Schon Benedikt XV. wurde als Friedenspapst kritisiert

Abrüstung und Räumung der besetzten Gebiete gefordert

Franziskus bekommt viel Kritik, weil er einen Verhandlungsfrieden für die Ukraine will. Ähnlich ging es Benedikt XV. während dem Ersten Weltkrieg, weil er mit den schon damals als Aggressor gebrandmarkten Deutschen verhandeln wollte.

Autor/in:
Christiane Laudage und Ludwig Ring-Eifel
Porträt von Papst Benedikt XV. (KNA)
Porträt von Papst Benedikt XV. / ( KNA )

Wenn sich Papst Franziskus im russisch-ukrainischen Krieg für einen Verhandlungsfrieden einsetzt, steht er in einer langen vatikanischen Tradition. Papst Leo XIII. (1878-1903) war der erste der sogenannten Diplomatenpäpste. Laut dem Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti, der 2022 das Buch "Friedensmacht - Die vatikanische Außenpolitik seit 1870" veröffentlichte, ist der Einsatz für den Weltfrieden seit Leo XIII. Teil der vatikanischen Außenpolitik.

Besonders herausgefordert war Leos Nach-Nachfolger Benedikt XV. (1914-1922). Er wurde laut Ernesti im September 1914 vor allem deshalb gewählt, weil man sich von dem italienischen Adligen diplomatische Interventionen im Sinne einer Begrenzung und Beendigung des wenige Wochen zuvor begonnenen Krieges erhoffte. Er beharrte von Anfang an auf der Überparteilichkeit des Heiligen Stuhls, wie es dann auch die späteren Päpste taten. 1915 erklärte Benedikt XV., Christus sei für alle Menschen gestorben. Das sei für den Stellvertreter auf Erden eine Verpflichtung. 

Rolle des "gemeinsamen Vaters"

Bereits in seinem ersten Schreiben nach Amtsantritt rief er zum Frieden auf und danach immer wieder. Wenige Monate später, zu Weihnachten 1914 setzte er sich vergeblich für einen Waffenstillstand an den Feiertagen ein. Als wirksamste "Waffe" betrachtete er das Gebet, doch er arbeitete auch aktiv an der politischen Beendigung des Konflikts. 

Ob er selbst durch Überparteilichkeit der alten Rolle des "gemeinsamen Vaters" gerecht wurde, war europaweit umstritten, sagt Volker Reinhard in seiner Papstgeschichte "Pontifex". Benedikt stand im Verdacht, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich nicht zu verurteilen. Und das obwohl doch wegen des deutschen Überfalls auf das schwächere Belgien im ersten Kriegsjahr die Deutschen klar als Aggressor dastanden.   

Geheimverhandlungen unter vatikanischer Vermittlung

In den ersten Kriegsjahren konzentrierte sich der adlige Papst auf die Linderung menschlichen Leids auf allen Seiten durch Gefangenenaustausch und Versorgung von Verwundeten. Erstmals arbeitete der Heilige Stuhl mit dem Internationalen Roten Kreuz zusammen. 

1917 waren die Kämpfe in einen Stellungskrieg übergegangen, in dem Hunderttausende starben. Ein Ende war nicht in Sicht. Als ein Versuch zu deutsch-französischen Geheimverhandlungen unter vatikanischer Vermittlung scheiterte, sah der Papst die Zeit gekommen, sich mit einer Friedensnote an die kriegführenden Staaten zu wenden. Sie datiert vom 1. August 1917 und trägt den Titel "Des les debuts" (Seit den Anfängen). 

"Siegfrieden"

"Um uns jedoch nicht mehr in den allgemeinen Ausdrücken zu halten, (...) wollen wir zu konkreteren und praktischen Vorschlägen greifen und die Regierungen der kriegführenden Völker einladen, sich über folgende Punkte zu einigen, welche die Grundlagen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu sein scheinen", so Benedikt XV.  Er schlug eine allgemeine Abrüstung und die Räumung der besetzten Gebiete vor, also die Rückkehr zum Status unmittelbar vor dem Krieg. Ein internationales Schiedsgericht sollte strittige Gebietsfragen regeln. 

Die Friedensnote wurde später zu einem Schlüsseltext für die katholische Friedensbewegung, doch im Ersten Weltkrieg blieb sie ohne Wirkung. Auch die deutschen Bischöfe reagierten überwiegend ablehnend auf die Note und wollten die Verbreitung verhindern. Wie so viele Deutsche glaubten sie noch immer an einen "Siegfrieden" und sahen die bei einem Verhandlungsfrieden nötigen Kompromisse als schändliche Zugeständnisse an. Spiegelbildlich sah es auf der französischen Seite aus. Hunderttausende weitere Soldaten mussten sterben.

Frieden, das schönste Geschenk Gottes

Auch nach dem Krieg setzte Benedikt XV. seine Bemühungen um einen gerechten Frieden fort und setzte sich für eine Linderung des menschlichen Leids ein. 1920 veröffentlichte er die Enzyklika "Pacem Dei munus pulcherrimum" (Frieden, das schönste Geschenk Gottes), die erste Friedensenzyklika. Echter Friede könne nur mit der Versöhnung der ehemals verfeindeten Nationen gelingen. Vergeltung und Rache seien der Nährboden für neue Gewalt. Der Aufstieg der Nazis im gedemütigten Deutschen Reich sollte ihm postum Recht geben. 

Benedikts Wirken für den Frieden und sein humanitäres Engagement wurden erst nach Kriegsende allgemein anerkannt, meint der Historiker Ernesti und resümiert: "Seit dem Wirken des 'Friedenspapstes' Benedikt XV. weiß die Weltöffentlichkeit, dass das Papsttum für Frieden und Völkerverständigung steht."

Franziskus als Friedensrufer

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Papst Franziskus (85) um Vermittlung im Krieg mit Russland gebeten. Zuvor hatte dieser mit dem Putin nahestehenden russischen Patriarchen Kyrill I. lange telefoniert. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zeichnet Stationen von Franziskus' Friedensengagement nach:

2013

März: Kardinal Jorge Mario Bergoglio wird zum Papst gewählt. Er gibt sich in Anlehnung an den "Heiligen der Armen" den Namen Franziskus - ein Novum in der Kirchengeschichte.

Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA