seiner Gesundheit weiter bergauf gehen, und er wird uns noch eine Zeit lang erhalten bleiben.
DOMRADIO.DE: Wie war der Moment, nachdem Sie diese Nachricht verkündet haben? Wie haben die Gläubigen reagiert?
Puff: Man spürte schon eine große Betroffenheit. Ich habe nachher erzählt bekommen, dass auch einige Gottesdienstbesucher geweint haben. Das konnte ich von oben nicht gut sehen, aber man spürte an der Stille eine große Betroffenheit.
DOMRADIO.DE: Wie war es für Sie danach, das Pontifikalamt weiterzufeiern?
Puff: Ich glaube, dass es angemessen ist, wenn man sich in so einem Fall mit Jesus vereint. Wenn man das tut, was für uns Christen das Schönste ist, dass man miteinander den Glauben feiert. Den hat er uns immer weitergegeben. Ich war unsicher, ob man eine Predigt halten soll oder nicht. Dann habe ich aber gedacht: Gut, ich mach es einfach.
DOMRADIO.DE: Welchen Bezug haben Sie persönlich zu Papst Franziskus gehabt?
Puff: Ich bin durch ihn zum Weihbischof ernannt worden. Seinen Inhalte, die er immer wieder gesagt hat, haben mir viel bedeutet. Das Erlebnis, was mich am stärksten mit ihm verbindet oder geprägt hat, war vor vielen Jahren, als es dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit gab.
Er hat damals die große Wallfahrt für Obdachlose inszeniert. Er hat dazu aus ganz Europa Zehntausende Obdachlose eingeladen. Wir waren hier aus dem Bistum Köln auch mit ungefähr 150 Leuten da. Da gab es ein Erlebnis, das werde ich nie vergessen. Das prägt mich sehr mit ihm.
Auf der Bühne waren ungefähr zwölf Obdachlose, die von ihrem Leben erzählt haben. Er hatte mit einer kleinen Katechese geantwortet. Als die Leute verabschiedet werden sollten, drängten sie sich auf einmal um den Papst. Ich stand glücklicherweise ziemlich nah dran und merkte, dass die Sicherheitsbehörden etwas unruhig wurden.
Der Papst gab ihnen aber ein Zeichen, nicht einzuschreiten. Die Obdachlosen stellten sich um ihn herum. Einer sagte auf Französisch, dass sie für ihn beten möchten. Sie fassten den Papst an und haben in Stille für ihn gebetet.
Auch in der Audienzhalle wurde es mucksmäuschenstill. Der Papst schloss die Augen und ich konnte sehen, wie gut ihm das tut, dass diese Armen für ihren Papst beten. Ich habe gedacht, jetzt wird das real, was er sich immer gewünscht hat, eine arme Kirche für die Armen.
DOMRADIO.DE: Haben Sie sich nach dem Gottesdienst noch mit Menschen unterhalten, Reaktionen mitbekommen oder selber auch das Gespräch gesucht?
Puff: Ich habe nicht mehr viel geredet. Ich wollte nach Hause gehen, Ruhe haben und ein bisschen Nachdenken. Ich habe versucht, das für mich zu verarbeiten.
Das Interview führte Dagmar Peters.