Territorialabtei St. Maurice in der Schweiz

Gegründet wurde die Abtei Saint Maurice durch den heiligen Sigismund, den späteren König von Burgund. Im 9. Jahrhundert wurden die Mönche durch Chorherren ersetzt. / © Georges Scherrer (KNA)
Gegründet wurde die Abtei Saint Maurice durch den heiligen Sigismund, den späteren König von Burgund. Im 9. Jahrhundert wurden die Mönche durch Chorherren ersetzt. / © Georges Scherrer ( KNA )

Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Es beherbergt einen der reichsten Kirchenschätze Europas. 2014/2015 feierte die Abtei ihr 1.500-jähriges Bestehen. Das Kloster St-Maurice ist eine Territorialabtei und direkt dem apostolischen Stuhl unterstellt. Der Abtei der Regulierten Chorherren des hl. Augustinus (CRSA) steht ein Abt vor, der meistens auch Bischof ist. Die Chorherren führen ein Gymnasium und betreuen verschiedene Pfarreien.

Die Abtei überstand die Reformation, die Französische Revolution und einen Religionskrieg in der Schweiz – die allesamt zur Schließung vieler Klöster führten. Sie steht an einer zentralen Stelle auf dem Weg von Nordeuropa über den Großen Sankt Bernhard nach Rom.

Ihre Ursprünge gehen auf das legendäre Grab des heiligen Mauritius (Moritz) und seiner Gefährten zurück. Mitglieder der Thebäischen Legion sollen Ende des 3. Jahrhunderts an verschiedenen Orten als Märtyrerchristen gestorben sein, so auch in Köln, Bonn und Xanten. Nach dem Bericht des Bischofs Eucherius von Lyon sammelte Bischof Theodor die Gebeine der ersten heiligen Märtyrer der Thebäischen Legion und liess sie an der steilen Felswand bei Augaunum (St-Maurice) beisetzen. Im Jahr 420 wurde über diesem Grab eine kleine Kirche gebaut, die um 480 um einer zweiten Apsis erweitert wurde. 515 gründete der Burgunderkönig Sigismund an diesem Platz die Abtei St-Maurice, in der bis heute die "laus perennis" - das immerwährende Gotteslob gesungen wird und baute eine Basilika. 

Bei der Völkerwanderung zerstörten die Lombarden 517 die Sigismundbasilika, die später wieder aufgebaut wurde. Später, im 9. Jahrhundert, wurden die Mönche durch Chorherren ersetzt. 1128 übernahmen diese die Augustinusregel. Die Abtei gehört keiner Diözese an; sie genießt den Status einer sogenannten Territorialabtei. Sie untersteht unmittelbar dem Papst. Ihr Abt ist geborenes Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz.

Nach einem Felssturz 1611 entstand 1614 bis 1624 die siebente Kirche. Der Turm und ein Teil der Kirche wurden 1942 wiederum durch einen Felssturz stark beschädigt und mussten neu aufgebaut werden. 

Der Ruf der Abtei wurde zuletzt durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert. Das Kloster reagierte darauf erst auf Druck der Öffentlichkeit. 

Eine vom Orden der Augustiner-Chorherren beauftragte unabhängige Untersuchungskommission stellte in ihrem am 20. Juni 2025 veröffentlichten Bericht fest, dass es zwischen 1960 und 2024 mindestens 67 Fälle sexualisierter Gewalt zumeist an Minderjährigen gegeben habe, verübt von mindestens 30 Ordensmännern. Die Abtei bat darauf "bedingungslos um Vergebung" und kündigte einen Aktionsplan an. 

Für den Untersuchungsbericht befragt wurden 57 Zeugen sowie 24 Geistliche. Dokumentiert wurden "Gesten oder Äußerungen mit sexuellen Anspielungen in einem Machtverhältnis, wiederholte sexuelle Berührungen, zweideutige Fotosessions, Verführungsversuche in einem Machtverhältnis, Exhibitionismus oder der Konsum von Kinderpornografie". Zudem gab es laut Bericht Fälle von sexuellen Übergriffen, Vergewaltigung sowie erzwungene Abtreibungen. Die Kommission wirft sowohl den Äbten als auch den örtlichen Behörden Versagen vor.

Im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen stellt der Bericht dem Kloster ein schlechtes Zeugnis aus. So bescheinigt sie ihm eine "defensive Haltung", die zuallererst darauf abgezielt habe, den Ruf der Abtei zu schützen. Verdächtigte oder denunzierte Chorherren seien versetzt worden; "die Verantwortlichen der Abtei bemühen sich, die Handlungen der beschuldigten Kollegen zu vertuschen, sie zu verharmlosen, indem sie ein verschwommenes oder euphemistisches Vokabular benutzen", so die Autoren des Berichts. 

Als Folge des Untersuchungsberichts trat der Abt der Abtei Saint-Maurice, Jean César Scarcella (73), im Juni 2025 zurück.