DOMRADIO.DE: Dachbegrünung oder doch besser die Photovoltaikanlage? Muss man sich entscheiden oder geht beides?
Dr. Christian Weingarten (Leiter des Fachbereichs Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln): Man kriegt beides hin – und das ist eigentlich die gute Nachricht. Man kann das sehr gut kombinieren. Es gibt sogar positive Effekte, wenn man beides zusammenbringt. Vielleicht müssen die Solaranlagen etwas kleiner ausfallen, vielleicht gibt es etwas weniger Pflanzen. Aber insgesamt kann man beides machen – und es ergänzt sich sehr gut.
DOMRADIO.DE: Auf welchen Dächern funktioniert das? Nur auf Flachdächern?
Weingarten: Auf Flachdächern ist es natürlich einfacher. Aber mittlerweile kann man mit bestimmten Vorrichtungen auch Dächer mit bis zu 45 Grad Neigung begrünen. Damit verhindert man, dass die Pflanzerde abrutscht. Es gibt da schon gute Beispiele. Sobald ein Gründach möglich ist, ist auch die Kombination sehr gut möglich.
DOMRADIO.DE: Was lässt sich da eigentlich pflanzen? Müssen das alles niedrige Pflanzen sein? Kletterpflanzen an Kollektoren wären ja eher ungünstig.
Weingarten: Es gibt zwei Arten von Gründächern: extensive und intensive. Bei leichten Dächern ist nur eine dünne Substratschicht möglich. Da pflanzt man niedrige Pflanzen, die für Insekten gut sind. Die Photovoltaikanlage liegt darüber und spendet sogar etwas Schatten. Das schützt die Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung im Hochsommer – sie würden sonst eingehen. Gleichzeitig schützt das Grün die Solarpaneele vor Überhitzung.
Bei intensiven Gründächern – etwa Dachgärten mit Bäumen – muss man darauf achten, dass die Pflanzen nicht über die Solarmodule hinauswachsen und damit die Sonnenstrahlen blockieren.
DOMRADIO.DE: Findet man denn Fachleute, die das alles aus einer Hand anbieten? Oder muss man für das Gründach zum Gärtner und für die Solaranlage zum Dachdecker?
Weingarten: Es wird immer mehr kombiniert angeboten. Viele Dachdecker bieten inzwischen auch Gründächer und Photovoltaikanlagen an. Der Trend ist da und nicht mehr umkehrbar. Zwar gibt es noch Betriebe, die sich jeweils nur auf das eine oder das andere spezialisieren, aber oft kennen die sich untereinander und können weitervermitteln. Immer mehr Unternehmen können inzwischen beides, weil die Nachfrage stetig steigt.
DOMRADIO.DE: Was hat man denn als Hausbesitzer davon, wenn man beides installiert?
Weingarten: Ein Gründach schützt das Dach vor Schäden. Ein Flachdach mit schwarzer Oberfläche heizt sich im Sommer stark auf und wird dadurch auf Dauer beschädigt. Dazu kommen Starkregen oder Hagel. Das alles belastet die Dachhaut.
Ein Gründach dagegen schützt. Die Pflanzen erneuern sich, das Dach hält länger. Auf lange Sicht ist das oft günstiger. Zusätzlich entsteht ein Kühleffekt durch die Verdunstung des Wassers aus Boden und Pflanzen. Das kühlt das Gebäude und auch die Photovoltaikanlagen. Die funktionieren besser, wenn sie kühl sind. Je heißer sie im Sommer werden, desto weniger Leistung bringen sie. Durch die Pflanzen und das gespeicherte Wasser bleibt die Anlage kühler, bringt mehr Leistung und ist dadurch auch wirtschaftlich effizienter.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn im Erzbistum Köln schon ein konkretes Beispiel?
Weingarten: Ja, an der neuen St. Josef-Gesamtschule in Bad Honnef. Dort gibt es ein Gründach. Und auf dieses Dach wird jetzt nachträglich die Photovoltaikanlage montiert. Auch das ist möglich: Wenn die Statik es erlaubt, kann man eine Solaranlage gut nachrüsten.
DOMRADIO.DE: Ist das genehmigungspflichtig?
Weingarten: Nein. Wo ein Gründach möglich ist, ist auch eine PV-Anlage möglich. Bei denkmalgeschützten Gebäuden ist das natürlich etwas anderes. Es gibt inzwischen sogar Städte wie Hamburg, in denen künftig die Kombination Gründach und Photovoltaik Pflicht wird. Man will beides: Energie produzieren und zugleich Biodiversität und Kühlung fördern. Die Frage ist dann nicht mehr, ob es erlaubt ist, sondern wann man es umsetzt.
DOMRADIO.DE: Gilt das dann nur für Gewerbebauten oder auch für private Häuslebauer?
Weingarten: Vor allem für Neubauten in Hamburg. Aber das betrifft auch Mehrfamilienhäuser in der Stadt.
Das Interview führte Heike Sicconi.